Design-Unterkünfte Stilvoll und schön schräg

Schick übernachten - das geht auch günstig. Mit Design für schmales Geld wirbt eine neue Hotelgeneration um junge Gäste. Drei Beispiele für Unterkünfte, die mehr bieten als nur ein Dach über dem Kopf - in Hamburg, Amsterdam und London.

25 Hours, Hamburg

25 Hours - Paul-Dessau-Straße 2 in
22761 Hamburg,
Tel.: 040/85 50 70,
Fax: 85 50 7-1 00
Internet: www.25hours-hotel.deNein, Bibel und Briefpapier waren nicht zu erwarten. Nicht in dieser stromlinienförmigen Kreuzung aus Kommode, Sofa und Schreibtisch. Stattdessen gibt es Ohrenstöpsel in Zellophan, weiter nichts. Klingt ein bisschen wie eine Drohung: Du bist, flüstert das Ohropax, im Hotel "25 Hours" in Hamburg, wo MTV auf den Zimmerfernsehern läuft, wo es Liegelandschaften gibt und laute Partys, wo der Tag mehr als 24 Stunden hat. Und wenn dir das zu wüst ist, bist du zu alt. In Bahrenfeld, einem Viertel im Westen der Stadt, haben die Designer Evi Märklstetter und Armin Fischer Disco mit Hotel gekreuzt. Das "25 Hours" ist ein Technotraum in Pink und Anthrazit; ein ehemaliges Kontorhaus mit rohen Betondecken, Fadengardinen und einem Rezeptionstresen, der aussieht wie eine runtergefallene Discokugel. Ständig meint man, von irgendwoher Technogewummer zu hören - denn das ist der natürliche Soundtrack für dieses Hotel, auch wenn gerade gar keine Party im Erdgeschoss stattfindet. Retro-Spielereien fangen die kühle Clubbing-Atmosphäre auf. Ohne die rundlichen Oma-Fernseher auf den Zimmern und ohne Mustertapeten in Pastellfarben wäre das "25 Hours" einfach zu cool, um noch gemütlich zu sein.

Ausgedacht hat sich das alles der 47-jährige Kai Hollmann. Dem gehört direkt nebenan mit dem "Gastwerk" ein gediegenes Luxushotel, während sein "25 Hours" jüngere Leute mit engem Budget anlocken soll. "Wir haben hier so einen WG-Gedanken", sagt Marketingchefin Ulrike Fohr: "Der Gast soll abends nicht allein auf dem Zimmer sitzen." Deshalb gibt es statt Tagungsräumen den Living Room: einen pompös eingerichteten Aufenthaltsraum mit Diwanen, Sesselgruppen und einer gewaltigen Sofa-Liegewiese. Tatsächlich fläzen sich hier abends die Zimmernachbarn - junge Touristen, dynamische Großstadtnomaden, magere Models - und schlürfen Caipirinha vor dem Breitbild-Fernseher. Youth Hostel goes Ritz. Geschickt schafft es dieser Ort, seinen Gästen bei aller Hipness nicht auf den Wecker zu fallen: Das Design ist außergewöhnlich, aber nicht affektiert. Alles bleibt schnörkellos und unaufdringlich - von der Flokati-Teppichinsel vor dem Bett bis zum blank gewienerten Edelstahl-Waschbecken. Eine Freude ist dann auch der Preis für eine Übernachtung: Das Doppelzimmer kostet maximal 99 Euro, und Gäste unter 25 Jahren, die übers Wochenende einchecken, zahlen etwas mehr als die Hälfte. Wer dann beim Auschecken noch genug Geld in der Tasche hat, kann an der Rezeption alle Hotelmöbel für zu Hause bestellen. Die sind dann allerdings richtig teuer.

Hotel V, Amsterdam

Hotel V - Victorieplein 42 in
NL-1078 PH Amsterdam,
Tel.: 0031/206 62 32 33,
Fax: 206 76 63 98
Internet: www.hotelv.nlHängen die Hörner schief?", fragt Tom Espinosa, springt von der lila Couch auf und untersucht die Neigung das Kudu-Geweihs an der Wand. Es ist nicht leicht, mit dem 42-Jährigen in der Lobby seines "Hotel V" zu reden. Immer wieder stockt er und grinst, wenn Gäste hereinkommen und die Einrichtung bestaunen: den offenen Kamin, die Chromleuchter oder das Meer aus Rosenblüten auf der Fensterbank. Espinosa, ein sommersprossiger Amsterdamer mit Wuschelfrisur, führt das Hotel mit Ehefrau Mirjam und seiner Schwester Jacqueline. Vor fünf Jahren haben sie das Haus übernommen und ihm nach und nach ihren Stil aufgedrückt. Aus dem gediegenen "Hotel Victory" wurde das trendige "V". Bis heute feilen sie ständig am Design der 24 Zimmer.

Als Inspiration dienen unter anderem die Design-Hotels von Ian Schrager und Philippe Starck, das "Hudson" in New York oder das "St. Martin's Lane" in London. "Wunderschön dort, aber viel zu teuer", sagt Espinosa. Das soll im "V" anders sein: Es darf nicht viel kosten, weder die Gäste noch die Besitzer. Deshalb kommen viele der Möbel und Accessoires aus dem Baumarkt, aus zweiter Hand oder aus Lädchen im benachbarten Szeneviertel "De Pijp". Aus Kostengründen gibt es auch keine echte Hotelbar - wer danach fragt, dem öffnet die freundliche Rezeptionistin Simone eine Flasche Heineken. Und so wohnen die "Hippos und Spontanos", wie Espinosa seine Gäste nennt, zu überhaupt nicht ruinösen Preisen: Ein Doppelzimmer gibt es für 110 Euro, in der Nebensaison auch für weniger. Dabei wirkt das "V" kein bisschen zusammengewürfelt. Alles ist stilvoll, aufgeräumt, sogar mit einem Schuss Luxus. Auf den großen Betten liegen Fellkissen mit Bonbons; das Fußende begrenzt eine weiße Tischbank mit Schalensesseln, die teuer aussehen, tatsächlich aber nur 30 Euro gekostet haben. Und wer es bräsiger mag, nimmt den Sitzsack in der Ecke. Geradezu ein Jammer, dass der Speiseraum im Erdgeschoss des "V" nur zum Frühstück geöffnet wird. Er ist eher eine Cocktail-Lounge als ein Esszimmer. So geradeaus und auf nüchterne Weise gemütlich, dass sogar die selbst gemachten Kuhfell-Schemel und der röhrende Kerzenhalter-Elch am Fenster großartig aussehen. "Ein schönes Hotel für viel Geld, das ist einfach", sagt Espinosa. "Aber viel bieten für wenig, da wird es schwer." Und dass er die Kudu-Hörner auf einem Trödelmarkt in Maastricht erstanden hat - wen stört das schon?

Stylhotel, London

Stylotel - 160-162 Sussex Gardens in GB-London
W2 IUD,
Tel.: 0044/ 20 77 23 10 26,
Fax: 20 72 62 29 83
Internet: www.stylotel.comErinnern Sie sich noch an "Asterix und Kleopatra"? An den ägyptischen Architekten Numerobis, der windschiefe Häuser baut und einsturzgefährdete Tempel? Ein bisschen ähnelt ihm Paul Charalambous, Besitzer und Gestalter des "Stylotel" in London. Der 26-Jährige ist, wie der Häuslebauer aus dem Comic, Autodidakt und stolz darauf, dem 200 Jahre alten Gemäuer im Stadtteil Paddington eine ultramoderne Innenarchitektur verpasst zu haben. Ganz allein. "Wohnen in einer Maschine", das will Paul in seinem Hotel bieten, und so sieht es auch aus: Genopptes Aluminium, Spiegelflächen und blaues Leder an den Zimmerwänden, die Möbel sind aus Edelstahl und Plexiglas zusammengeschweißt. Die Türen mit Metallbeschlägen passen eher zu Kühlhäusern als zu Schlafzimmern. Und die Lobby badet Besucher in sattem Schwimmbadgrün - eine Ästhetik irgendwo zwischen Kriegsschiff und Stanley Kubricks Film "Odyssee im Weltraum". Wie das alles vor drei Jahren ausgesehen haben mag, bevor Paul aus dem Haus einen Automaten machte, sieht man nur noch an der verklinkerten Fassade - die ist denkmalgeschützt. "Einen Haufen Geld hat der Umbau gekostet", sagt Pauls Vater Pambos, ein zyprischer Einwanderer, dem das Hotel vorher gehörte. Alt-englisch war es damals, mit viel Holz und roten Teppichen. "Ältere Menschen finden so was ja schön", sagt der 55-Jährige, gibt aber zu, dass Sohn Paul mit seinem Konzept Erfolg hat: ungewöhnliches Design für junge Großstadtbesucher. "Schon die Zimmer gesehen?", fragt ein Gast im Lift, verdreht die Augen und grinst zufrieden. Alles so anders hier, so rostfrei und liebenswert schräg. Denn manchmal ist der Stahl-Schick noch ein bisschen halbgar: Die Stühle neigen zum Wackeln, manche Kunststoffplatten passen nicht genau in die Chromrahmen der Nachttische. Aber gerade dieser liebevolle Dilettantismus im Detail macht die Sache so charmant. Und Paul hat, wie er betont, eben alles selbst gemacht, auch die Möbel.

Für ein Doppelzimmer nimmt er umgerechnet 93 Euro, geradezu lumpig für Londoner Verhältnisse. Paddington Station mit vier U-Bahn-Linien ist gleich um die Ecke, den Hyde Park erreicht man zu Fuß. Und im Preis inbegriffen ist das englische Frühstück im Souterrain-Speisesaal - Rührei mit Speck auf den ungemütlichsten Stühlen der Welt. Selbst entworfen, versteht sich: "Aus Edelstahl", sagt Paul, "die halten ewig."

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Rainer Leurs

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