Christa Schneider rauft sich die Haare beim Blick in ihren Belegungsplan. «Ich weiß wirklich nicht, wie ich alle Anfragen in diesem Sommer berücksichtigen soll.» Seit 28 Jahren vermietet die Bäuerin des idyllisch gelegenen Haberlhofes in Waging a. See Zimmer. Ihre Stammgäste machen jeden Sommer Urlaub auf dem Bauernhof in dem oberbayerischen Ferienort.Doch damit dürfte vorerst Schluss sein. «Schuld» ist die neue Ferienordnung für Deutschland, die von diesem Jahr an bis 2008 für fast identische Termine der drei bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern im August sorgt. Während bisher die Sommerferien in Nordrhein-Westfalen wesentlich früher begannen, fangen sie dieses Jahr erst am 31. Juli an und dauern bis zum 13. September. Fast zur selben Zeit haben aber auch die Bayern (28. Juli bis 8. September) und Baden-Württemberg (24. Juli bis 6. September) Ferien.
Gerangel um freie Plätze
Von den jährlich rund 80 Millionen Übernachtungen deutscher Urlauber im Freistaat entfallen 25 Prozent auf die Bayern selbst, 23 Prozent auf Nordrhein-Westfalen und 15 Prozent auf Baden-Württemberg. Es kommt also zu einer nie da gewesenen Ballung im Spätsommer. «Ich muss Stammgästen im August absagen, während ich im Juli noch Betten frei habe», stöhnt Christa Schneider. Ein regelrechtes Gerangel um die freien Plätze im August hat eingesetzt. «Manche buchen bereits zwei Jahre im Voraus.»
Sommerferien 2003
Baden-Württemberg | 24.07.-06.09. |
Bayern | 28.07.-08.09. |
NRW | 31.07.-13.09. |
Die Bäuerin ist nur eine von vielen, die sich über die von den Kultusministern der Länder einmütig beschlossene neue Ferienordnung ärgert. «Wir laufen Sturm gegen diese unsinnige Regelung», sagt Markus Ritter vom Landesverband «Urlaub auf dem Bauernhof in Bayern». Doch alle Proteste sowohl an die Adresse der Bundesregierung als auch ans bayerische Kultusministerium haben nichts genützt. «Wir wurden mit leeren Versprechen abgespeist», gibt sich Ritter enttäuscht.Auch in der Ferienregion rund um den Wendelstein nahe dem Chiemsee ist die Enttäuschung groß. Die Chefs des dortigen Tourismusverbandes richteten einen Brandbrief an ihre Landtagsabgeordneten. «Für die Tourismusorte in Bayern bringt die komprimierte Ferienzeit erhebliche Probleme in der Bettenauslastung und beim Autoverkehr», heißt es darin. Mit der neuen Regelung sei ein «hoher wirtschaftlicher Schaden zu erwarten, da sich die Kaufkraft nur noch auf den Monat August konzentriert». Leidtragende seien neben den Vermietern die Familienurlauber mit schulpflichtigen Kindern. Auch noch so hohe Investitionen in der Gästewerbung reichten nicht aus, «um den entstehenden Schaden wett zu machen», schrieben sie ans Parlament.«Die neue Ferienordnung trifft uns doppelt», klagt Anna-Maria Muck von der Bayern Tourismus Marketing GmbH. Zum einen hätten die Bayern als traditionell im eigenen Land urlaubende Klientel Probleme, geeignete Quartiere zu finden. «Zum andern entgehen unseren Vermietern Einnahmen, weil durch das Ausbleiben der Urlauber im Juli freie Kapazitäten entstehen, die im August nicht ausgeglichen werden können», erläutert Muck.
Bayern bleibt bei Beschluss
Der bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) hat zwar beim jüngsten Treffen seiner Kollegen auf Länderebene die Auswirkungen der Neuregelung auf die Tourismusbranche im Freistaat angesprochen. Der Beschluss der Kultusminister, auch der seiner weiß- blauen Kollegin und Parteifreundin Monika Hohlmeier, habe aber Bestand. Mucks ernüchterndes Fazit: «Uns sind die Hände gebunden.»
ADAC: Verkehrskollaps befürchtet
Den Verkehrskollaps und völlig ausgebuchte Urlaubsquartiere befürchtet der ADAC in diesem Sommer. Vor allem am letzten Juli- und am ersten August-Wochenende drohe das Chaos schlechthin auf den Urlaubsrouten. Der Automobilclub fordert daher von der Politik eine verbesserte Staffelung der Ferientermine. Sein Rat an die Urlauber, Quartiere so früh wie möglich zu buchen, dürfte indessen für diesen Sommer deutlich zu spät kommen.