Das erste Tui-Kreuzfahrtschiff sticht im Mai 2009 in See. Warum hat es so lange gedauert, bis der Konzern sich aufs Meer wagt?
Überlegungen gab es schon 1999. Nach dem 11. September 2001 wurde das Projekt wegen der ungünstigen Marktsituation zurückgestellt. Dann musste man herausfinden: Wo ist die Lücke? Ist es vielleicht schon zu spät, um einzusteigen? Erst als signifikante Zahlen zeigten, dass Landurlauber zusehends auch aufs Schiff gehen, wurde grünes Licht gegeben. Genau zum richtigen Zeitpunkt, finde ich.
Aber die Welt schliddert doch geradewegs in eine Rezession.
Unsere Kernzielgruppe ist nicht so leicht zu erschüttern. Die Buchungseingänge gehen nicht zurück, obwohl wir das Schiff noch nicht einmal gezeigt haben. Sicher, es gibt eine einkommensschwächere Klientel, die ihren Kreuzfahrttraum aufschieben wird. Aber nicht lange. Dafür ist der Urlaub den Menschen zu wichtig.
Mit Kreuzfahrt-Angeboten wird man heutzutage beworfen. Weshalb sollten sich Kunden ausgerechnet für Tui Cruises entscheiden?
Weil wir uns zwischen der traditionellen - also etwas steifen und auch teuren - Kreuzfahrt und den jugendlichen "Funships" positionieren. Unsere Atmosphäre wird lässig, aber nicht rummelig sein. Darauf haben Leute zwischen 40 und 60 Jahren gewartet! Drei Millionen von denen haben ein monatliches Haushaltseinkommen von 3000 Euro und mehr.
Zur Person
Richard J. Vogel, 53, ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Tui Cruises. Unter seiner Marketing-Ägide entstand 1996 das Konzept der Aida-Flotte, das die Kreuzfahrt bei den Deutschen populär machte. Das erste Tui-Schiff ist 263 Meter lang, 13 Decks hoch und mit fast 2000 Betten und einer über drei Stockwerke reichenden Bar bestückt. Es fährt von Mai 2009 an in der Ostsee, im Mittelmeer und in der Karibik.
Was soll auf dem Tui-Schiff anders sein als auf den Dampfern von Costa oder MSC?
Wir bieten Vier-Sterne-Plus-Service an und die professionelle Unterhaltung der internationalen Reedereien - aber als deutschsprachiges Produkt.
Klingt leicht provinziell.
Ist es aber nicht. Die Internationalität auf einer Kreuzfahrt ergibt sich, sobald der Gast das Schiff verlässt. An Bord aber erleichtert ihm Deutsch als Sprache vieles: Er kann sich besser mit Mitreisenden unterhalten und muss Borddurchsagen nicht in fünf Sprachen über sich ergehen lassen. Und er kann sich in seiner Muttersprache beschweren, falls notwendig.
Das Schiff wurde 1996 in Papenburg gebaut und wird ab März für 50 Millionen Euro
restauriert. War ein Neubau zu teuer? Wir hätten mit dem Markteintritt bis 2012 warten müssen. Das lag uns zu fern.
Ihre Anlegehäfen und Ausflüge unterscheiden sich nicht sehr von denen anderer Veranstalter. Auf See nichts Neues?
Natürlich sind die Routen für alle mehr oder weniger gleich. Aber wir bieten doch Eigenes: Wir fahren das Baltikum in elf statt in sieben Tagen ab. Da hat man in den Häfen mehr Zeit, kann zum Beispiel in St. Petersburg über Nacht bleiben. Klar, alle laufen Neapel an. Aber wir machen Ausflüge in Gruppen zwischen 10 und 200 Personen. Man kann an einem Pizzabackkurs teilnehmen oder an einem Smørrebrød- Kurs in Kopenhagen.
Wie hoch ist der Tagespreis auf dem Schiff?
Im Durchschnitt 200 Euro.
Kein Pappenstiel. Trotzdem werden Kreuzfahrten immer beliebter, der Markt wächst um zehn Prozent pro Jahr. Wie erklären Sie sich das?
In Deutschland waren Kreuzfahrten lange ein exklusives, knappes Reisegut, das quasi zugeteilt wurde. Mittlerweile sind sie bei Urlaubsplänen eine selbstverständliche Option, denn die Preise sind stetig gesunken. 2008 hat ein Prozent der Deutschen eine Kreuzfahrt gemacht. In England sind es zwei Prozent, in den USA sogar fast vier Prozent der Bevölkerung. Bei uns ist also noch viel Luft drin. Und die Reedereien erzeugen Wachstum durch mehr Angebote.
Und das funktioniert?
Ja. Jedes neue Schiff, das auf den deutschen Markt kam, wurde auch gefüllt. Auch die größeren, die mit 2000 Betten. Früher war 600 das Limit. Sogar Nischenmärkte wie die Expeditionstouren wachsen wieder. Der Boom hat den Weg für alle geebnet.
Was gilt in der Kreuzfahrt als profitable Auslastung?
Internationale Schiffe sind deutlich über 100 Prozent belegt.
Wie muss man denn das verstehen?
Häufig wird auch das dritte oder vierte Bett in der Kabine belegt. Denn letztlich bringt die Auslastung den Gewinn, nicht der Reisepreis. Sogar umsonst mitreisende Kinder geben ja Geld an Bord aus.
Interview: Wolfgang Röhl