Der Marmor schimmert wie Glatteis in der Wintersonne. Seine Farben changieren zwischen Puderzuckerweiß, Champagnergelb, Himbeerrot und Schokobraun. Der schlanke, große Mann schreitet darüber, würdevoll und geschmeidig, wie ein arabischer Prinz. Auch wenn Hani El Meadawy kein Prinz ist und auch nicht so aussieht. In seiner purpurnen Schürze könnte man ihn für einen Liftboy halten, der sich verlaufen hat.
Ein Shopping-Butler für Nobel-Läden
Vorbei an den Läden von Zegna, Escada, Asprey, vorbei an funkelnden Juweliershops. Über alldem wölbt sich ein Glasdach, so hoch wie eine Kathedrale. Gleißendes Licht. Noch ein paar Schritte, da taucht die violettschwarze Front der Filiale von De Beers auf - Hanis Ziel. Der junge Ägypter ist Shopping Butler. Einer von 18 des Kempinski-Hotels, das in die größte Shopping-Mall außerhalb Nordamerikas integriert wurde. Die Mall of the Emirates beherbergt auf 600.000 Quadratmetern, der Fläche von 73 Fußballfeldern, über 450 Läden, ein Theater, eine Skihalle mit 400 Pisten- und 85 Höhenmetern. So absurd, so beeindruckend.
Wenn Hani sich zwischen Luxusboutiquen, Restaurants, Iglus und Eishöhlen bewegt, ist er auf vertraulicher Mission. Etwa im Auftrag einer saudischen Prinzessin, die nach exquisiter Mode verlangt, wobei ihm nur "Konfektionsgröße und Farbe als Vorgabe mitgeteilt werden"; oder er besorgt Dessous für eine US-Millionärin oder Gänsestopfleber für einen Prominenten. Manchmal bringt er die Ware in die Suite des Gastes, zu einer privaten Präsentation. Hani: "Dafür müssen Licht und Musik perfekt arrangiert werden."
Neben Mode und Kosmetik werden Immobilien verkauft
Willkommen im größten steuerfreien Luxusbasar der Welt, wo in 48 Shopping- Malls alles ineinanderfließt zu einer Eruption internationaler Labels. Cartier. Montblanc. Versace. Gucci. Prada. Dior. D & G. H & M. Hermès. Saks on Fifth Avenue. Dazwischen flanieren Menschen in langen Gewändern, die Männer in weißen Dischdaschas, die Frauen in schwarzen Abajas. Sie tragen große Sonnenbrillen, das diamantbesetzte Handy am Ohr. Neben Mode und Kosmetik werden Immobilien verkauft. Und die ganze Welt zückt die Kreditkarte: Kuwaiter und Libanesen, Chinesen und Russen, Amerikaner und Inder. Nicht mal der Muezzin bringt den globalisierten Kaufrausch zum Erliegen, wenn seine Stimme aus dem Lautsprecher dringt. 6,3 Millionen Besucher kamen 2006 nach Dubai. Vor 50 Jahren lebten hier 6000 Beduinen, Händler und Perlenfischer, heute sind es 1,4 Millionen Menschen, 80 Prozent davon Ausländer. Die Stadt wächst wie im Zeitraffer. 300 Hochhäuser sind im Bau, 230 weitere geplant. Vor der Küste entstehen künstliche Archipele, demnächst ist Grundsteinlegung für einen Vergnügungspark, dreimal so groß wie Manhattan, mit Repliken des Eiffelturms und des Tadsch Mahal, dazu ein Unterwasserhotel und ein Geschäftszentrum, geformt wie ein Mann in arabischer Tracht.
"Es ist eine Mischung aus Disney und Scheherazade", sagt Michael Schindhelm. Der frühere Direktor der Berliner Opernstiftung soll in Dubai eine Oper von Weltruf aufbauen. Damit inmitten der künstlichen Welten die Kultur nicht zu kurz kommt. Im Übermorgenland gibt es von allem nur das Größte, Beste, Schnellste. Weil es Scheich Mohammed Al Maktoum so will. Und was der Scheich will, bekommt der Scheich. So war das immer in Dubai. Olga Uskova wartet schon. Was die Kundin gekauft hat, wird man von ihr nicht erfahren. Auch nicht, warum das brillante Stück von Hani abgeholt wird. Die Managerin der De-Beers-Filiale, eine große Kasachin mit vollen Lippen, steht "für solcherlei Informationen nicht zur Verfügung". Nur so viel: "Die Araber gehören nicht zu unseren besten Kunden, sie sind mit dem Namen De Beers noch nicht vertraut." Gerade deswegen ist De Beers in Dubai präsent. A Diamond is Forever.
Doch ein Diamant sollte da sein, wo er Käufer findet. Dubai hat mit 37 Milliarden Dollar eines der höchsten Bruttoinlandsprodukte. Große Konzerne haben längst ihre Nahost-Zentralen nach Dubai verlegt. Bis 2010 will die Regierung 15 Millionen Besucher anlocken. Wenn der neue Flughafen fertig ist, werden dort 120 Millionen Menschen im Jahr landen können.
In einer halben Stunde den Louis-Vuitton-Laden leerkaufen
"An Dubai", sagt Michael Henssler, "kommt keiner vorbei." Henssler ist General Manager des Kempinski-Hotels, und auf die Frage, weshalb ein renommiertes Haus wie seines sich als postmoderne Betonburg in eine Konsumoase in der Wüste einfügt, kann er jetzt nicht eingehen. Der Ex-Boxweltmeister Chris Eubank kommt herein, beladen mit Einkaufstüten. Henssler begrüßt ihn. "Unsere Gäste gehen nicht an den Strand", sagt er, "sie verhalten sich nicht wie gewöhnliche Touristen." Ihre Gäste kaufen in einer halben Stunde den Louis-Vuitton-Laden leer, inklusive Lager. Und anschließend zieht man sich zurück in die Suite mit Skipistenblick.
Laut Graham Dreverman, CEO von MAF Shopping Malls, dem Eigentümer der Mall of the Emirates, haben 2006 vier Millionen Menschen die Luxus-Mall besucht. Jeder fünfte fuhr Ski, zudem sind eine Kletterwand, Kinos, Bowlingbahnen, Karussells und Autoscooter im Angebot. "Wir praktizieren das Shopping der Zukunft", so Dreverman. "Ich habe hier noch keinen getroffen, der wieder rauswollte." Retailtainment nennt sich das. Kaufunterhaltung. Sie hat die Mall of the Emirates zu einer der profitabelsten der Welt gemacht.
Wartelisten für noble Verkaufsflächen
Shoppen ist in Dubai nicht Zeitvertreib oder Notwendigkeit, es ist Erlebnisreise. Man kann sie beginnen in der Ibn Battuta Mall, die Pekings Verbotene Stadt, das Tadsch Mahal, andalusische Patios und persische Tempel imitiert. Man kann sie fortsetzen in der Mercato Mall, die italienisches Renaissance-Flair verbreiten will, oder der Wafi Mall mit Pyramiden und Pharaonenskulpturen. Der Suk in der Altstadt setzt jährlich 500 Tonnen Gold um. Dubai Duty Free verzeichnet den weltweit dritthöchsten Umsatz. Und Eisa Adam Ibrahim, Manager der Burjuman Mall, sagt: "Wir haben Wartelisten für unsere Verkaufsfläche, so groß ist der Andrang der Nobelmarken."
Während des Shopping Festivals im Januar und den Dubai Summer Surprises von Juni bis August bieten die Shops Rabatte bis zu 70 Prozent. "Es geht darum, aus Besuchern Shopper zu machen", erklärt Saeed Al Nabouda, Chef des DSS. Die Festivals sind den Dubais fast so heilig wie der Nationalfeiertag und der Fastenmonat Ramadan. Grün ist die Farbe des Islam. Grün ist die Farbe des Geldes. Nabouda: "Wir schauen auf unser Land wie eine Firma, Shopping bringt Profit."
Nach Dubai zum Geldausgeben
Für Michael Janusch ist das nur konsequent gedacht. Der Geschäftsführer von EWTC in Köln sagt: "Sie sind kein Ägypten, sie haben kein Weltkulturerbe." EWTC ist ein Reiseveranstalter, der jährlich 15.000 Touristen nach Dubai lockt. "Was machst du in anderen Ländern?", fragt Janusch. "Du gehst um fünf Cocktails trinken und dann zur Halbpension, in der das Büfett überlaufen ist." In Dubai hat fast jedes Hotel Fünf-Sterne-Standard, man kann baden gehen - und shoppen. Auch wenn Vanessa Andel, die für EWTC Shoppingtouren organisiert, einräumt: "Das meiste ist nicht billiger als anderswo." Man solle jedenfalls nicht kommen, um Geld zu sparen. "Man kommt nach Dubai, um es auszugeben."
Die letzte Stunde vor dem Abflug. Man schlendert durch Dubai Duty Free. Unter einer goldenen Palme liegt Goldschmuck. 13 Kilo verkaufen sie täglich. Daneben gibt es Lose. Für rund 200 Euro kann man eine Million Dollar gewinnen. Chance 1 : 5000. Ein Los für einen Porsche 911 gibt es für 100 Euro. Chance 1 : 1000. Für den neuen Flughafen plane man 32.000 Quadratmeter Duty-Free-Bereich. "Wir sehen keinen Grund, weshalb das nicht funktionieren sollte", sagt Colm McLoughlin, Managing Director von Dubai Duty Free. "Es ist alles eine Frage der Vision."