In Warschau geht es dieser Tage noch etwas lauter zu als sonst. Eilig werden neue Hochhäuser hochgezogen, Kräne stehen selbst nachts nicht still, während unter der Stadt eifrig an der neuen, zweiten U-Bahnlinie gewerkelt wird. Warschau putzt sich aber nicht nur für die Fußball-Europameisterschaft raus. Vielmehr ist das Fußballfest nur ein weiterer Schritt auf dem beeindruckenden Weg der Hauptstadt Richtung Europa.
Die 1,7 Millionen Einwohner zählende Stadt an der Weichsel ist das Zentrum des osteuropäischen Wirtschaftsbooms. Im Zweiten Weltkrieg zu 90 Prozent zerstört, ist Warschau wie ein Phönix aus der Asche auferstanden und steht heute sinnbildlich für den Selbstbehauptungswillen der Polen, die ihr Existenzrecht der Geschichte oftmals abtrotzen mussten.
Durch die wiederaufgebaute Altstadt
Wahrzeichen und Mittelpunkt von Warschau ist der pompöse, 230 Meter hohe Kulturpalast, den einst Josef Stalin den Polen zum Geschenk machte. Ein Besuch der Aussichtsplattform auf dem höchsten Gebäude der Stadt ist ein absolutes Muss. Rund um den Kulturpalast befindet sich Warschaus Shopping-Meile, darunter das sehenswerte Kaufhaus "Złote Terase". Richtung Osten, zwischen dem Kulturpalast und dem Weichselufer, erstreckt sich die historische Altstadt, die in den 50er Jahren wieder neu aufgebaut wurde und den Ruf der Polen begründet, sie seien die weltbesten Restauratoren.
Termine der Gruppe A in Warschau
8. Juni, 18 Uhr: Polen-Griechenland
12. Juni, 20.45 Uhr: Polen-Russland
16. Juni, 20.45 Uhr: Griechenland-Russland
Zu dem Unesco-Weltkulturerbe gehören unter anderem das alte Königsschloss, der davor gelegene Schlossplatz mit seinen mittelalterlichen Bauten, sowie die Heiligkreuzkirche, in der das Herz des Komponisten und polnischen Nationalhelden Frédéric Chopin aufbewahrt wird. Zu den vielen weiteren Touristenattraktionen zählen der Willy-Brandt-Platz im Zentrum des ehemaligen Jüdischen Ghettos, wo der deutsche Kanzler 1970 stellvertretend für seine Landsleute niederkniete. Hier entsteht derzeit das Jüdische Museum, das seine Pforten im kommenden Jahr öffnen wird. Wer jetzt schon mehr über die deutsche Besatzung in Warschau erfahren möchte, dem sei das neue Museum des Warschauer Aufstandes ans Herz gelegt.
Sechs Stunden östlich von Berlin
Ein Warschau-Besuch beginnt meist im Zentrum, wo der frisch sanierte Hauptbahnhof Bahnreisende ebenso in Empfang nimmt wie Fluggäste, die vom Chopin-Flughafen mit der Buslinie 175 anreisen. Zwar fliegen die großen Fluggesellschaften wie Lufthansa und LOT Warschau an, billige Direktflüge von Deutschland sind aber eine Seltenheit. Günstiger und bequemer reist es sich mit der Bahn. Von Berlin aus fährt man bereits ab 49 Euro hin und zurück, Sitzplatzreservierung inklusive. Mit dem Auto braucht man von Frankfurt/Oder aus sechs Stunden, die Straßen sind überwiegend neu und gut beschildert. Doch Vorsicht: Auf der neuen Autobahn zwischen Deutschland und Posen sind nur wenige Tankstellen fertiggestellt; es ist ratsam, gleich hinter der Grenze aufzutanken.
Anreise
Flug: Direktflüge von Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München bieten LOT und Lufthansa; LOT bietet außerdem Direktflüge von Berlin aus an.
Bus/Bahn:
Mehrmals täglich fährt der reservierungspflichtige Berlin-Warschau-Express über Frankfurt/Oder und Posen; von Warschau aus fahren Züge in alle Richtungen.
Auto:
Von Norddeutschland nach Frankfurt/Oder, dann Autobahn A2 bis Łodz, weiter auf E30 bis Warschau; von Süddeutschland aus über Dresden auf Autobahn A1 bis Breslau, dann E65 bis Warschau.
Die Hotelstandards in Warschau sind ebenso wie die Preise auf westlichem Niveau. Fußballfans müssen sich auf saftige Zuschläge gefasst machen und sollten so früh wie möglich buchen. Im einfachen, aber ordentlichen Hotel Best Western Felix beim Stadion gibt es noch Doppelzimmer für die Europameisterschaft ab 120 Euro. Wer etwas mehr ausgeben kann und lieber in der City schläft, bucht das Stadthotel MDM. Sparfüchse greifen auf das beliebte Oki-Doki-Hostel zurück. Die freundliche Herberge nahe der Altstadt bietet Doppelzimmer ab 75 Euro pro Nacht, ein Bett im Schlafraum gibt es während der EM für etwa 25 Euro pro Nase. Eine spannende Alternative bildet das breite Angebot an Ferienwohnungen, die sich vor allem für kleine Gruppen und Familien lohnen.
Rund um den Fußball
Der größte Teil der Touristenattraktionen befindet sich ebenso wie das Fußballstadion in Laufnähe. Warschau bietet auch ein engmaschiges und verständliches öffentliches Verkehrsnetz. Taxifahren ist recht günstig, solange man sich an zwei Faustregeln hält: Erstens sind Taxifirmen mit neuen Oberklassewagen deutlich teurer. Zweitens handeln Sie den Preis unbedingt vor Fahrtbeginn aus. Die Taxifahrer sprechen zwar wie die meisten Polen jenseits der 30 kaum Englisch, aber solchen Schwierigkeiten begegnet man in Warschau ziemlich gelassen. Irgendwie verständigt man sich immer. Ein Preisbeispiel: Für die dreieinhalb Kilometer lange Fahrt vom Hauptbahnhof zum Stadion sollte man nicht mehr als 20 Zloty (circa 4,80 Euro) zahlen.
Weitere Infos zu Warschau und EM
Der EM-Führer für Warschau: www.polishguide2012.pl
Warschauer Tourismusamt: www.warsawtour.pl/de Nahverkehr: www.ztm.waw.pl
Das Zentrum der EM-Party bildet der Defilierplatz am Fuße des Kulturpalastes. Auf dem weitläufigen Gelände befindet sich die Fan-Zone, wo neben den Live-Übertragungen auch Spielzusammenfassungen und Konzerte gegeben werden. Zu Fuß sind es von der Fan-Zone bis zum Stadion etwa 20 Minuten. Das brandneue, in den polnischen Nationalfarben gehaltene, Nationalstadion fasst bis zu 70.000 Besucher und liegt direkt am Weichselufer gegenüber dem Altstadt-Panorama.
Südlich des Stadions liegt das Diplomatenviertel Saska Kepa mit seinen gediegenen Cafés. Wer nach dem Stadionbesuch noch ein wenig feiern will, orientiert sich nach Norden in das hippe Viertel Praga, das an den Prenzlauer Berg der frühen 90er Jahre erinnert. In durchgestylten Bars wie "W Oparach Absurdu" (samt Biergarten!) in der Straße Zabkowska Nummer 6 oder im "Łysy Pingwin" gleich nebenan lässt sich der Abend gut ausklingen. Zu den echten Geheimtipps unter den Bars gehört das in der Innenstadt gelegene "Pardon to tu", das neben Getränken und guter Musik auch leckere Snacks bietet.
Wo auch Poldi ausgeht
Wem der Sinn nach echter polnischer Küche steht, besucht das Restaurant "Folk Gospoda", wo auch schon Lukas Podolski zu Gast war. Zu den absoluten Highlights gehören die leckere Sauerteigsuppe Zurek, die im Brot serviert wird, und die geröstete Ente. Das Nationalgericht Piroggen, die mit Hackfleisch, Quark oder Speck gefüllten Teigtaschen, isst man am besten in einer der vielen Piroggenbars. Welche hiervon die Beste ist, ist heißumstritten. Empfehlen lässt sich aber die "Pierogarnia" in der Straße Bednarska 28. Neben Kebab und asiatischen Gerichten findet sich auch unter den Imbissbuden traditionelle polnische Küche. Das deftige Bigos, eine Art Sauerkrautpfanne mit Krakauer Wurst, bildet die perfekte Grundlage für einen feucht-fröhlichen Abend. Vegetarier halten am besten nach Filialen der Restaurantkette "Greenway" Ausschau.
Nachtschwärmer haben in Warschau eine reiche Auswahl: Zu den angesagten Clubs gehören unter anderem das "1500m²" und der "Pavillon der Neuen Welt" . Pophits und Tanzmusik aus den letzten vier Jahrzehnten spielt der "Club 70". Wer des Englischen mächtig ist, informiert sich am besten auf der Plattform "Warsaw Life" über die aktuellen Programme der Clubs und Diskotheken. Warschaus Nachtleben kann sich längst mit dem anderer europäischer Metropolen vergleichen und die Anzahl der Clubs wächst weiter. Wie gesagt: In Polens Hauptstadt geht es derzeit etwas lauter zu. Na zdrowie - Prost!