Vergessen wir Bill Bryson. Der wohl amüsanteste Reiseschriftsteller der Welt hat in seinem Buch "Frühstück mit Kängurus" behauptet, in Sydney einen der großartigsten Plätze der Erde gefunden zu haben: "Die Welt hat nicht viele feinere Plätze zu bieten als den Circular Quay in Sydney bei Sommerwetter." Das mag stimmen, doch es ist trotzdem keine gute Idee, nach der Ankunft in Sydney sofort zur Harbour Bridge zu hasten und sich vor dem Circular Quai die Oper anzusehen. Das wäre ungefähr das Gleiche, als wenn man in New York die Freiheitsstatue oder in London den Buckingham Palace besuchen würde. Nett zwar, aber so, als ob man in einem Fotobuch mit alten Erinnerungen blättert. Selbst, wenn man noch nie in Sydney gewesen sein sollte.
Auch der Blick von der Harbour Bridge hinunter auf The Rocks, das historische Altbauviertel, in dem schicke Pubs und Restaurants täglich Heerscharen von Touristen anziehen, wirkt wie eine Kulisse auf einem Filmset. Es gibt "Tipps", die in jedem Sydney-Führer empfohlen werden: Eine Bootsfahrt im Abendlicht nach Manly oder der Spaziergang frühmorgens auf dem Coastal Walk vom Tamarama zum Bondi Beach. Alles sind wunderbare Möglichkeiten, sich in Sydney die Zeit zu vertreiben. Aber nicht unbedingt das perfekte Programm, um sich ein eigenes Bild von Sydney zu machen, um ein paar private Eindrücke von einer Stadt zu gewinnen, deren vermeintlich schönste Orte schon fast zu Tode fotografiert worden sind. Einer Stadt, die mit über 70 Stränden, einer Menge faszinierender Viertel und seinen erstaunlich entspannten Einwohnern über viel mehr interessante Aspekte verfügt, als man auf den ersten Blick erkennen würde.
Coogee statt Bondi Beach
Stattdessen sollte man sich nach der Ankunft am Kingsford Smith Airport nach Coogee kutschieren lassen. Das ist nur eine kurze Fahrt, denn Coogee liegt etwa acht Kilometer südöstlich vom Stadtzentrum, nur zwei Strände vom legendären Bondi Beach entfernt. Auf dem Weg dorthin sollte man einen kurzen Halt am Waverly Cemetery einplanen - einen poetisch-schöneren Friedhof mit einem grandiosen Blick über die Buchten der Eastern Beaches dürfte man selten zu sehen bekommen. Im Gegensatz zum meist überfüllten Bondi Beach findet man in Coogee am Strand immer einen freien Abschnitt.
Auf der Coogee Bay Road reihen sich Cafés und Restaurants wie bunte Glieder einer exotischen Perlenkette aneinander. Ein perfekter Ort, um die lässige Lebensfreude Sydneys auf sich einwirken zu lassen - und im "A fish called Coogee“, dem besten Fastfish-Restaurant der Stadt, ein paar Köstlichkeiten zu probieren. Luftlinie 500 Meter entfernt dürfte ein guter Platz sein, um sich die Müdigkeit nach einem langen Flug aus den Knochen zu schwimmen: Das Wylies Bath ist mit Abstand der schönste Ocean Pool in Sydney - steinalt, mit Holzstelzen veredelt, von schrulligen Aussies betrieben. Ein paar Bahnen im Meerwasser mit Blick auf die felsige Landschaft sind der perfekte Abschluss eines strapaziösen Reisetages - abgesehen vom komfortablen Bett im Dive, dem nettesten Boutique-Hotel in Coogee mit Blick aufs Wasser.
Frühstücken mit Stil
Am nächsten Morgen sollte der erste Weg an den Strand von Maroubra führen, falls man nach einer Stelle zum Surfen Ausschau hält. Die Wellen hier sind gigantisch - es ist kein Zufall, dass der Aborigine-Name "Maroubra" mit "wie Donner" übersetzt wird. An diesem herrlich lang geschwungenen Strand wird man es nicht erleben, dass im Wasser ein regelrechter Surfer-Stau herrscht - wie etwa in Bondi vor dem legendären Icebergs.
Fans eines gemäßigten Starts in den Tag ist hingegen ein Besuch der Crown Street in Surry Hills zu empfehlen - mit dem Bus nur 20 Minuten von Coogee Beach entfernt. Im Kawa Café oder im Four Eight Five wird Bio-Frühstück serviert, wie es dem körperbewussten Sydneysider wichtig ist. Überhaupt: Wer von einem Ende der Crown Street (ab der Einmündung Oxford Street wird's interessant) bis hinunter zur Cleveland Street schlendert, wird sich fühlen wie im Gourmet-Paradies: Mit dem Toko, Billy Kwong und dem Red Lantern befinden sich gleich drei der besten Restaurants Sydneys auf engstem Raum, zwei Querstraßen weiter wartet mit dem Longgrain auf der Commonwealth Street die absolute Nummer eins auf stilbewusste Gäste. Auch als Shopping-Meile ist die Crown Street überraschender als die Oxford Street.
Kontrastprogramm am Nachmittag
Mit dem Sydney Bus (unbedingt die blaue Bondi Explorer-Linie, nicht die rote Sydney Explorer, weil das nur die Innenstadt-Tour ist) einmal quer durch die Stadt fahren und nach dem Hop-in-Hop-off-Prinzip an den interessantesten Stellen aussteigen. Zu empfehlen: Brote Beach (ein Latte in Jenny´s Café), Rushcutters Bay (ein kleiner Ausflug mit einem gemieteten Segelboot) oder Vaucluse Bay (auf zum Nielsen Park und dem Hermitage Foreshore Track). Zum festlichen Abschluss dann noch der Sonnenuntergang in Watsons Bay (ganz in der Nähe des Nielsen Parks) mit einem Cocktail im Doyles - danach möchte man in der Regel ganz schnell wieder nach Sydney zurück, und zwar mit sehr viel mehr Zeit im Gepäck.