Fürs Erste scheint die Gefahr von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Volksallianz für Demokratie (PAD) und Unterstützern der Regierung ebenso gebannt zu sein wie die Zwangsauflösung der Proteste durch Polizei und Militär. Die Armee Thailands hat es abgelehnt, den von Ministerpräsident Samak Sundaravej verhängten Ausnahmezustand durchsetzen.
Kok How wandert fasziniert durch die von Demonstranten rings um das Government House in Bangkoks Regierungsviertel errichteten Zeltstadt, in der eine Stimmung wie im Pfadfinderlager oder auf dem Volksfest herrscht. Wäsche hängt zum Trocknen auf der Leine, daneben verkünden handgeschriebene Pappschilder politische Parolen wie "Die Polizei schützt eine korrupte Regierung, statt die Demonstranten gegen die korrupte Regierung". Der 32-jährige Kok How ist zu einem Kurzurlaub aus seiner Heimatstadt Singapur nach Bangkok gekommen. "Bei uns sind Straßenproteste gegen die Regierung unmöglich. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Demonstration gesehen."
Klappern gehört eben zum Revolutionshandwerk
Thailand wäre nicht Thailand, wenn Bangkoks Händler nicht die Demonstration als Markt entdeckt hätte. Das Angebot an den improvisierten Marktständen reicht von T-Shirts mit Politparolen über Sonnenbrillen, Campingausrüstungen für Dauerdemonstranten bis zu politisch neutralen Ledersandalen für die Rucksacktouristen aus der nahen Khao-San-Straße. Das unverzichtbare Accessoire für die PAD-Opposition ist das bunte Klatschelement: drei Plastikhände am Stil, mit dem die Dauerdemonstranten jedes "Die Regierung muss weg" der unzähligen Redner auf der großen Bühne lautstark bejubeln.
Zu befürchten haben Touristen bei einer Stippvisite im PAD-Land nichts, das praktischerweise auf dem Weg zu den traditionellen Sehenswürdigkeiten wie Königspalast und den prächtigen Tempeln am Chao Phraya Fluss liegt. Die Protestler empfangen Besucher äußerst freundlich.
Die kleine Polizeieinheit vor dem mit Gittern abgesperrten Zugang zum Protestgebiet vertreibt sich die Zeit mit einem Brettspiel. Als zwei dänische Touristen auf dem Weg zum Demo-Sightseeing vorbeischlendern, lachen die Polizisten, winken und laden die beiden ein, mitzuspielen. Sie lehnen dankbar ab. "Wir sind schon ein wenig nervös", gesteht Sören. "Aber das muss man einfach gesehen haben." Im Rest von Bangkok ist von der Krise nichts zu merken.
Der Ministerpräsident als Fernsehkoch
Die PAD will solange den Regierungssitz besetzt halten, bis Ministerpräsident Samak zurücktritt. Der erst im vergangenen Dezember gewählte Samad ist nach Ansicht der PAD eine Marionette des vor zwei Jahren durch einen Militärputsch gestürzten und inzwischen samt Gattin nach London geflohenen Ex-Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Zudem wollen sie eine "Neue Politik". Die besteht darin, dass in Zukunft nur 30 Prozent der Parlamentsabgeordneten gewählt und 70 Prozent ernannt werden sollen.
Die Hotels von Bangkok bis Phuket leiden unter der Krise, die zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt für den Thailandtourismus hätte kommen können. Der September ist der wichtigste Buchungsmonat für die bevorstehende Hauptsaison im Winter. Statt Reservierungen hagelt es Stornierungen. Ministerpräsident Samak hat jetzt zur Erleichterung von Tourismus und Wirtschaft angedeutet, den Ausnahmezustand in Bangkok bald wieder aufheben zu wollen. Doch am Dienstag wurde er vom Verfassungsgericht wegen eines Verstoßes gegen die Verfassung verurteilt. Er muss seine Amtsgeschäfte innerhalb von 30 Tagen niederlegen. Sein Vergehen: Er hat während seiner Amtszeit weiterhin als Moderator seiner TV-Kochsendung gearbeitet.