Gästebücher sind riskant. Hotels, die welche auslegen, müssen ihrer eigenen Leistung ziemlich sicher sein. Andernfalls hätten sie die Rache frustrierter Gäste zu fürchten, die vor der Abreise noch mal verbal vomieren möchten: "Das Abendessen, ein fieser Fraß! Und dann dieser arrogante Juan an der Rezeption ..."
Unsere letztbesuchte Ferienfabrik war rundum in Ordnung. Freundlich, hell, pieksauber. Keine Chance für Querulanten, die mit durchgeladener Digitalkamera versprengten Kakerlaken nachhängen. Entsprechend las sich das Gästebuch. Lob & Hudel in drei Sprachen. Aber ein Lamento war da doch. Vor Zimmer 121 wurde mehrfach gewarnt. Was hatte es damit auf sich? War es so etwas wie Zimmer 101, die Gruselkammer des furchtbaren O'Brian in George Orwells Roman "1984"? Wir wurden neugierig.
Was ist falsch an Zimmer 121
Das Zimmer lag im ersten Stock. Schon mal schlecht, diese Ebene. Darunter befinden sich meist die Bars, Speisesäle und Gesellschaftsräume, wo es bis in die Puppen hoch her gehen kann. Unter der 121 malochte ausgerechnet die Küchenbrigade, Garant für Schreien/Scheppern/Klappern von früh bis spät. Strenge Küchendünste waberten von hier ins Freie, gut zu erschnuppern auf dem Balkon von Nummer 121.
Deren Bewohner hatten noch mehr Ungemach. Das Zimmer ging zum sogenannten Aktivpool hin (Euphemismus für jenes Badebecken, in dem spatzenhirnrissige Animateure lautstarke, kindische Wasserspiele mit ebenso infantilen Gästen veranstalteten). Und dann, horribile dictu, lag die 121 auch noch neben einem Aufzugsschacht. Tatsache ist, jedes Hotel der Welt verteilt ein paar Arschkarten. Die Problemzimmer liegen manchmal über der Garageneinfahrt, deren Tor immerfort ächzend und quietschend auf- und niederfährt, dass die Gläser in der Minibar klirren. Andere haben einen bärig brummenden Ventilationsschacht in Fensternähe - unmöglich, da bei frischer Luft zu schlafen. Es gibt beim Bau eines Hotels, versteht sich, gewisse Konstruktionszwänge. Nur dürften die Hoteliers in solchen Löchern fairerweise allenfalls ihre Zimmermädchen unterbringen. Aber warum fair sein, wenn die Opfer nicht mal protestieren?
Zum Glück der Vermieter gibt es ja genügend Gäste, die sich klaglos misshandeln lassen. Viele Leute haben es einfach nicht gelernt, sich richtig zu beschweren. Wer daheim in Mietskasernen wohnt, kommt mit südländischen Lärmpegeln wohl auch ganz gut zurecht. Und angelsächsische Urlauber sind nächtens betrunken genug, um neben einer laufenden Motorsäge selig zu ratzen. Was können sensiblere Gemüter tun, damit der Urlaub nicht zur Nervenprobe wird? Regel Nummer eins: Stellen Sie beim Einchecken an der Rezeption freundlich, aber festen Blickes klar, dass Sie ein starkes Ruhebedürfnis haben. Fragen Sie nach einem Raum, der nicht zu einer viel befahrenen Straße geht, wo einheimische Kids frisierte Zweitaktmofas austesten. Wer Musicals, Comedy, Modenschauen oder Karaoke verabscheut, besteht auf einer Unterbringung fern vom Bereich, wo der abendliche Halligalli tobt. Wenn schon Poolseite, dann hin zum Ruhepool. Und immer möglichst in den obersten Stock ziehen! Dann kann Ihnen niemand auf den Trommelfellen herumtrampeln. Hotels in südlichen Breiten sind unfassbar hellhörig.
Diese Nachbarn hat man gar nicht gern
Das Recht auf einen sehr persönlichen Zimmerwunsch hat der Pauschaltouri ebenso wie der individuell Angereiste. Natürlich versucht es die Rezeption zunächst mit herbergsvaterstrenger Schlüsselzuteilung; so, als sei dem Ankömmling sein Zimmer schicksalhaft vorbestimmt. Dabei sind die großen Ferienhotels selten voll belegt. Bleiben Sie hartnäckig - auch, wenn wirklich gerade kein besser gelegenes Zimmer frei ist. Fragen Sie, wann eines vakant wird und Sie dahin umziehen können. Machen Sie körpersprachlich klar, dass Sie leicht zum Problemgast mutieren könnten. Wetten, dass man versuchen wird, sich Querelen mit Ihnen zu ersparen?
Regel zwei: auf dem Zimmer nicht gleich die Koffer auspacken. Erst mal prüfen, ob alles funktioniert (Klimaanlage, TV, Dusche, Kühlschrank). Kein brummendes Aggregat in der Nähe (in den USA: Zimmer neben den Flur-Eismaschinen meiden)? Schließt die Balkontür wirklich ab (Einfallschneise für Einbrecher)? Reklamieren Sie Defekte sofort per Telefon. Kommt innerhalb einer halben Stunde niemand vorbei: anderes Zimmer verlangen. Vor allem aber: Finden Sie heraus, wer neben Ihnen wohnt. Ein älteres Schweizer Ehepaar auf dem Nachbarbalkon: Glückwunsch. Teilen sich aber drei junge Russen (beziehungsweise, in dieser Ex-negativo-Reihenfolge, Briten, Italiener, Amerikaner, Australier) ein Zimmer in Ihrer Nähe, so tragen Sie unverzüglich Ihre Bagage zurück zur Rezeption und fangen bei Regel eins von vorne an. Angenehmen Aufenthalt!