Mit ungewöhnlich warmem Wetter ist der April dabei, einen neuen Rekord aufzustellen. "Der April 2009 war wahrscheinlich der wärmste seit 1890", lautet das Fazit von Wolfgang Kusch, dem Präsidenten des Deutschen Wetterdienstes am Dienstag. "Wenn die kommenden zwei Tage ausfallen wie erwartet, haben wir einen neuen Rekordmonat."
Anstelle von Freude zeigte Kusch aber seine Besorgnis über das ungewöhnlich schöne Wetter, denn er sieht darin einen Beleg für den immer rascheren Klimawandel. "Der Klimazug rollt nicht nur, er fährt auch immer schneller." Denn auch das Jahr 2008 zählt zu den wärmsten seit 1901.
Kusch zeigte sich tief beunruhigt: Ob die globale Erwärmung tatsächlich wie geplant auf zwei Grad zu begrenzen sei, "ist sehr fraglich", so der Wetterexperte. Dies gilt unter Wissenschaftlern als die Erwärmung, die für die Erde gerade noch erträglich ist. Trotz ehrgeiziger Ziele in Deutschland reichten die internationalen Bemühungen zur Verringerung der Klimagase nicht. Falls nicht schnell gehandelt werde, "wird die Wahrscheinlichkeit immer geringer, dass das Zwei-Grad-Ziel eingehalten wird". Die Verhandlungen über ein neues weltweites Klimaabkommen in Kopenhagen im Dezember stünden damit unter Erfolgsdruck.
Ein weiteres Zeichen für den immer schnelleren Klimawandel ist aus Kuschs Sicht das Ansteigen des Meeresspiegels. Stieg er zwischen 1961 und 2003 um durchschnittlich 1,8 Millimeter pro Jahr, so waren es von 1993 bis 2003 schon 3,3 Millimeter pro Jahr. Dieser Trend setze sich fort. "Das ist das Zehnfache des mittleren Werts der vergangenen 6.000 Jahre."
Bis zum Jahr 2100 werde die Meeresoberfläche wahrscheinlich nicht nur um 60 Zentimeter höher liegen, wie international angenommen, sondern deutlich darüber. Einzelne Studien erwarteten 1,5 Meter Anstieg, sagte Kusch.
Das Jahr 2008 lag nach Daten des Wetterdiensts auf Rang neun der zehn wärmsten Jahre seit 1901. Die Durchschnittstemperatur in Deutschland erreichte 9,5 Grad. Der Durchschnitt der letzten 120 Jahre betrug aber nur 8,2 Grad. Auch der subjektiv oft als "kühl" empfundene Sommer 2008 lag mit 17,4 Grad um 1,1 Grad über dem langjährigen Mittel. Europaweit war das vergangene Jahr das zweitwärmste seit Beginn des 20. Jahrhunderts, weltweit lag es ebenfalls in den Top Ten.
Das Jahr 2008 habe "den Erwärmungstrend der vergangenen Jahrzehnte klar bestätigt", resümierte Klimaexperte Gerhard Müller-Westermeier. Hatte der Wetterdienst noch 2007 von einer Zunahme der Durchschnittstemperatur um 0,9 Grad seit 1901 gesprochen, so liegt der Wert nun schon bei 1,0 Grad. Die Zahl der "Sommertage" (25 Grad oder mehr) und der "Heißen Tage" (30 Grad oder mehr) habe sich an einzelnen Messstationen seit 1950 mehr als verdoppelt, sagte Westermeier.
Der Deutsche Wetterdienst will die Auswirkungen des Klimawandels in Zukunft möglichst lokal erfassen und Anpassungsmaßnahmen vorschlagen. Für Frankfurt am Main ist dazu bereits ein Pilotprojekt gelaufen, wie Wetterdienst-Vorstand Paul Becker sagte. Resultat: Die Zahl von Tagen über 25 Grad wird von derzeit 46 pro Jahr bis 2050 um bis zu 26 steigen. "In diesen Ergebnissen steckt Sprengkraft, sie werden Konsequenzen für die Stadtplanung haben", sagte Becker. So müssten zum Beispiel mehr "grüne Inseln" eingeplant werden, um die Hitze einigermaßen zu regulieren; auch müssten sich die Stadtplaner Gedanken über zusätzliche Schattenspender wie Bäume oder Sonnensegel auf der Frankfurter Fußgängerzone Zeil machen. Auch Grünzüge und Alleen könnten helfen. Für andere deutsche Städte seien ähnliche Berechnungen und Empfehlungen in Vorbereitung, aber noch nicht fertig, sagte Becker.