Diffusor-Urteil in der Formel 1 Das wird böses Blut geben

Ein Kommentar von Elmar Brümmer, Shanghai
Also doch: Der Doppel-Diffusor in der Formel 1 ist legal. Das Urteil des Automobil-Weltverbands Fia ist vor allem ein Triumph für den Revoluzzer Ross Brawn und sein Team. Ruhe wird in der Formel 1 jetzt aber nicht einkehren. Im Gegenteil: Ein neuerlicher Riss geht durch die Rennstallgemeinschaft.

Manches bleibt in der runderneuerten Formel 1 dann doch, wie es war. Die Ergebnisse der ersten beiden Rennen wenigstens, was nicht unbedingt selbstverständlich ist in einer Disziplin, die in diesem Jahr unbedingt als Rahmenwettbewerb eine Protest-Weltmeisterschaft austragen will. Der Fan hat, ob er wollte oder nicht, das Wort Diffusor lernen müssen. Und weil das noch nicht reicht an Aerodynamik-Kenntnissen, auch den Begriff "Doppel-Diffusor".

Mit dem sind die Rennwagen von Brawn-Mercedes, Toyota und Williams ausgerüstet, und sie haben mit dieser Luftnummer am Rennwagenheck das Establishment von Ferrari, McLaren und BMW links und rechts überholt. Wie immer, wenn im Sport der Ingenieure einer ans Limit geht - das Urheberrecht für die extreme Regelauslegung gebührt in diesem Fall Ross Brawn, Berufsbezeichnung "Superhirn" - heulen die auf, die diesen Einfall nicht hatten oder für nicht regelgerecht hielten. Was ihr gutes Recht ist. Aber selten dazu führt, Recht zu bekommen.

Stillstand gleich Rückschritt

Die Berufungsrichter haben vor dem Beginn des Großen Preises von China das juristische Geplänkel beendet, vorerst jedenfalls. Sie haben den technischen Kommissaren damit ihr Vertrauen ausgesprochen, die die sechs Boliden vor Ort für regelkonform erklärt hatten. Weitere Diskussionen verbieten sich für alle, die nicht mehrere Semester Jura und Strömungswissenschaften zugleich studiert haben. Die sportliche Beurteilung des abgelehnten Protestes ist einfacher: Die drei Rennställe mit Doppel-D werden noch ein bis vier Rennen Kapital schlagen können aus ihrem Vorteil.

Natürlich haben alle anderen Teams im großen Copyshop namens Formel 1 bereits angefangen, an entsprechenden Nachbauten zu arbeiten. Aber die Überseerennen und das gleichzeitige Testverbot machen die Aufholjagd mühsamer - und teurer. Es ist nicht damit getan, einfach ein neues Endstück zu konstruieren und wie einen alten Auspuff auszuwechseln. Fundamentale Änderungen sind bei Ferrari nötig, BMW erwartet eine Lösung frühestens zum Europastart im Mai, die Optimisten-Branche Formel 1 frönt plötzlich dem Pessimismus: Ist die Saison jetzt schon gelaufen, wird der Titel nur im Dreikampf entschieden? Nach zwei von 17 Rennen scheint das zumindest etwas übertrieben. Und das Argument, dass die Nachentwicklung bis zu fünf Millionen Euro pro Team kosten kann, mag ja von der Summe her richtig sein - aber das Geld wäre sonst für andere Fortentwicklungen ausgegeben worden. In einem technischen Wettbewerb gehört es zum Grundprinzip, dass Stillstand Rückschritt wäre.

Keine Achse des Bösen

Frieden jedenfalls ist durch die juristische Auseinandersetzung nicht geschaffen, ein neuerlicher Riss droht durch die Rennstallgemeinschaft zu gehen, die sich in der Krise gerade erst zusammengerauft hatte. Würde man Vermarkter Bernie Ecclestone und FIA-Präsident Max Mosley unterstellen wollen, dass sie einen Keil in die Solidarität treiben wollten, dann haben das die Teams gerade selbst besorgt - und spielen den Gegnern am Verhandlungstisch damit in die Hände. Es wird böses Blut geben, keine Frage bei drei Siegern und sieben Verlierern im aktuellen Rechtsstreit. Nichts in der Formel 1 ist unpolitisch, und das schwammige Paragraphenwerk ist der ideale Nährboden für Konfrontationen am grünen Tisch. Ross Brawn hat einmal mehr Kompromisslosigkeit gezeigt beim Fahrzeugbau, und er hat die Grauzonen und Schlupflöcher, die ein neues Reglement nun mal mit sich bringt, zum eigenen Vorteil genutzt. Eine Achse des Bösen lässt sich darin nicht erkennen, und der britische Revoluzzer nimmt es als Kompliment, wenn ihn Flavio Briatore als "Bandit" beschimpft. Schließlich war er doch einfach nur einen Trick schneller.

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