Überwiegend Lob für die deutsche B-Elf nach dem 2:1 in England. Roland Zorn (FAZ) gerät ins Schwärmen über Joachim Löw und seine Mannen: "Die deutsche Nationalmannschaft ist nach dem berauschenden Gefühlserlebnis bei der WM im eigenen Land unter dem Nachfolger von Jürgen Klinsmann zusehends gereift. Sie hat den dritten WM-Platz als Startrampe begriffen, noch weiter voranzukommen - und genießt inzwischen weltweit wieder den Ruf, ein Ausbund an Solidität, Organisation und Willensstärke zu sein. Was unter Klinsmann begann, hat sich mit Löw an der Spitze eindrucksvoll fortgesetzt. Besser noch: Dieser Bundestrainer hat die Leidenschaft seines Teams mit den für dauerhaften Erfolg notwendigen Zugaben angereichert: Mit seiner neuen Reife gehört dieses Team, egal in welcher Formation, wieder zu den ersten Adressen in Europa. (…) Sie sind wieder wer - und das ohne Anzeichen von Überheblichkeit und Wichtigtuerei."
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Etwas vorsichtiger stimmt Wolfgang Hettfleisch (FR) ein: "Bei den deutschen Auswahlkickern wächst eine Generation heran, deren Rüstzeug sie zu Höherem befähigen könnte. Löw ist so frei, diese Entwicklung auch mit unorthodoxen Mitteln und Entscheidungen voranzutreiben. Dabei sollte er auch dann Rückendeckung bekommen, wenn ihm das Glück mal nicht mehr so hartnäckig an den Fersen klebt. (…) Wie macht er das nur, der Jogi Löw? Alles, was der Bundestrainer anpackt, scheint sich in Gold zu verwandeln."
Hans-Jürgen Jakobs (sueddeutsche.de) hingegen wendet dem Spiel seinen Hintern zu: "Auch in Wembley ist grottenschlechter Kick möglich. Auch ein Klassiker schützt vor Irrtum nicht, und vor allem nicht vor Kreisklassenfehlern. Was die vielen englischen und deutschen Profis boten, war eines solchen Länderspiels einfach unwürdig. Selten hat man auf der internationalen Bühne ein Match mit mehr Fehlpässen gesehen. Gut, die Deutschen waren ersatzgeschwächt und haben immerhin Moral und Schussstärke bewiesen. Sie waren eine Reserve, die sich aus der Reserve locken ließ. Aber was ist mit den Engländern los?"
Zur Einzelkritik - Gewinner des Spiels ist, nach Löw, Philipp Lahm; die FAZ applaudiert: "Der Bundestrainer durfte sich nach dem letztlich auch ein wenig glücklichen Erfolg über die nimmermüden Kämpfer von der Insel in seinem Mut zum Systemwechsel und in seinen wichtigsten Personalentscheidungen bestätigt sehen. Er beorderte den Münchner Links-wie-rechts-Außenverteidiger Lahm erstmals vor die Abwehr und landete damit einen Volltreffer: Lahm war die Energie- und Inspirationsquelle für das deutsche Spiel."
Ludger Schulze (SZ) pflichtet bei: "Beinahe schwerelos, weil ohne jede körperliche Gewalt, stahl Lahm dem Gegner die Bälle, stellte Passwege zu und inszenierte eigene Angriffe. Alles ist bei ihm eine fließende Bewegung, geboren aus geistiger Wendigkeit und perfekter Ballbeherrschung." Dem Siegtorschützen rechnet Schulze hoch an, erst durch ein Tal geschritten zu sein, bevor er den Gipfel erstürmte: "Selten hat ein Profi bei seiner Premiere im Nationaltrikot ein peinlicheres Luftloch getreten, als Christian Pander bei seinem missratenen Versuch, Richards' Solo zu stoppen, und selten hat einer betretener dreingeblickt als Pander in dem Moment, in dem er feststellen musste, dass er mit seinem Luftloch einen herausragenden Beitrag zum 0:1 geleistet hatte. Na und? Christian Pander lieferte ja noch einen weiteren herausragenden Beitrag, und der verschafft ihm nun einen vorderen Platz unter den Hauptdarstellern der deutsch-englischen Fußballgeschichte. Sein Siegtreffer zum 2:1 war zwar historisch nicht so wertvoll wie der von Dietmar Hamann vor sieben Jahren, aber er sah besser aus, und er hat ebenfalls seinen mythologischen Wert. Dieses Tor, das im Comic von Lautworten wie wusch, krach, bumm begleitet worden wäre, wird noch in vielen Programmheften zu deutsch-englischen Spitzenbegegnungen Erwähnung finden: 25 Meter Entfernung zum Ziel, kein Meter Anlauf, und trotzdem hatte der Ball das Tempo eines hochbeschleunigten Ferraris."
Englands Boulevardpresse schießt sich auf Englands Torwart Robinson ein und versucht sich an den obligatorischen Wortspielen (Sun: "What a load of Robbish"; The Express: "It’s Misses Robinson"). In Anspielung auf den Elvis-Presley-Song "Devil in disguise" und die zwei jüngsten groben Fehler des deutschen Torhüters in der Premier League fragt sich der Mirror, ob Robinson "Lehmann in disguise" ist. Sam Wallace (Independet) spricht von einer "Horrornacht für McClaren" und kommentiert sarkastisch: "Das neue Wembleystadion beginnt, langsam sich wie ein richtiges Zuhause für die englische Nationalmannschaft anzufühlen. Es sind gerade zwei Spiele gespielt und schon ließ man eine der ältesten Traditionen im englischen Fußball wieder aufleben: eine lähmende Niederlage gegen den alten Feind Deutschland. (…) Erneut wurde uns die Party von einer deutschen Mannschaft vermasselt, in der enormes Selbstvertrauen, ein genaues Passspiel und die Fähigkeit, ein Spiel zu beherrschen, anscheinend genetisch an neue Generationen weitervererbt werden."