Um Himmels Willen, nun hat uns auch noch das Feuilleton entdeckt!
100 Jahre Schalke hier, 100 Jahre Schalke da, Männer, Mythen, Musical. Der ganze Schmu eben. Wohlwollend. Bei all dem Elend des Ruhrpotts, all der Tristesse in Gelsenkirchen: Da müsse man doch Schalke ein bisschen lieb haben. Wie nett. Küsschen zum Geburtstag.
Zum Geburtstag? Nee: zum Kotzen! Denn wenn Schalke eines nicht ist und wir Schalker eines nicht sind, dann dies: nett. Wir sind nicht feuilleton-kompatibel. Nicht handzahm. Feiern tun wir uns selbst, feiern lassen wollen wir uns nicht. Ein Telegramm vom Bundespräsidenten (Bochum-Fan!)? Ich würd’s nicht lesen. Laudatio vom DFB-Boss? Ohren zu! Post vom Kanzler? Zu dem kommen wir später...
100 Jahre alt wird kein Schwein, deshalb schwer zu beurteilen, ob es in den 30ern ganz anders gewesen ist: Aber seitdem ich Schalke atme und lebe, war der Klub räudiger und struppiger Köter der Liga (und eine zeitlang leider der 2.Liga): von all den anderen gemieden, verachtet und gefürchtet. Nie haben wir gekuscht, uns nirgendwo angebiedert, uns nicht gemein gemacht, nicht geschmückt - nicht mit Politikern, nicht mit Popmusikern, nicht mit Funktionären. Haben von Herzen gepfiffen auf MV, als er uns mal den Pokal in die Hand drücken musste, und haben, wenn wir ehrlich sind, auch gepfiffen auf den albernen Titel "Meister der Herzen". Ich halt’s immer noch mit dem wunderschönen Lied: "Wir sind Schalker, keiner mag uns - scheißegal!"
Weil: Gemocht werden, das wollen doch andere ganz dringend. Der dressierte und kupierte Schoßhund in Schwarz-Gelb, der so gern FC Bayern des Reviers wäre. Europas Wichtigtuerrunde G 14 ? Ist er dabei, selbst jetzt, wo’s Armenhaus droht. Klebrige Fanfreundschaften in der ganzen Welt; wer nicht schnell genug auf dem Baum ist, wird umarmt. Biene-Maya-Eiteitei, damit sich Mutti auch wohlfühlt. Und schön brav mit dem Schwanz wedeln, weil doch so viele, so dolle Promis zugucken, wenn Ewerthon wieder einen Elfer rausschindet: Da kommt der Deutschrockgreis Müller-Westernhagen, es kommt Friedrich Küppersbusch, der seinem Spiegel jeden Morgen beim Rasieren erzählt, wie klasse er ist, weil’s sonst niemand tut, es kommt Joachim Krol, der schlechteste Fernsehkommissar aller Zeiten; tja, und es kommt zur Krönung des Promibiedersinns der Kanzler, schon dies ein Grund für jeden anständigen Schalker, niemals mehr SPD zu wählen. Allein: Es kommt auch Norbert Blüm, CDU.
Macht weiter Männchen und holt Stöckchen, Ihr vom traurigen Ende des Emscherschnellwegs. Wir halten’s anders. Wir haben zwar eine neue Hütte, aber da wird sich niemals ein Kanzler im Blitzlicht sonnen und sich Blau und Weiß schmücken. Denn wir bellen nicht nur, wir beißen. Wir singen schmutzige Lieder. Haben einen Manager, der den Stinkefinger zeigt, wenn er die Schnauze voll hat. Kaufen den verzärtelten neuen Lieblingen der Sportpresse,den biederen Bremern und tranigen Stuttgartern, die Leute weg. Lass sie jaulen...
Männer, Mythos, Musical: Das geht vorüber. Nächstes Jahr feiern wir unseren Hundertundersten - mit der Deutschen Meisterschaft. Dann wird woanders gekotzt. "Keiner mag uns..." Ich freu' mich drauf.
Und Bundeskanzler Kurt Beck wird nicht eingeladen. Der soll schön auf dem Betzenberg bleiben.