Michael Hasenstab war euphorisch gestimmt und meinte es sicher nur gut mit dem, was er sagte. Doch gerade das machte misstrauisch. Es war am Dienstag vor einer Woche, als der Vizepräsident des TSV 1860 München, ein Investmentbanker, an die Zuhörerschar appellierte, "dass Sie diesen Investor positiv begrüßen" und "dass Sie nicht gleich das Haar in der Suppe suchen". Der Fußballzweitligist wollte verkünden, dass die lange Suche nach einem Geldgeber zu einem Ende gekommen sei. Das nächste große Ziel heiße nun: Aufstieg im Jahr 2010.
Sieben Tage später musste der Vereinsvorstand einsehen, dass die ganze Suppe eine haarige Angelegenheit war - und schüttete die Brühe weg. Per Pressemitteilung verkündete der Verein, "die Investition vorerst auf Eis zu legen". Gemeint ist: zu beerdigen. "Entgegen den Erwartungen hat die DFL signalisiert, dass die Vereinbarungen (...) auf erhebliche Bedenken stoßen." Die Vorständler, darunter als Vize auch Franz Maget, der SPD-Fraktionschef im Landtag, hatten zwar Hausjuristen das Vertragswerk prüfen lassen, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) aber vor der Unterzeichnung nicht befragt. Dabei hatte die Ligazentrale in Frankfurt vor gut einem Jahr bewiesen, dass sie Engagements von fußballfernen Investoren argusäugig beobachtet. Carl Zeiss Jena nämlich wurde die Genehmigung verweigert, einen russischen Geldgeber einsteigen zu lassen.
DFL fordert klare Worte
Als nun die Causa "Investor bei 1860" bekannt war, verlangte die DFL rasche Aufklärung darüber, ob die Unternehmensgruppe Schwarzer aus Berlin, die ihre Renditeinteressen offen vertrat, bestimmenden Einfluss auf die Führung des Vereins haben würde. Das wäre ein Verstoß gegen die DFL-Statuten. Anlass zu der Vermutung hatte 1860-Vize Hasenstab selbst gegeben, als er öffentlich anmerkte, die Ablösung des bisherigen Geschäftsführers Stefan Reuter sei eine der Bedingungen für den Einstieg Schwarzers gewesen. Zudem sei die Investorensuche an der Geschäftsführung vorbei direkt vom Präsidium betrieben worden.
Die Angelegenheit war so schon peinlich genug für den Vorstand. Gelernt hatte er daraus offenbar aber noch nichts. Denn am Dienstag gab sich der Ligaverband überrascht von der Absage des Geschäfts. Die Kehrtwende vom Montagabend "sei nicht mit der DFL abgestimmt gewesen". Man habe den Einstieg des Investors bisher keineswegs untersagt, sondern halte weiter ein Gespräch "für erforderlich". Dieses war schon für kommenden Freitag vereinbart. Doch das 1860-Präsidium zog die Notbremse. In einer Replik auf die DFL erklärte der Klub, die Ligaverwaltung habe in einem Schreiben "zwei elementare Vertragspunkte beanstandet".
Es ist also alles ein ziemliches Chaos beim Münchner Traditionsklub, und so dauerte es nicht lange bis zu den ersten Rücktrittsforderungen an den Vorstand. Auch die Zukunft des vom Investor mitgebrachten Sportdirektors Miroslav Stevic stand plötzlich in den Sternen. Er selbst sagte, er wolle weitermachen. Stevic hatte mit dem Geld Schwarzers ja auch schon zwei Spieler leihweise verpflichtet.
Am Rand des Ruins
Bei vielen anderen Vereinen wären solche Vorkommnisse undenkbar. Bei 1860 sind sie nur das neue Kapitel einer Geschichte, in der verschiedene Vereinsführungen dazu beitragen, einen Klub auf den wirtschaftlichen Abgrund zuzusteuern. Schon in den 70er-Jahren ächzte der Verein unter Millionenschulden. 1981 folgten Lizenzentzug und Zwangsabstieg. 1992 übernahm der Großgastronom Karl-Heinz Wildmoser das Präsidentenamt. Unter dem barocken Patriarchen gelang zwar die Rückkehr in die Erste Bundesliga. 2000 spielten die "Löwen" sogar die Qualifikation zur Champions League.
Doch irgendwann erlag Wildmoser der Versuchung, mit dem großen FC Bayern gleichzuziehen. Gemeinsam bauten beide Vereine die neue Arena. Noch während des Baus wurden Wildmoser und sein Sohn, Geschäftsführer der Stadiongesellschaft, wegen Korruptionsverdachts festgenommen, Wildmoser junior später zu einer Haftstrafe verurteilt. In der Zwischenzeit war 1860 abgestiegen, die Kosten für das nun überdimensionierte Stadion brachten den Verein erneut an den Rand des Ruins.
Heute hat 1860 seine Anteile an die ungeliebten Bayern abgetreten und ist nur noch Mieter im Stadion, das viele Löwen-Fans "Arroganz-Arena" nennen. Selbst die jetzigen Kosten überfordern den Verein.
Man kann die Geschichte aber auch andersherum betrachten und sich wundern, welche Kraft hinter so einer Fußball-Traditionsmarke steckt, dass sie mit dieser Vorgeschichte des Versagens überlebt hat. Bis jetzt zumindest.