Zum Glück ist Uli Hoeneß kein Politiker. Hätte nämlich ein Politiker eine derart problematische Auffassung über die Rolle der Medien geäußert, wie Hoeneß es mit seinen Aussagen zur Nationaltorwart-Debatte getan hat, er wäre seinen Job schnell los. Zum Glück für alle ist Hoeneß nur der Präsident eines Fußballvereins, wenn auch eines großen. Da darf man auch mal Unsinn reden. Das macht die Sache halb so schlimm, sie ist aber trotzdem nur schwer zu ertragen.
Was der Noch-Bayern-Präsident am Donnerstagabend nach dem Champions-League-Spiel der Bayern gegen Roter Stern Belgrad absonderte, erreicht fast schon die Qualität der berühmt-berüchtigten Medien-Beschimpfung auf der Pressekonferenz im Herbst 2018. "Ich finde das einen Witz – vor allem die Münchner Presse finde ich nicht in Ordnung", moserte Hoeneß nun. "Die westdeutsche Presse unterstützt ter Stegen extrem, wie wenn er schon 17 Weltmeisterschaften gewonnen hätte. Von der süddeutschen Presse sehe ich gar keine Unterstützung (für Neuer; Anm.d.Red.)".
Uli Hoeneß macht sich lächerlich
Natürlich darf man seine Meinung über die Medien kundtun. Aber zu fordern, was die Presse gefälligst zu schreiben hat, wenn deren Berichterstattung einem nicht in den Kram passt, schießt über das Ziel hinaus. Hoeneß trägt mit solchen Äußerungen nur dazu bei, dass man ihn kaum noch ernst nimmt. Es ist eine Art Selbstdemontage.
Verstärkt wird diese Erkenntnis dadurch, dass die Debatte um Neuer und ter Stegen in Wahrheit ein Sturm im Wasserglas ist. Es wirkt, als würde da jemand mit Kanonen auf Spatzen feuern. Nur zur Info: Ter Stegen hat in diesem Jahr exakt eine Halbzeit gespielt, das war im Testspiel gegen Serbien. Neuer ist die unumstrittene Nummer eins. Wenn einige Journalisten glauben (zumal spanische), dass ter Stegen eine Chance verdient hätte bzw. schlicht über die Äußerungen ter Stegens berichten, ist daran nichts falsch. Abgesehen davon glaubt niemand ernsthaft, dass Löw bis zur EM 2020 einen Torwarttausch vornimmt, solange Neuer so gut spielt, wie er gerade spielt.
Hoeneß selbst nutzt die Medien gezielt für seine Ziele
Hoeneß' Attacke ist zudem zutiefst heuchlerisch. Seit jeher hat der Wüterich vom Tegernsee seinerseits die Medien gezielt benutzt, um von Vereinsproblemen abzulenken wie im vergangenen Herbst, als der Bayern-Motor unter dem damals neuen Trainer Niko Kovac stotterte. Oder er nutzt die Medien, um Druck auszuüben wie jetzt auf den DFB und Joachim Löw ("Wir werden uns das in Zukunft nicht mehr gefallen lassen, dass unsere Spieler hier beschädigt werden ohne Grund. Ter Stegen ist ein sehr guter Torwart, aber Manuel Neuer ist doch viel besser und viel erfahrener."). Gern putzt er auch via Medien einzelne Personen runter wie einst den bedauernswerten HSV-Profi Piotr Trochowski. ("Der kann normalerweise keine zwei Sätze geradeaus sprechen").
Die Polter-Attacke war sozusagen ein "klassischer Hoeneß", wie die "Süddeutsche Zeitung" halb verniedlichend, halb verächtlich schreibt. Man hat den Eindruck, dass da einer vor seinem Abgang im November 2019 noch einmal einen raushauen wollte.