Vor dem Urteil im Hoeneß-Prozess Knackpunkt bleibt die Selbstanzeige

Im Laufe des Prozesses wurde klar: Uli Hoeneß hat unvorstellbare Summen an Steuern hinterzogen. Doch wenn am Donnerstag das Urteil fällt, geht es vor allem um die Gültigkeit der Selbstanzeige.

Wir sitzen alle hier, weil Herr Hoeneß am 17. Januar 2013 um 8.13 Uhr eine Selbstanzeige eingereicht hat" – mit diesem Satz startete die Verteidigung des Bayern-Präsidenten in diesen Prozess. Am Donnerstag - nach Millionen-Geständnis, Zeugenvernehmungen und neuen Steuerschuldschätzungen über 27 Millionen Euro - wendet sich das Verfahren wieder der Anfangsfrage zu: Welche Wirkung hat die Selbstanzeige?

Laut Abgabenordnung muss eine Selbstanzeige "in vollem Umfang" reinen Tisch machen, um den Steuerhinterzieher vor Bestrafung zu bewahren. Die Tat darf zudem noch nicht entdeckt sein. Vor allem auf die Vollständigkeit kommt es im Fall Hoeneß an.

Bewährungsstrafe unwahrscheinlich

Ganz offensichtlich ist Hoeneß' hektisch gefertigte Selbstanzeige vermurkst, da gibt es keine zwei Meinungen. Aber ist sie dadurch nichts mehr wert? Die Verteidigung hat alles auf eine Karte gesetzt. Sie kooperiert – wenn auch sehr spät – und stellt darauf ab, dass die erst jüngst berechneten gigantischen Steuerschulden im Grunde bereits in der ursprünglichen Selbstanzeige erfasst seien.

Kommt sie damit durch, steht am Ende die Einstellung des Verfahrens. Folgt das Gericht der Anklage und hält die Selbstanzeige für unwirksam, bleibt angesichts der enormen Summen für Hoeneß nur Haft. Dann wirkt sich die hohe Steuerschuld strafverschärfend aus. Beides ist nach dem bisherigen Prozessverlauf denkbar. Top oder Flop für den Angeklagten. Dass der Prozess mit einer Bewährungsstrafe ausgehen könnte, erscheint Prozessbeobachtern immer unwahrscheinlicher.

Wahrheit wäre wünschenswert

Dem Gericht unter dem Vorsitzenden Rupert Heindl ist offensichtlich an einem kurzen Prozess gelegen – zumindest zeitlich. Man hätte das Verfahren auch aussetzen und mit Sorgfalt die neu vorgelegten gut 50.000 Seiten mit Kontounterlagen aus der Schweiz auswerten können. Stattdessen akzeptiert die Kammer Berechnungen, die auf Annahmen zu Gunsten von Hoeneß beruhen - Angaben, über die schon die Finanzbeamtin Gabriele H. im Zeugenstand aussagte, sie spiegelten wohl nicht die ganze Wahrheit wider. Doch Wahrheit wäre wünschenswert in einem solchen Verfahren. Um welche Summen geht denn es nun wirklich?

Morgen also die Plädoyers. Für Hoeneß spricht, dass er zum Prozessauftakt endlich ein Millionen-Geständnis ablegte. Gleichzeitig bleibt unbegreiflich, wie die Verteidigung aus den Kontounterlagen rund 15 Millionen Euro an zusätzlicher Steuerschuld errechnete, die Finanzbehörde auf gleicher Datenbasis jedoch auf zehn Millionen mehr kommt. Die unterschiedlichen Berechnungen lassen entweder Zweifel am Aufklärungswillen der Verteidigung aufkommen – oder aber an der Stichhaltigkeit der ganzen Kalkulation.

Widersprüche bei der Abschlagszahlung

Uli Hoeneß hat im Zuge der Selbstanzeige eine Abschlagszahlung von zehn Millionen Euro an den Fiskus geleistet. Die Höhe passt heute so gar nicht mehr zu den neu errechneten Steuerschulden. Warum eigentlich nicht, wenn doch der Linie der Verteidigung folgend in der Selbstanzeige alle wesentlichen Angaben enthalten gewesen sein sollen?

Tatsächlich stützte sich Hoeneß bei den zehn Millionen auf Schätzungen seiner Schweizer Bank. Die hatte 2012 berechnet, wie teuer das damals geplante deutsch-schweizerische Steuerabkommen für ihre Kunden kommen könnte. Das Abkommen scheiterte bekannter Maßen. Zumindest eines ist sicher: So billig kommt Hoeneß nicht mehr davon.

Von Johannes Röhrig, München

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