Der langjährige Erfolgstrainer von Bayern München plant bei seinem ersten großen Auftritt als Nationaltrainer eine Sensation gegen Europameister und Topfavorit Spanien am Mittwoch in Durban (16.00 Uhr/ARD und Sky live) - dafür ist ihm jede Motivation recht.
Mit Flugblättern und einem Aufruf im Radio forderten die Eidgenossen die südafrikanischen Fans sogar auf, mit Vuvuzelas zum öffentlichen Training zu erscheinen und kräftig zu pusten. Die Spieler der "Nati" sollten sich, so Hitzfelds Überlegung, an den Dauerlärm gewöhnen, um den scheinbar unbezwingbaren Spaniern wenigstens etwas vorauszuhaben.
Die gastfreundlichen Afrikaner folgten dem Aufruf, kamen mit unzähligen WM-Trompeten zum Training ins Vut Isak Steyl Stadium in Vaal und veranstalteten einen Heidenlärm. Die Lehren, die Hitzfeld daraus zog, verriet Abwehrchef Philippe Senderos: "Wir reden kurz in den Momenten, in denen es ruhiger ist. Die Spanier spielen so schnell, da müssen wir eh schnell sprechen und denken."
Dass Hitzfeld eigentlich kein Freund der umstrittenen Plastiktröte ist, ist aber offensichtlich. Als sich bei der "Nacht des Schweizer Fußballs" kurz vor der Abreise zur WM Spieler und Verbandspräsident Peter Gillieron als Vuvuzela-Bläser versuchten, verweigerte sich der zweimalige Champions-League-Sieger als einziger.
Doch statt die Nervensägen aus Plastik zum Teufel zu wünschen und seinen Spielern dadurch ein Alibi zu geben, macht Hitzfeld aus der Not eine Tugend. Kniffe wie diese haben ihn zu einem der erfolgreichsten Klub-Trainer der Fußball-Geschichte gemacht. Und sie brachten ihm in der Schweiz nach der geglückten WM-Qualifikation Attribute wie "Glücksfall", "Superstar", "Messias" und "deutscher Hexer" ein.
Doch die bloße Qualifikation reicht dem erfolgsverwöhnten Trainer-Routinier nicht. Sein Ziel formuliert er nicht genau, doch es ist klar: Hitzfeld soll die Schweiz erstmals seit der Heim-WM 1954 ins Viertelfinale führen. Das hätte die "Nati" schon vor vier Jahren in Deutschland fast erreicht. Doch im Achtelfinale gegen die Ukraine wurden die Schweizer zu "Elfer-Deppen" und beendeten als erstes Team der WM-Geschichte ein Elfmeterschießen ohne einen einzigen Treffer.
Das Trauma hat der im deutschen Lörrach an der Schweizer Grenze geborene Hitzfeld seinem Team bereits zu nehmen versucht. Im Training ließ er alle 18 Feldspieler mit Ausnahme der verletzten Alexander Frei (Knöchelverletzung) und Valon Behrami (muskuläre Probleme) fehlten Elfmeter schießen. Außer dem Berliner Steve von Bergen trafen alle.
Zudem gefällt sich Hitzfeld in der Rolle des Außenseiters. "Die Schweiz ist sicher nicht Favorit. Aber die Schweiz kann zum Favoritenschreck werden", sagte der 61-Jährige: "Spanien wird als WM-Favorit und amtierender Europameister unter Druck stehen. Würden wir in Hin- und Rückspiel gegen sie antreten, wäre es schwierig. Aber in 90 Minuten ist alles möglich."
Seiner WM-Feuertaufe fiebert Hitzfeld entgegen. "Die Spannung steigt, für mich geht ein großer Traum in Erfüllung, dass ich bei einer WM mit dabei sein darf. Ich bin sehr stolz darauf, die Schweiz zu repräsentieren und gegen Spanien dieses Spiel machen zu dürfen." Da stören auch die Vuvuzelas nicht - ganz im Gegenteil.