Borussia Dortmund Der halbe Riese: Warum die Zweifel an Trainer Edin Terzić noch immer groß sind beim BVB

  • von Felix Meininghaus
Porträt von BVB-Trainer Edin Terzic
Trainer Edin Terzić hat einen schweren Stand beim BVB
© Jan Woitas / Picture Alliance
Trotz des Halbfinaleinzugs gegen Paris Saint-German hat Edin Terzić einen schweren Stand beim BVB. Während er seine Mannschaft in der Champions League zu Höchstleistungen treibt, entgleitet sie ihm regelmäßig in der Bundesliga. Das sorgt für Unruhe im Verein. 

Edin Terzić ist in den vergangenen Wochen regelmäßig zu seiner besonderen Beziehung befragt worden, die ihn mit seinem Arbeitgeber verbindet. Das hatte vor allem den Grund, dass sich die Errichtung der Dortmunder Heimspielstätte, die anlässlich der Weltmeisterschaft 1974 als Westfalenstadion entstand, zum 50. Mal jährte. 

Terzić, geboren am 30. August 1982 im sauerländischen Menden, verbrachte als Kind und Jugendlicher etliche Nachmittage in der sagenumwobenen "Gelben Wand", wie die größte Stehplatztribüne genannt wird, die dieser Globus zu bieten hat. Inzwischen sitzt der Mann mit kroatischen Wurzeln als leitender Angestellter auf der Bank eines börsennotierten Unternehmens und wird für seine Dienstleistungen mit einem Millionenhonorar entlohnt. Doch dieser Perspektivwechsel hat am Verhältnis zu seinem Verein nichts geändert: Es ist niemals professionell distanziert, sondern immer von inniger Zuneigung geprägt. Daraus hat Terzić nie einen Hehl gemacht. 

Ernüchterung und Kopfschütteln

Warum auch, schließlich hilft dem Trainer sein Stallgeruch ja in einem Umfeld, das sich als durchaus diffizil darstellt. Terzić genießt in Dortmund eine Reputation, die von großer Wertschätzung geprägt ist. Gleichzeitig begegnet man ihm in der Fußballstadt mit einer gewissen Grundskepsis, weil es ihm seit seinem zweiten Amtsantritt im Juni 2022 nicht gelungen ist, dem hochkarätig besetzten Kader jenen Schlendrian auszutreiben, der immer wieder für Ernüchterung und Kopfschütteln sorgt. 

Diese unerklärlichen Einbrüche rufen Ratlosigkeit hervor, zuletzt geschehen am vergangenen Wochenende, als es beim ungeliebten Konkurrenten aus Leipzig eine 1:4-Abreibung gab. Vier Tage vor dem Hinspiel im Champions-League-Halbfinale vor heimischer Kulisse war das alles andere als ein Mutmacher. Noch dazu, weil Terzić genau beobachtet hat, dass der Gegner aus der französischen Metropole ein ähnlich überfallartiges Tempospiel wie die Leipziger bevorzugt. Hochkaräter wie Weltstar Kylian Mbappé und Ousmane Dembélé können eine Abwehr genauso überrennen, wie es die Leipziger mit überforderten Dortmundern vorführten. 

Das ist die schlechte Nachricht. Die gute lautet, dass Terzić in der Anfangsphase des Gastspiels in Sachsen gute Anschauungsmomente abspeichern konnte, wie die Dinge erfolgreicher umgesetzt werden können: "Wir haben gesehen, wie groß die Chance ist, etwas mitzunehmen, wenn man es so gestaltet wie in den ersten 20 Minuten." 

Das Halbfinale: eine große Sache, vor allem für Terzić

Das Semifinale im europäischen Geldvermehrungs-Wettbewerb ist nicht nur für Borussia Dortmund, sondern auch für den Trainer persönlich eine große Sache. Schließlich wird Terzić nun in einem Atemzug mit Männern wie Ottmar Hitzfeld und Jürgen Klopp genannt. Alle drei erreichten mit dem BVB das Halbfinale der Champions League, Hitzfeld 1997 gegen Manchester United, Klopp 2013 gegen Real Madrid – und nun Terzić gegen Paris Saint-Germain. Die beiden Duelle gegen Manchester und Real nehmen im Legendenschatz des Revierklubs einen überaus prominenten Platz ein.

Doch so weit wie seine Vorgänger Hitzfeld und Klopp, die in Dortmund als Säulenheilige verehrt werden, ist Terzić noch lange nicht. Dafür müsste er beim BVB eine Ära prägen. Und um das zu gestalten, benötigt es eine Konstanz, die in den Gewinn von Titeln mündet.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Immer nur Zweiter zu sein, genügt in Dortmund nicht

Auf Dauer ist das Prädikat "Vize" nicht schmeichelhaft, beim westlichen Nachbarn aus Leverkusen, der dieses Stigma gerade abgelegt hat, weiß man darüber zu berichten. In Dortmund wird es auf Strecke nicht ausreichen, sich an den Geldtöpfen bedienen zu dürfen, die in der Königsklasse offeriert werden. Es geht auch darum, dem Briefkopf neue Einträge hinzuzufügen.

Immerhin hat Terzić den Triumph im DFB-Pokal vorzuweisen, den er 2021 mit dem BVB gewann, als er als Interimstrainer für den glücklosen Lucien Favre einsprang. Dagegen ging im vergangenen Mai die greifbar nahe Meisterschaft auf der Zielgeraden verloren, was nicht nur den Trainer, sondern die gesamte Stadt in einem Tal der Tränen versinken ließ.

Um das, was noch zur Reife fehlt, aus dem wankelmütigen Ensemble zu kitzeln, haben sie Terzić in Dortmund ein Umfeld gebastelt, das die Mächtigen um Vereinsboss Hans-Joachim Watzke als erfolgsversprechend einstufen.

Alte BVB-Weggefährten unterstützen den Trainer

Lars Ricken, bislang als Direktor des Nachwuchs-Leistungszentrums notiert, wurde zum neuen Geschäftsführer Sport mit weitreichenden Kompetenzen befördert. Zudem kehrt Sven Mislintat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum BVB zurück, wo er wie schon in der Ära Klopp die Kaderplanung übernehmen soll.

Ricken und Mislintat sind alte Weggefährten von Terzić, was dessen Position stützen dürfte. Als hilfreich werden im Dortmunder Umfeld auch die Personalien Nuri Sahin und Sven Bender eingestuft. Die beiden ehemaligen Profis stehen Terzić seit der Winterpause als Co-Trainer zur Seite, um mitzuhelfen, den Auftritten des BVB mehr Stabilität zu verleihen. 

Auch wenn Sportdirektor Sebastian Kehl im neuen Organigramm von Borussia Dortmund an Einfluss verloren hat, verspricht das interne Kompetenzgefüge erst einmal Konstanz. Doch seinen Job auf der Bank wird Edin Terzić auf Dauer nur dann behaupten können, wenn seine kickende Belegschaft ihr üppig vorhandenes Potenzial dauerhaft auf den Rasen bringt und dabei ähnlich mitreißende Darbietungen kreiert wie im Champions-League-Viertelfinale gegen Atletico Madrid. Der Mittwochabend unter Flutlicht gegen das Starensemble von Paris Saint-Germain bietet Terzić und seinem Team eine ideale Gelegenheit, Werbung in eigener Sache zu machen.

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