WM-Countdown Zu Gast als Freunde

Von wegen "Britskrieg": Englands Fußballfans bereiten sich auf ihren WM-Besuch vor. Jetzt kommen sie in friedlicher Mission.

Es sollen um hunderttausend englische Fans sein, die im Juni zur WM nach Deutschland kommen wollen. Die größte Fangruppe von außerhalb. "Und das ist auch gut so", sagt der Fußball-Attaché der britischen Botschaft, Andy Battson. Er ist der einzige Fußballbeauftragte einer Auslandsvertretung in Deutschland. Es gibt keinen Franzosen, keinen Holländer und keinen Italiener, der sich ausschließlich um einen möglichst reibungslosen Besuch seiner Landsleute zur WM 2006 kümmert. Was natürlich damit zu tun hat, dass reisenden England-Fans eines vorauseilt: ihr Ruf.

Dabei seien die Hooligan-Ausfälle, die Schlagzeilen machten, schon Jahre her, sagt Battson. Der Beweis: Noch 940 Verhaftungen zur Euro 2000 in Belgien, eine einzige zur Euro 2004 in Portugal. Die Polizeimaßnahmen wirken. Bis zu 4000 englischen Hooligans werden im Sommer die Pässe entzogen, sie müssen sich bei ihrer örtlichen Polizeistelle melden. Polizeibeobachter ziehen die bekannten Pappenheimer aus Zügen und Flugzeugen, sollten sie trotz Heimatarrest aufbrechen.

Käme es zum Vertrag zwischen den Innenministerien Großbritanniens und Deutschlands, könnten britische Polizisten in Uniform nach Absprache mit den deutschen Behörden an den Austragungsorten patrouillieren. Und Ansprechpartner für englische Fans sein. "Unsere Polizei weiß, wann die Menge wie an jedem Samstag im Stadion laut, aber trotzdem fröhlich singt, und wann das umschlägt. Das könnte der deutschen Polizei sehr helfen", sagt Andy Battson.

Die Maßnahmen werden von den meisten Engländern unterstützt, erklärt der Vorsitzende der LondonEnglandfans, Mark Perryman: "Jetzt reisen Mum und Dad mit den Kindern zu den Spielen. Das wäre vor zehn Jahren mit all den aggressiven Gruppen undenkbar gewesen. Das ist doch für alle gut." Perryman vertritt einen Unterverband des Fanclubs der Football Association (FA), Englands Fußballverband. 25000 Anhänger sind bei der FA organisiert, von jedem wird ein Führungszeugnis verlangt. Das wirkt.

Auch in England selbst sind Krawalle bei Spielen in den vergangenen Jahren meist ausgeblieben. Lieber kümmern sich die Fans um legalen Spaß. Perryman etwa vertreibt T-Shirts mit Fußballzitaten, etwa dem Ausspruch von Gary Lineker: "Fußball ist ein Spiel mit 22 Sportlern - und dann gewinnt Deutschland." Auf dem offiziellen WM-Shirt steht vorn das Wort "Fan-Freundschaft", hinten das Zitat: "Don't mention the score" - komm bloß nicht auf das Ergebnis zu sprechen!

Das bezieht sich natürlich auf das Resultat im Qualifikationsspiel zur WM 2002 in München, das Deutschland gegen England 1 : 5 verlor. Deutsche sollten sich laut Perryman daran gewöhnen, dass englische Fans sie nach der Uhrzeit fragen werden und als Antwort (egal zu welcher Tageszeit) ein 5-to-1 herausposaunen (was fünf vor eins, aber auch fünf zu eins bedeutet). Immerhin trifft der englische Humor auch eigene Unzulänglichkeiten: Die LondonEnglandfans wollen vor ihren Spielen in Frankfurt, Nürnberg und Köln Elfmeter-Übungsschießen organisieren. "Daran hapert's bei uns", sagt Perryman. Bleibt noch der Krieg. Und zwar der Zweite Weltkrieg, der in englischen Fan-Gesängen ("Ten German Bombers") ebenso eine Rolle spielt wie in den Wortspiel-Schlagzeilen der großen Boulevardzeitungen ("Achtung, Surrender" oder "Britskrieg"). Sven-Göran Eriksson, Trainer der englischen Nationalelf, warnte bereits davor, den Gastgeber mit rückwärts gewandten Parolen zu vergrätzen. Perryman sieht das pragmatischer: "Wer die Deutschen beleidigt, sollte sich nicht wundern, wenn er nicht der beliebteste Mensch in der Kneipe ist."

Die britische Wochenzeitung "The Observer" zeigte Anfang Dezember auf vier Seiten, wo wann was an den Austragungsorten gefeiert werden wird. Die Artikel hatten eine einzige Botschaft: Deutschland ist das fanfreundlichste Fußballland in ganz Europa. "Die Tickets sind unglaublich billig, es gibt Bier in und kostenlose Fahrten zu den Stadien. Die Fans können auf den Tribünen stehen, selbst die Anfangszeiten der Spiele richten sich nach ihnen", sagt Sportjournalist Brian Oliver. "So viele Eingeständnisse an die Fankultur kennen wir gar nicht." Er glaubt, dass Engländer Deutschland als Fußball-Touristenziel entdecken sollten. Denn mit Glück kann ein Billigflug mit Stadionkarte und Hotel günstiger sein als der Eintritt für zwei Leute etwa beim Londoner Club Chelsea. Die Karten kosten leicht einmal 180 Euro, pro Spiel, wohlgemerkt.

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Cornelia Fuchs

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