Athen 2004 Jede Nacht und jeden Euro opfern

Dabei sein ist alles. Hitze, Durst, Wartezeiten, und Übermüdung für den echten Fan spielt das keine Rolle. Drei Athener Nächte hintereinander hat der Nürnberger Reinhard Franz in der ersten Woche "übersprungen".

Drei Athener Nächte hintereinander hat der Nürnberger Reinhard Franz als Olympia-Fan in der ersten Woche "übersprungen". So nennt der 57-jährige Versicherungsmann es, wenn er nach den Abendwettbewerben der Fechter oder Schwimmer bis zum frühen Morgen durch die Stadt läuft oder U-Bahn fährt, weil ihn keine Fähre mehr zum 50 km entfernten Quartier auf der Halbinsel Eubeöa bringt.

Dass er am Morgen nach der zweiten durchwachten Nacht eine 1:4- Vorrunden-Niederlage der deutschen Hockey-Frauen miterleben musste, beeinträchtigt seine Stimmung nicht im Geringsten. Nach dem Abpfiff beklatscht Franz im Pulk von ein paar Hundert deutschen Fans in seinem schwarz-rot-goldenen Fan-Outfit die Spielerinnen und blickt klaglos nach vorn: "Jetzt freu ich mich auf das Einzelzeitfahren mit Jan Ullrich."

Strategische Ticket-Planung

Hier wurde es auch wieder nichts mit dem erhofften deutschen Erfolg, aber wenigstens war die erneute Enttäuschung kostenlos. Als die Schwimmerin Hanna Stockbauer im Vorlauf über 400 m ausschied, hatte er für sein Ticket 70 Euro geopfert. "Gott sei Dank hatte ich da noch keine Karte für das Finale am Abend gekauft." Ohne jede Verbitterung zeigt der 1991 von Dessau nach Nürnberg umgezogene Sport-Fan sein liebevoll gefertigtes Stoffbanner vor: "Gold für Hanna wünschen von ganzem Herzen Margit und Reinhard Franz aus Franken." Kostenpunkt 200 Euro.

Insgesamt 600 Euro hat Franz für 22 vorab gekaufte Eintrittskarten bezahlt. Bei der strategischen Planung spielten die deutschen Medaillenchancen eine wichtige Rolle: "Ich gehe deshalb viel zum Rudern, Kanu und Fechten. Und die Leichtathletik muss einfach sein." Hier sieht er das Ganze auch "überhaupt nicht nationalistisch" und freut sich im Olympiastadion besonders auf die britische 10 000-m- Läuferin Paula Radcliffe.

Leiden mit gefallenen Hoffnungen

Wenn deutsche Sportler enttäuschend abschneiden, leidet Franz mit ihnen, wird aber alles andere als zornig. Enttäuscht ist er nur, dass wegen der extremen Sicherheitsvorkehrungen auch nach Wettkämpfen praktisch keine Kontakt-Möglichkeit zu den Olympia-Teilnehmern besteht. Deshalb würde er gerne auch ins Deutsche Haus gehen. Dort haben neben den Sportlern aber nur Funktionäre, Journalisten und Sponsoren Zutritt. Während diese "wichtigen Leute" in ihren Hotels dem nächsten Olympiatag mit Freikarten und kostenlosem Transport entgegenschlummern, durchwandert Reinhard Franz das nächtliche Athen und denkt über die verzwickte Planung mit seiner "Kriegskasse" von 500 Euro nach: "Es gibt ja keine Garantie für deutsche Finalteilnahmen."

Von Thomas Borchert/DPA

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