"OTP !- Own the podium !" lautet bekanntlich der Schlachtruf, unter dem die Kanadier das Siegerpodest stürmen wollten und wollen. Diese drei Buchstaben sind in Vancouver präsent wie das Kürzel "S.P.Q.R." im alten Rom. Die Buchstaben findet man auf Fassaden und Schaufenstern, genauso wie in Menschengesichtern und dies auch noch in allen Farben.
Martina Ertl
Die ehemalige deutsche Weltklasse-Skirennläuferin Martina Ertl schreibt in ihrer täglichen Kolumne "Après Ski" auf stern.de direkt aus Vancouver von den Olympischen Winterspielen. Um die Jahrtausendwende gehörte Martina Ertl mehr als zehn Jahre zu den weltweit besten Athletinnen im alpinen Rennzirkus. Sie gewann drei olympische Medaillen und wurde zweimal Weltmeisterin. In den Jahren 1996 und 1998 konnte sie jeweils die Riesenslalom-Disziplinenwertung des Skiweltcups für sich entscheiden. Insgesamt gewann sie 14 Weltcuprennen in drei verschiedenen Disziplinen. In allen fünf alpinen Disziplinen erzielte sie mindestens einen Podestplatz.
Gestern haben wir die kanadische Vorgabe gelebt, vier Medaillen, davon zweimal Gold - und das ganz ohne Motto! Wir haben das hinbekommen, ohne ein bei den Biathleten beschwörendes "TIZ! - Treff`ins Ziel!" und ohne ein bei den Rodlern eisiges "NUG! - Nicht unter Gold!
Bei genauer und hintergründiger Betrachtung gab es natürlich auch in unserem Lager Ansagen, mal stille, mal schrille. Während Magdalena Neuner mit dem Dictum "Ich will in Vancouver Gold" moderne verhaltenspsychologische Kunst anwendete und so vielleicht tatsächlich den Konkurrentinnen ein wenig den Schneid abkaufen konnte, ging Tatjana Hüfner stiller, aber nicht weniger zielstrebig mit klaren, starken Schritten auf das Podium zu, um sich zur Rodelkönigin zu krönen.
"Geistiges Kurzprogramm"
Wie ein Uhrwerk spulte die Oberwiesenthalerin ihr Programm ab und bestätigte damit ihre Flut von Weltcupsiegen vor Vancouver. Auch harte Ansagen gab es, die wie ein Bumerang zurückkommen und dann offensichtlich sehr weh tun. Wer allzu sehr nach Gold verlangt wie unsere Eiskunstläufer, der muss sich wohl nach einem solchen "geistigem Kurzprogramm" über Bronze grämen, was ich sehr schade finde.
Zu guter letzt gibt es dann noch die Frohnaturen, die auch noch Felix heißen, die ohne große Erwartung anreisen, die vor allem mit dem Leistungsvermögen der anderen Spitzenkönner respektvoll umgehen und sich dann ganz oben angekommen, mit ganzem Herzen freuen können. Solche Typen könnten gar nicht erst in ein Loch fallen - der Name ist da bereits ein Vorzeichen.
Welche Vorgehensweise die Unterzeichnerin bevorzugt, dürfte dem geneigten Leser nicht entgangen sein.
Viele Grüße, Martina Ertl