Boxkampf Sturm vs. Sylvester Es lebe die Feindschaft

Von Bertram Job, Oberhausen
Die Stimmung vor dem Kampf ist explosiv: Und Felix Sturm und Herausforderer Sebastian Sylvester prügeln bereits vor ihrem WM-Titelkampf am Samstagabend mit verbalen Tiefschlägen und ätzenden Cartoons aufeinander ein - zur Freude der Fans.

Die Pose der zwei unerschrockenen Männer, die sich wenige Tage vor ihrem Kräftemessen so fair wie entschlossen die Hand reichen, gehört seit Längerem zu den Standardmotiven aus der wundersamen Welt der Preisboxer. Am Montagmittag jedoch gingen die darauf abonnierten Sportfotografen in dieser Hinsicht leer aus. Mit der letzten gesprochenen Silbe erhob sich Felix Sturm, Mittelgewichts-Champion der WBA, von seinem Platz auf dem Podium inmitten eines großen Einkaufszentrums in Oberhausen, um sich samt Entourage an die Tische eines amerikanischen Kaffeerösters zurückzuziehen. Und Herausforderer Sebastian Sylvester konnte Tränen der Enttäuschung mühelos zurückhalten: Auch er mochte dem Kontrahenten beim letzten Pressetermin keinen Millimeter entgegenkommen.

Die Luft ist ziemlich aufgeladen vor dieser Weltmeisterschaft, die am Samstag in einer nahezu ausverkauften Großarena in Oberhausens "Neuer Mitte" steigt (22 Uhr, ZDF). Doch was Familien und gute Freunde im banalen Alltag bekümmern würde, ist in diesem Kampfsport zusätzlicher Anreiz: Der gewisse Hauch lebensechter Animosität macht den athletischen Vergleich für das Gros seiner Stammkunden erst zum Spektakel.

Adnan statt Felix

So war es beim letzten deutsch-deutschen WM-Titelkampf vor achteinhalb Jahren, als der spätere Verlierer Graciano Rocchigiani den Halbschwergewichts-Champion Dariusz Michalczewski vor ihrem Rückkampf in Hannover als "dummen Polen" diskreditierte. Und so ist es nun auch beim "Hass-Duell" ("Sport Bild") am oberen Rand des Ruhrgebiets, vor dem manch brisante Verbalattacke aus den unteren Schubläden geritten wurde.

Besonders das Lager des Herausforderers aus Greifswald hielt sich dabei nicht lange mit Stilfragen auf. In der Oktober-Ausgabe des Fachblatts "Boxsport" erschien ein bissiger Cartoon, den Sylvesters Wiking Box-Team als unübersehbare Anzeige schaltete. Er zeigt ein verzagtes "Stürmchen", das sich hinter einem Vorhang und seiner Frau verschanzt, während die Wikinger im Stile einer Asterix-Runde ausgelassen den Sieg ihres Hoffnungsträgers feiern. Dazu gab Boxstallchef Winfried Spiering im Zungenschlag eines U-Boot-Kapitäns schon mal die Grobstrategie für den Showdown preis: Man werde den flinken Titelträger in Oberhausen "jagen, rammen und versenken". Und wo immer ein Mikrofon stand, wurde dieser nicht "Felix", sondern bei seinem Geburtsnamen Adnan genannt - als sei die bosnische Abstammung des gebürtigen Rheinländers ein offenzulegender Makel.

Sturm "hat den Kaffe auf"

Das reichte in der Summe allemal, um den amtierenden Titelverteidiger in mühsam zurückgehaltene Empörung zu versetzen. Für Felix Sturm ist sein Herausforderer von der Ostsee ein limitierter Aspirant, dem für das oberste Level dieses Sports Herz und Hirn fehle, wie er öffentlich befand. Und wenn dieser "Müll" (Sturm) aus Cartoons und Sprüchen bei ihm überhaupt etwas bewirkt habe, dann eher das Gegenteil.

Wie nie zuvor will der begnadete Techniker (30 Siege, ein Unentschieden, zwei Niederlagen) sich zwischen Hamburg und Köln auf den Prestigekampf vorbereitet haben. So schwärmte der 29-Jährige in Oberhausen von dem "unglaublichen Level" seiner Verfassung und dem "absoluten Limit", an das er sich mit detailbesessenem Training gebracht habe - und fand in Trainer Michael Timm einen begeisterten Zeugen. "Felix ist ein absoluter Profi", so Timm, "er lebt diesen Sport. Es lief noch besser als erwartet." Das ist nicht schwierig nachzuvollziehen. Der stolze Weltmeister aus dem Universum-Boxstall hat unübersehbar "den Kaffee auf".

FTD

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