Sport ist in den Medien zu Hause. Aber nur wenige Sportarten bekommen die Aufmerksamkeit, die sie eigentlich verdient hätten. König Fußball beschert den Sendern satte TV-Quoten. Die meisten Sportarten sind aber keine Zuschauermagneten und deshalb auch selten in den Medien vertreten. Dabei verlangen gerade Randsportarten den Athleten viel ab, um ganz nach oben zu kommen.
Ohne Förderung der Länder oder der Bundeswehr würden viele Sportler von einer erfolgreichen Karriere lediglich träumen. Es gibt aber auch Sportarten, die finden fernab von Förderungen statt und nur in seltenen Fällen berichten Medien über sie: Die Nischensportarten.
Reporter Julian König geht dahin, wo es "wehtut". Er testet Nischensportarten auf Herz und Niere, überprüft die Tauglichkeit von Sportarten für die breite Masse und bewertet anschließend knallhart verschiedene Faktoren wie Risiko, Spaß oder Kosten. Nachdem er erfolglos versucht hat, Europameisterin im Speed Badminton zu werden und beim Synchronschwimmen fast abgesoffen wäre, hat sich der Randsportkönig nun aufgemacht, um es mit einer Horde wilder Mädels auf Rollschuhen aufzunehmen.
Hier kommt sein Erlebnisbericht
Nach einem Abstecher im Racketsport und einer etwas unfreiwilligen Unterwassereinheit beim Synchronschwimmen musste endlich mal knallharte Ertüchtigung her. Echter Männersport. Blaue Flecken und Bodychecks satt. Eben nichts für Weicheier. Karate? Rugby? Nein! Ich erinnerte mich an viele Stunden "American Gladiators in der Glotze. Mit "Cyclone, "Thunder oder "Titan. Schnell musste ich aber einsehen, dass es nicht so einfach werden würde, etwas Derartiges in Deutschland aufzutreiben.
Bei meiner Recherche stolperte ich über ein Video vom "Roller Derby, ein Sport, der normalerweise ausschließlich von Frauen betrieben wird. Und irgendwie wurden erneut Erinnerungen wach. Frauen, die andere Frauen auf Rollschuhen jagen, sich dabei über den Haufen fahren und ebenfalls gefährlich klingende Namen tragen. Okay, zugegeben, es ist kein Männersport, aber mich befiel der Ehrgeiz, es mit den Mädels auf Rollen aufzunehmen. Zumal es in Deutschland mehrere Vereine gibt, die diesen ungewöhnlichen Sport anbieten.
Nach einer ausgiebigen Videostudie stand fest: Ich werde in den Wettkampf einsteigen, versuchen zu klären, weshalb sich Frauen freiwillig mit zerrissenen Strumpfhosen im Kreis jagen und dabei permanent Verletzungen riskieren. Ein paar Telefonate später wurde ich von den "Harbour Girls in Hamburg zum Schnuppertraining eingeladen.
Mein erster Eindruck: Fast alle Mädels tragen Tattoo, Piercings oder haben die Haare bunt gefärbt. Die Verbindung zur Punk-Bewegung, die der Sport bei der Neuentstehung Ende der 1990er Jahre hatte, sind auch hier noch erkennbar. Die Outfits sind schrill und sollen "Angriffslust vermitteln. Man müsse aber kein Punk sein, um mitmachen zu können, erklärt mir "Killing Zoe. Sie ist die Co-Trainerin der Gruppe. "Jede ist hier willkommen!
Beim Roller Derby geht es darum, Punkte zu sammeln. Die Mannschaften fahren im Kreis. Immer zwei Teams gegeneinander. Vier Fahrerinnen versuchen den Weg für eine fünfte ("Jammerin) frei zu blocken. Punkte gibt es für Überrundungen. Es geht um Teamwork und einer Menge Ausdauer. Sieben Schiedsrichter (oftmals Männer) passen auf, dass keine Ellenbogen zum Einsatz kommen und auch sonst alles fair zu geht. 30 Minuten geht der Wettkampf.
Schnell merke ich: Es geht ganz schön zur Sache. Wer nicht mit 100 Prozent auf den Rollen sicher ist, der fliegt schnell auf die Schnauze. Bei meinen ersten Versuchen bekomme ich gleich mit, was es heißt, von zwei Frauen gedoppelt zu werden. Eine links, eine rechts, schon liege ich auf der Schnauze. Was ungeschickt aussieht, war schlicht für mich als Anfänger unvermeidbar. Kleine Prellungen gehören dazu, klärt mich Killing Zoe auf. Ich kassiere auch noch einen dicken Splitter im Unterarm, weil der Hallenboden aus Holz ist.
"Roller Derby ist schnell, es ist rabiat und die weiblichen Reize gehen nicht verloren, fasst sie ihren Sport zusammen. Und ganz wichtig: "Man darf keine Angst haben! Habe ich auch nicht und trotzdem liege ich auch beim nächsten Versuch mich durch die Blockerinnen durchzutanken wie eine Schildkröte auf dem Rücken am Boden. Es ist einfach kein Durchkommen. Die Mädels haben Dampf in den Hüften und sind gut im Training. Schweiß-Wasserfälle statt Schweißperlen sind garantiert.
Es ist ein Sport, der einen wirklich fordert, der Spaß macht und der, wie es "Tasmanian Chili sagt, "funktional und sexy ist. Über die "Kampfnamen kann man sicherlich streiten. Außenstehende, so wie ich anfangs, können damit sicherlich nicht viel anfangen, aber es gehört nun einmal dazu und irgendwie gibt es dem Sport auch eine humorvolle Note.
Geschichte:
Der Ursprung, wie kann es auch anders sein, liegt in den USA. Bis in die 1980er Jahre waren die Wettkämpfe absolute Megaevents mit Zuschauerzahlen auf Fußball-Bundesliga-Niveau. Irgendwann ebbte das Interesse ab. Der Sport war kapitalistisch bis zum Rand ausgeschlachtet worden. Erst kurz vor der Jahrtausendwende feierten die Kufen-Gladiatoren ein Comeback. Wie bereits oben angesprochen kam das Revival aus der Punk- und der dritten Welle der Frauenbewegung heraus. Mittlerweile gibt es überall auf der Welt Vereine. Allein in Deutschland sind es acht Teams, die untereinander Meisterschaften ausfechten.
Spaßfaktor:
Sofern man kein Problem mit kleineren Blessuren und blauen Flecken hat, dazu noch einigermaßen sicher auf Rollschuhen unterwegs ist und dazu konditionell kein Wrack ist, kann man richtig auf Touren kommen. Roller Derby bietet eine Mischung aus Vollkontakt-, Strategie- und Ausdauersport, die einen richtig fordert.
Erlernbarkeitsfaktor:
Sicheres Rollschuhfahren ist oberstes Gebot. Wer das nicht beherrscht, der bekommt ordentlich auf die Mütze. Der Rest ergibt sich durch das Training. Wer schnell und auch einigermaßen geschickt auf Rollen unterwegs ist, eignet sich als "Jammerin. Der Rest blockt im Team. Die Regeln habe ich oben sehr vereinfacht dargestellt. Es gibt insgesamt viele Details zu beachten, was Abstände zu den anderen Fahrerinnen etc. betrifft. Aber auch hier kommt man schnell dahinter. Wichtig: Alle Kommandos der Schiedsrichter und meistens auch im Team sind auf Englisch.
Schweißfaktor:
Der Schweiß rinnt und das wirklich flott. Ganz untrainiert sollte man nicht sein, wenn man es mit den Harbour Girls oder anderen Gruppen aufnimmt. Es wird so gut wie jede Muskelgruppe in Mitleidenschaft gezogen. Die Beine natürlich ganz besonders, aber auch der Rest steht ständig unter Spannung. Man will schließlich keinen Bodycheck abbekommen und dann einfach umfallen, sondern vor allem austeilen. Eine rote Birne ist garantiert!
Risikofaktor:
Prellungen sind einkalkuliert. Auch Splitter sind je nach Hallenboden im Paket gerne enthalten. Früher haben die Mädels auch auf Beton trainiert, da waren Schürfwunden ebenfalls inklusive. Ansonsten gibt es aber eher selten gröbere Verletzungen. Helm und Schützer sind Pflicht. Und Fairness ein hohes Gebot. Wer die Ellenbogen absichtlich einsetzt, der fliegt von der Platte.
Kostenfaktor:
Man braucht keine große Ausrüstung, um mitmachen zu können. Ein paar Rollschuhe, die mit Tipps der anderen Mitglieder aufgepimpt werden, sowie Helm und Schützer reichen aus. Dazu gibt es Trikots der jeweiligen Mannschaft und schon kann es los gehen.
Fazit:
Leider, leider ist es ein Sport, der eigentlich nur für Frauen ist. Meine Recherchen haben aber ergeben, dass durchaus auch Männer im Roller Derby unterwegs sind und das durchaus nicht nur als Schiedsrichter. Man sollte sich von Internet-Videos nicht abschrecken lassen. Ganz so blutrünstig wie in dem einen oder anderen Clip geht es beim Rollerderby nicht zu. Einfach anrufen und ausprobieren.
Weitere Informationen unter: www.wftda.com oder www.harbourgirls.de