Quiksilver Pro France Surfer's Paradise

Von <em>Klaus Bellstedt/Hossegor</em>
Es gibt sie noch, die echten Helden. In Südfrankreich trafen sich die besten Surfer der Welt und lebten ihren Traum - dem Ritt auf der ultimativen Welle.

Hossegor an der Cote d'Argent im Südwesten Frankreichs: Jedes Jahr im Spätsommer gibt sich die internationale Surfer-Elite ein Stelldichein in jenem Küsten-Ort, der für Wellenreiter aus aller Welt seit Urzeiten das europäische Mekka darstellt. In der Woche, in der die Association of Surfing Professionals (ASP) in Hossegor Station macht, befindet sich die Region in unmittelbarer Nähe zum Baskenland im Ausnahmezustand. Das Quiksilver Pro France-Event, ein zur Weltmeisterschafts-Tour gehörender Surf-Wettbewerb, elektrisiert eine ganze Szene. Und auch die Superstars, wie Kelly Slater aus den USA, der Hawaiianer Andy Irons oder Taj Burrow, die sonst eher an australischen, südafrikanischen und amerikanischen Beachbreaks um Punkte kämpfen, haben Hossegor längst in ihr Surfer-Herz geschlossen: "Die Fans kommen aus ganz Europa hierher und sorgen für eine unbeschreibliche Atmosphäre, die auf der Tour ihresgleichen sucht", sagt Taj Burrow, der Mann von Down Under.

Die Wellen an der Cote d'Argent gehören zu den besten der Welt, sie treffen aus extrem tiefem Wasser auf den Strand. Bei einem zu großen Swell, sind die meisten Spots für Hobby-Surfer aber schlichtweg Tabu. Die Gefahr, die in einer Mischung aus Hydraulik und Geschwindigkeit besteht, wäre für sie einfach zu groß. Für die Profis dagegen wird es dann erst richtig interessant. Und genau aus diesem Grund pilgern die Massen regelmäßig Ende September nach Hossegor. Ihren Idolen dabei zuzuschauen, wie sie ihre ganze Energie auf den einen Moment fokussieren, um die gigantischen Wellen zu bezwingen. Das ist es, was für sie die Faszination des Profi-Surfens ausmacht. "Ich kann manchmal nicht glauben, dass die Jungs da immer wieder lebendig herauskommen", kommentiert ein aus dem nahen Spanien angereister Fan den Ritt seines - des Szene-Idols - Kelly Slater.

"Der Ozean ist überall der gleiche"

Die Artisten auf den schmalen Brettern, die für sie die Welt bedeuteten, kennen keine Ängste. Vertrauen in die eigene Leistungsstärke, Kontrolle über den Körper und eine gehörige Portion an Erfahrung, das sind die Dinge, aus denen die Surfer ihre Sicherheit ziehen. Die Gesetzmäßigkeiten - oder sagen wir besser Unregelmäßigkeiten - der Ozeane scheinen für sie nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. "Wenn du lernst, wie man eine Welle wirklich gut surft, am besten eine, welche die ganze Bandbreite der fundamentalen Gesetze bietet, dann kannst du überall hingehen. Der Ozean ist überall der gleiche", sagt der hawaiianische Extrem-Surfer Laird Hamilton im Interview mit der Schweizerischen Szene-Zeitschrift "7sky".

Wäre da nicht der Charme eines typisch-südwestfranzösischen Badeortes mit langer Promenade und heruntergekommener Häuserfassade, könnte man meinen, dass Hossegor in der Zeit des Quiksilver Pro France Events in Kalifornien liegt. Wer der englischen Sprache nicht mächtig ist, hat hier eigentlich nichts verloren. Die Surfer auf der Tour kommen fast ausschließlich aus den USA, Hawaii und Australien. Und auch ihre Anhängerschaft kommuniziert untereinander in der offiziellen Wellenreiter-Sprache. Da geht es um "impact zone", um "right und left hander", "line ups", "duck dives" und "tube rides". Alles Begriffe, die Positionen und Figuren der Protagonisten im und auf dem Wasser beschreiben. Die Regeln sind relativ simpel: In so genannten "Heats", das sind jeweils halbstündige Ausscheidungsrennen, treten zwei Profis gegeneinander an. Eine Landjury beurteilt die Fahrkünste der Surfer, die sich abwechselnd dem Kampf mit den Wellen stellen. Derjenige, der mehr Punkte erzielt, kommt eine Runde weiter.

Bad Boy Andy Irons in Hossegor ganz oben

Das Publikum in Hossegor, genauer gesagt am berühmten Spot 'La Graviere', beurteilt die Darbietungen der Akrobaten mit großem Enthusiasmus – es ist vor allem davon fasziniert, dass die Surfer auf dem Brett scheinbar kleben. Und obwohl ihr Liebling, der sechsmalige Weltmeister, Kelly Slater dieses Mal bereits im Viertelfinale ausscheidet, tut das der überragenden Stimmung keinen Abbruch. Im Finale ist es schließlich Slaters ewiger Rivale und Bad-Boy der Szene, Andy Irons, der sich gegen den Amerikaner Damien Hobgood durchsetzen kann und wenig später den Siegerscheck in Höhe von 30.000 US-Dollar auf dem Podium des großen Quiksilver-Festzeltes entgegen nimmt. "A.I", wie der 27-jährige Irons nur gerufen wird, lässt sich anschließend von der Surf-Gemeinde feiern, Bier- nicht etwa Champagnerdusche inklusive. Für den Champion der vergangenen drei Jahre ist es ein Prestige-Erfolg. Dass er und nicht der designierte Weltmeister Slater in Hossegor auf dem obersten Treppchen steht, ist für Irons fast noch wichtiger als die Höhe der Siegprämie.

Profisurfen ist ein Individualisten-Sport, und das vor allem auf dem Wasser. Mal abgesehen von der von den Medien und Sponsoren dankbar registrierten Rivalität zwischen den beiden Superstars Kelly Slater und Andy Irons, sieht die Welt an Land dagegen ganz anders aus. "Die World Championship Tour ist eine Art Kampfzone, aber sobald wir die Bretter abgestellt haben, sind wir wieder eine große Familie", sagt Taj Burrow, der es beim Quiksilver Pro France immerhin bis in die Vorschlussrunde gebracht hat. Und in der Tat: der neutrale Betrachter kann sich in Hossegor davon überzeugen, dass es die viel beschriebene Surf-Romantik immer noch gibt. In der legendären Kult-Bar "Rock-Food" wurde im Anschluss an den letzten Wellenritt bis in die frühen Morgenstunden ausgelassen gefeiert – Profis Seite an Seite mit ihren Fans, die Helden der Ozeane kennen keine Berührungsängste. Bei handgemachter amerikanischer Westküsten-Musik wurde gemeinschaftlich über den ultimativen Surfer-Traum, den Ritt auf der perfekten Welle, philosophiert. Und dass auch der alte Surfergruß noch längst nicht ausgedient hat, wurde spätestens beim Abschiednehmen deutlich: "See you next year" hieß es da immer wieder und "Hang loose!".

PRODUKTE & TIPPS