Mimizan ist außerhalb des Strandes eine Geisterstadt. In dem französischen Badeort sind die Bürgersteige hochgeklappt und die meisten Läden geschlossen. Nur "Plage Remember" werden vom 10. bis zum 18.Oktober noch die Hütten gerockt, Strand und Campingplatz sind bevölkert von einer Horde Deutscher, die undeutscher nicht sein könnte. Die Nationalität heißt "Surfer" und was sie verbindet, ist zuerst der Sport und dann der Pass. Kaum einer aus dem deutschen Team lebt in Deutschland und viele sprechen ihre Sprache mit Akzent.
Es ist eine wilde Horde sportlicher junger Menschen mit dicken Kapuzenpullis, bequemen Hosen und von Sonne und Salz ausgeblichenen Haaren. Unter den weiten Klamotten liegen stromlinienförmige Muskeln, die sich erst kurz vor den Wettkämpfen, den "Heats" in den engen Neoprenanzügen abzeichnen. Zum 10. Mal finden die deutschen Meisterschaften im Wellenreiten statt. Zum ersten Mal in Mimizan. Jan Groenendijk, Präsident des Deutschen Wellenreitverbandes (DWV) hat den Ort ausgesucht und auch für die nächsten Jahre für die DM vorgesehen. Für den jungen Mann die DM trotz aller Arbeit vor allem ein Fest: " Wenn ich mich hier so umschaue", verkündet er beim abendlichen Meeting. "Dann würde ich Euch auch alle zu meiner Geburtstagparty einladen."
Information
Deutscher Wellenreit Verband
Lichtstrasse 43 Halle D
50825 Köln
Tel.: 0221 285849-40
38 Avenue de la Cote d´Argentv 40200 Mimizan Plage
Tel.: 0033(0)-58090942
Donnersbergring 18
64295 Darmstadt
Tel.: 0049-171-4929018
Wer auf dem "Planet Surf" lebt, kennt keine Landesgrenzen. Die gleiche Mucke hört man ohnehin. Die Haare sind ausgeblichen, die Schnitte über den Ohren verwuselt. Wer surft, gehört zur Gemeinde. Basta. Den Trend haben die Sportbekleidungsmarken nicht verschlafen. Wettkampfsurfen ist ohne die großen "Brands" nicht denkbar, die DM wird von Quiksilver unterstützt. Jeder der hier angetretenen Surfer steht bei einer der bekannten Marken auf der Sponsorenliste. Für die Kids ist die Nähe zur Industrie kein Problem, gesellschaftliche Veränderungen versucht der Surfer über seine sprichwörtlich gute Laune zu bewirken. "Die Zeit der Punksufer ist vorbei", weiß Jan Groenendijk. "Die Anzahl der deutschen Surfschulen an den europäischen Stränden wächst stetig."
Surfen liegt bei den deutschen Kids im "Bravo Trendbarometer" auf Platz fünf. "Surfen ist der Boomsport der letzten Jahre. Surfen kann man nicht vor der Haustür, deshalb wächst die Sportart langsamer als Skateboarden, aber das ist auch gesünder. Es gibt seit der Beachboy Bewegung der sechziger Jahre einen stetigen Aufwärtstrend in Deutschland und der hat keinen Knick."
Jan Groenendijk muss es wissen, als Veranstalter der DM ist er selbst surfmäßig angefixt. Der Sohn einer Deutschen und eines Holländers hat mit 14 nach einem Fernsehfilm beschlossen, Surfer zu werden. Mit Zeitungsaustragen und Rasenmähen verdiente er das Geld für seinen ersten Surfkurs. Auf dem deutschen "Planet Surf" bewegt sich der Kommunikationsmanager auch im größten Stress gelassen. Alle Helfer bei der DM sind ehemalige Schulfreunde, Freunde und Verwandte. Seit zwei Jahren ist er der Präsident des DWV.
Gesurft wird in den Disziplinen Longboard, Shortboard und Bodyboard. Und das verteilt auf verschiedene Altersklassen. Erstmalig startet in diesem Jahr auch eine "Grandmaster" Klasse. Gestandene Männer, deren austrainierte Oberkörper gut auf ein "Men´s Health" Cover passen würden. Sprecher Florian weist die Richter per Mikrophon an, die Männer in dem oktoberkalten Wasser doch bitte nicht zu lange warten zu lassen. Deren Gelenke würden sonst zu schnell verkalken. Der neue Deutsche Meister in dieser Klasse heißt Rasmus Zaurins und wohnt in Hamburg Barmbek. Ein echter Deutscher – aber nicht gerade ein Wohnort mit Traumstrand. Seinen Sieg kommentiert Sprecher Florian neidlos: "So kann man aussehen, wenn man im hohen Alter noch surft."
Streitet sich ein Surfer mit einem anderen, dann geht es fast immer darum, wer wem die Welle weggenommen hat. Im Wettkampf wird das von den "Judges", den offiziellen Richtern geahndet. Eine geklaute Welle gibt eine "Interference" und kann locker den Sieg kosten. Der hiesige Supermarkt hat seine Kassenbons mit dem Logo der Deutschen Meisterschaft bedruckt. Mimizan freut sich über die friedliche Horde am Ende der Saison. Einmal täglich kommt der Bürgermeister vorbei und erkundigt sich, ob alles in Ordnung sei. Auf abendlichen Ausflügen "um die Häuser" mischen sich die deutschen Surf Kids mit den Einheimischen, den Locals, auch oft Surfer im Nebenberufe."
Am Samstag werden die letzten Finale ausgesurft. Damen und Herren Long- und Shortboard. Anders als auf den vorhergehenden Jahren wird die Spannung gehalten. Auf der großen Party am Abend erfahren die neuen deutschen Meister ihre Siege. Überraschend sind die Ergebnisse nicht. Bei den Damen dominiert seit 10 Jahren Powersurferin Sonja Hönscheid, geboren auf Sylt, wohnhaft auf Fuerteventura. Konkurrenz bekommt sie aus dem eigenen Stall. Die neun Jahre jüngere Schwester Janni wurde in den Disziplinen Long- und Shortboard Zweite hinter ihrer Schwester. Bei den Seniors, den Männern ab 28, siegte, neben Rasmus noch ein geborener Hamburger: Tim Schubert lebt auf Sylt und ist mit der Familie angereist.
Die Party nach den Preisverleihungen wird genauso nass, wie das Element, in dem die Kids tagsüber surfen. Literweise Sekt und Bier ergießen sich in Schaumkaskaden über alles, was in die Nähe der Bühne kommt. Die Surfer feiern sich feucht. Grandmaster Rasmus kommentiert seinen Sieg mit den Worten: "Surfen hinterlässt keine Spuren auf dem Wasser, aber in deinen Gedanken." Speaker Florian ergänzt: "Mann, in Deinem Alter bin ich froh, wenn ich überhaupt noch an den Strand komme."