Nein, er will Joséphine nicht mehr sehen. Nie mehr. Es ist aus und vorbei. Er wird sich scheiden lassen.
Was war das für eine Demütigung in Ägypten! Glühend verliebt hatte Napoleon sich in Paris von seiner Frau verabschiedet. War dann monatelang mit seinen 40.000 Soldaten und 200 Schiffen unterwegs, um diese arroganten Engländer irgendwie über den Umweg einer Eroberung an den Verhandlungstisch zu zwingen. Sie sollten endlich das neue Europa anerkennen. Ein gefährlicher Job war das. Fast wäre der 28-jährige General dabei draufgegangen.
Aber er gewinnt die Schlacht bei den Pyramiden und lässt – wie André Maurois in seiner Napoleon-Biografie schreibt – all seine Juristen, Verwaltungsbeamten, Pädagogen, Forscher, Ärzte, Künstler und Schriftsteller, die der Stratege mit auf den Feldzug genommen hat, ausschwärmen. Und schafft mit ihnen ein modernes Ägypten – streng islamisch mit französischem Touch.
Ja, er ist stolz. Stolz auf seine Begabung und seinen Erfolg. Lässt Hieroglyphen entziffern, medizinische Stationen einrichten, hält seine Truppen mit Theater und Straußenjagden bei Laune, trägt auch Turban und orientalische Gewänder, diktiert Depeschen im Stil, den er für morgenländisch hält, wäre, wenn man es von ihm erwartet hätte, sogar Mohammedaner geworden. Und er schreibt Liebesbriefe an Joséphine.
Aber dann kommt die Nachricht aus Paris: Seine Frau betrügt ihn. Schon wieder. Dabei hatte sie ihm nach dem letzten Seitensprung geschworen, treu zu sein. Und nun? Vergnügt sie sich in Paris, macht Schulden, kauft mal eben Schloss Malmaison, tanzt in durchsichtigen Roben und liegt in den Armen dieses jungen Oberleutnants Hippolyte Charles. Napoleon ist außer sich. Brüllt seinen Sekretär an: Ich werde all diese Laffen und Stutzer vernichten! Und dann die Scheidung einreichen. Jawohl, eine Scheidung!
Doch zum Zorn kommt die Verzweiflung. Seinem Bruder Joseph schreibt er, wie unglücklich er ist: Alle Gefühle sind verdorrt. Der Ruhm schmeckt fade. Er möchte nur noch allein sein. Sein Bruder soll ihm ein Landhaus besorgen, egal wo, nur weg von Joséphine.
Dieser Brief wird vom englischen Belagerer Admiral Nelson, der Napoleons Flotte kurz zuvor in der Bucht bei Abukir vernichtet hat, abgefangen und nach England geschickt. Am 24. November 1798 erscheint er im Londoner „Morning Chronicle“. Und schon ein paar Tage später lachen in Paris Außenminister Talleyrand, Polizeichef Fouché und alle Gegner und Feinde über den gehörnten kleinen General. Napoleon kann viel vertragen, nur keinen Spott. Und so nimmt er sich denn aus Wut, aus Trotz und verletzter Eitelkeit eine Geliebte.
Es sind ja genug Französinnen in der Armee, Wäscherinnen, Näherinnen, Köchinnen. Und Pauline Fourès ist eine entzückende Blondine. Er liebt sie nicht, aber sie erfüllt seinen Zweck. Er fährt im offenen Wagen mit ihr durch Kairo. Und trotz der englischen Blockade, schreibt Vincent Cronin in seiner Napoleon-Biografie, erfährt Joséphine, dass der Eroberer Ägyptens eine Kleopatra hat.
Als Napoleon am 16. Oktober 1799 um sechs Uhr früh nach fast eineinhalb Jahren zu Hause ankommt, ist niemand da. Den Heimkehrern aus Ägypten ergeht es wie denen von Troja, sagt er zu seinen Begleitern. Deren Frauen waren ja genauso treu.
Joséphine kommt zwei Tage später völlig aufgelöst in der Rue de la Victoire an. Sie war ihrem Mann über Burgund entgegengereist, wollte ihn abfangen, bevor seine Familie mit Mutter, Brüdern, Schwestern über sie herziehen konnte. Doch er war über Nevers gekommen. Nun fleht sie um Vergebung. Aber Napoleon hat sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Er will sie nicht sehen. Joséphine weicht nicht von der Schwelle. Sitzt die ganze Nacht bittend und buhlend vor seiner Tür. Sie liebe doch nur ihn. Das mit Hippolyte sei längst vorbei. Der habe sie auch nur beschützt und begleitet.
Beschützt? Begleitet? Er hat sich doch erkundigt. Hat nachgefragt. Hat von allen Freunden die eine vernichtende Antwort bekommen. Nein, er bleibt hart, und die Tür bleibt zu. Bis zum frühen Morgen.
Da greift Joséphine zum letzten Geschütz. Sie holt – wie Stefan Gläser in seinem Buch "Frauen um Napoleon" schreibt – ihre beiden Kinder aus erster Ehe, Eugène und Hortense, die Napoleon liebt, als wären es seine eigenen. Joséphine und die Kinder heulen nun selbdritt – bis der Feldherr kapituliert. Als Lucien Bonaparte seinen Bruder um die Mittagszeit besuchen und ihn über die Untreue seiner Frau aufklären will, empfängt der Feldherr ihn im Bett – mit Joséphine.
Angefangen hatte alles im Spätsommer 1795. Napoleon kommt damals als Brigadegeneral ohne Arbeit arm und stolz wie ein Schotte in ein vergnügungssüchtiges Paris, in dem Paul Barras eine glänzende Rolle spielt. Er ist der große Mann im Convent, ein Wüstling mit Hang zu Korruption und schönen Frauen, und die lustige Witwe Rose de Beauharnais ist seine Mätresse.
Als die Royalisten einen Angriff auf die amtierende Regierung planen und 25.000 Pariser zu den Waffen greifen, übergibt Barras dem jungen Bonaparte das Kommando über 6000 Mann. Er soll damit die Tuilerien verteidigen, den Regierungssitz, eine Aufgabe wie David gegen Goliath. Aber der Kämpfer aus Korsika stellt seine wenigen Kanonen so klug auf, dass er die Reaktion niederschlägt. Von da an wird der dünne, etwas verhungert aussehende Retter des Vaterlandes wie eine Trophäe herumgereicht und aufgepäppelt. Eines Tages lernt er Rose de Beauharnais kennen, die er Joséphine nennen wird und die ihr Leben beinahe unter der Guillotine gelassen hätte.
Ihr adeliger Mann war bei Hofe ein- und ausgegangen und wurde im März 1794 auf Befehl Robespierres verhaftet, Rose im April; er im Juli hingerichtet, sie Anfang August plötzlich freigelassen, weil Robespierre inzwischen selbst unter der Guillotine gelandet war. Ihr Freund Tallien war jetzt an der Macht, das war ihre Rettung.
Tallien und Barras helfen der schönen Witwe. Sie schlagen für die viermonatige Haft eine hübsche Entschädigung heraus. Mit dem Geld kann sie ein herrschaftliches Haus anzahlen.
Der 26-jährige Napoleon verliebt sich heftig in die eigenwillige, zarte Person, die 32 Jahre alt ist und zwei Kinder hat. Sie ist eine Verführerin, hat eine herrliche Haut, Charme, ist fröhlich, schlagfertig, kultiviert, elegant, vor allem aber gutherzig, und findet alles drôle, alles drollig. Dass sie so merkwürdig lacht, so durch die Lippen prustet, liegt an ihren schlechten Zähnen. Ein paar sind schon ganz schwarz. Die zeigt man besser nicht.
In ihrem Haus gibt es die vorzüglichsten Delikatessen. Wo kriegt sie die nur her? Lebensmittel sind doch rationiert. Die Leute hungern wie vor der Revolution. Napoleon selbst hat so manches Brot gegessen, das mit Sägemehl und Kastanien gebacken war. Aber bei Rose gibt es Wild und Geflügel und Obst aus Übersee. Als Napoleon erfährt, dass Paul Barras all die Köstlichkeiten anschleppt und dafür von Rose belohnt wird, ist er geschockt und meidet das Haus in der Rue Chantereine.
Er ist schon ein merkwürdiger Zeitgenosse, dieser junge Krieger. Glaubt an die Liebe. Glaubt mitten in der Französischen Revolution, wo jeder nimmt, wen er kriegen kann, an Hingabe, Treue und Ewigkeit.
Welch ein Romantiker ist dieser General, der eher aussieht wie ein armer Poet mit seinen langen, strähnigen, schlecht gepuderten Haaren, mit seiner schlampigen Kleidung und der nachlässig um den Bauch geknoteten Trikolore.
Und welch ein Reaktionär in dieser Zeit des Aufbruchs. Frauen, sagt er, sollen handarbeiten, ihre Männer lieben und Kinder erziehen. In der Politik haben sie nichts zu suchen, intrigieren nur. Und Prostituierte verursachen ihm Übelkeit, schon vom bloßen Angestarrtwerden durch diese Frauen fühlt er sich beschmutzt.
Und Rose? Lässt sich aushalten. Ist die Mätresse eines Konvent-Mitglieds. Schrecklich ist ihm das. Sie suchen eine Freundin nicht mehr auf, die Ihnen zugetan ist, schreibt Rose. Sie tun unrecht daran, denn sie ist Ihnen zärtlich verbunden. Kommen Sie morgen...
Und er kommt. Und gibt ihr einen neuen Namen. Joséphine. Er will sie allein für sich, bedrängt sie, macht keine Geschenke wie Barras, kann er gar nicht, woher das Geld nehmen. Er schenkt sich selbst. Und eines Nachts im Januar 1796 erhört sie ihn, diesen Schwärmer, der nur von ihr spricht und von Artillerie.
Nein, Joséphine liebt Napoleon nicht. Er ist ihr auch zu wild und fordernd. Das hat sie doch alles hinter sich. Aber er zieht sie an, weil er nicht rumschwätzt, sondern redet. Weil er alles will – sonst nichts. Und seine Briefe sind wie Stürme. Ich bin ganz von Dir erfüllt aufgewacht, schreibt er morgens um sieben Uhr nach der ersten gemeinsamen Nacht, und in drei Stunden werde ich Dich sehen. Bis dahin, mio dolce amor, tausend Küsse; aber küsse Du mich nicht, denn Deine Küsse versengen mein Blut. So einen Brief hat Joséphine noch nie bekommen. Der ist ja völlig durchgedreht, dieser stürmische General Bleichenwang. Was bedeutet denn so eine Nacht schon. Spaß, Genuss, Sinnlichkeit und aus. Und morgen ist ein anderer dran. Aber doch bitte keine deklamierten Gefühle. Das verdirbt ja die Lust an der Liebelei.
Liebelei? Nicht bei Napoleon. Der liebt sie abgöttisch, hingebungsvoll, schreibt täglich glühende Liebesbriefe, trägt ihr Porträt in der Brusttasche und zieht es in Gesellschaft, ja sogar vor seinen Soldaten raus, um es zu küssen.
Und gerade hat er die herzzerreißende Liebesromanze „Paul et Virginie“ von Saint-Pierre verschlungen, in der die Liebe so sauber und so tugendrein beschrieben wird und doch so tragisch endet. Er will, dass seine Liebe glücklich endet. Und alles soll seine Ordnung haben. Und eine ordentliche Liebe endet in einer gesitteten Ehe. Er hält um Joséphines Hand an. Einen solchen Antrag lehnt sie mit 32 Jahren und ohne feste Einkünfte natürlich nicht ab. Heute ist sie noch die Mätresse von Barras. Aber was ist morgen?
Als Barras von Napoleons Antrag hört, ist er begeistert. Er sucht doch längst einen Weg aus Roses Bett. Also, wenn Napoleon sie heiratet, lässt er dem kleinen General ausrichten, bekommt er von ihm als Hochzeitsgeschenk die Alpenarmee, von der er doch seit Monaten träumt.
Am Abend des 9. März 1796 heiraten Joséphine und Napoleon im Palais eines hingerichteten Aristokraten. Joséphine trägt ein geblümtes Mousseline-Kleid mit hoher Taille, Napoleon die goldbetresste blaue Uniform. Er kommt zu spät. Der Standesbeamte, ein alter Krieger mit Holzbein, ist hinterm Ofen eingeschlafen. Napoleon rüttelt ihn wach. Bürger, sagt er, trauen Sie uns rasch.
Nach der Zeremonie fährt das Paar durch die kalte Märznacht ins warme Heim von Joséphine. Hier übergibt der verliebte Gatte sein Hochzeitsgeschenk, eine zarte Goldkette mit Emailleplakette, auf der au destin steht, denn das Schicksal, so sagt er ihr, habe sie schließlich zusammengeführt.
In der Hochzeitsnacht wird es eng im Bett, denn außer dem Brautpaar liegt noch Fortuné in den Seidenkissen, der Mops von Madame. Fortuné hat Narrenfreiheit. Seit er seinem Frauchen während der Zeit im Gefängnis Nachrichten am Halsband in die Freiheit geschmuggelt hat, ist sein Platz im Bett neben Joséphine unbestritten. Und als der General zum Angriff bläst, springt der Köter mit Gebell dazwischen und beißt den Eroberer ins Bein. Die Flitterwochen dauern zwei Tage, an denen Napoleon Kriegsbücher liest. Am Abend des 11. März reist er in einer leichten, schnellen Kutsche nach Nizza, seiner Italienarmee entgegen. Joséphine soll so bald wie möglich nachkommen.
Doch sie kommt nicht. Ihr Mann rückt in Mailand ein und wartet liebeskrank auf Briefe. Aber sie schreibt nur dann und wann und lustlos. Ist auch faul.
Du Grausame, schreibt er ihr. Wenn sie ihn liebte, würde sie zweimal am Tag zur Feder greifen. Aber sie sitzt sicher von früh bis Mitternacht mit irgendwelchen Gecken zusammen und hört sich deren Geschwätz an. In Ländern, wo es noch so etwas wie gute Sitten gibt, ist um zehn Uhr jedermann zu Hause. Aber in solchen Ländern schreibt man auch noch seinem Mann. Es sind feurige Leidensbriefe, und sie enden meist mit der Frage, warum sie nicht zu ihm nach Italien kommt.
Eines Tages, als Napoleon wie immer ihr Bild aus der Brusttasche zieht, ist das Glas zerbrochen. Er erbleicht, ist, wie alle Korsen, abergläubisch. Entweder ist meine Frau krank, sagt er tonlos zu seinem Adjutanten, oder sie betrügt mich.
Sie betrügt ihn. Aber sie lässt ihm ausrichten, dass sie sich nicht wohlfühlt. Möglich, dass sie schwanger ist. Ja, es scheint ganz so. Vielleicht lässt er sie nun endlich mit dieser Italienreise in Frieden.
Aber Napoleon will sie nun gerade sehen. Ich möchte mir sehnlichst ein Bild davon machen, wie du Kinder trägst. Sie soll Barras um Sonderurlaub bitten. Er will sofort nach Paris kommen. Die Zeit ist günstig, denn er hat gerade Frieden mit dem Piemont geschlossen.
Aber er bekommt keinen Urlaub. Und Joséphines Briefe sind kurz und kühl. Da fragt Napoleon sie: Hast du einen Liebhaber?... Wenn ja, dann hast du Ursache, Othellos Faust zu fürchten.
Der Liebhaber ist schon damals jener hübsche Husar Hippolyte Charles, ein lustiger Bursche, der dauernd Witze erzählt, rote Lederstiefel mit Bommeln trägt und seinen Rotfuchs so herrlich lässig über die Schulter wirft. Er wird sie in der Kutsche nach Italien begleiten, als ihr keine Ausrede mehr einfällt. Und Napoleon ist selig, als er sie in Mailand endlich in die Arme nimmt. Aber sie hat ja gar keinen Bauch! Ja, richtig, hatte sie ganz vergessen. Sie ist nicht schwanger. Es war eine Unpässlichkeit.
Eine Unpässlichkeit? Napoleon ist enttäuscht. Aber sie ist nun endlich da, und er ist verliebt wie nie. Sieht auch nicht, dass dieser Hippolyte Charles dauernd im feudalen Palazzo Serbelloni, wo Napoleon und Joséphine residieren, um sie herumscharwenzelt. Er sieht nur seine schöne, zarte Frau, schläft beglückt mit ihr und zieht dann berauscht in die nächste Schlacht, gewinnt sie bei Arcole und Rivoli und schreibt Joséphine nach Mailand, er sehne sich danach, den letzten Chiffonschleier von Deinem Körper zu streifen, Deine Pantoffeln und alles, und... Dich an mich zu reißen, ganz zu umschließen und in meinem Herzen gefangenzusetzen!
Zwischen den Schlachten führt er seine Frau stolz in die große Gesellschaft ein, begleitet sie in die Oper, lässt sich ihr zuliebe von dem jungen Maler Antoine Gros porträtieren. Aber nur, weil er bei den Sitzungen auf Joséphines Schoß sitzen darf. So entsteht eines der berühmtesten Bilder des Generals: Napoleon auf der Brücke von Arcole, mit Schärpe, Säbel und Trikolore – vorwärtsstürmend.
Es sind wohl die glücklichsten Wochen, die der junge Eroberer mit Joséphine verlebt. Und die schreibt an eine Freundin: Mein Mann liebt mich nicht, er vergöttert mich. Ich glaube, er wird noch verrückt. Sie ist überrascht, was in wenigen Monaten aus ihrem petit caporal geworden ist, wie er verehrt wird, wie er befiehlt und wie sie ihn hofieren. Aber sie sehnt sich nach Paris.
Nach seiner Rückkehr aus Italien bekommt Napoleon den Oberbefehl über die Armee gegen England. Es ist das einzige Land, das sich noch im Krieg mit Frankreich befindet. Aber eine Invasion mit 100.000 Mann? Ist gar nicht zu schaffen. Also heißt der Plan: Ägypten erobern, um England zu treffen. Kurz vor seiner Abreise kommt es zu einem gewaltigen Krach. Joséphines Zofe und vor allem Napoleons Familie klären den liebesblinden General über seine Frau auf. Eine Verschwenderin ist sie, kauft die teuersten Stoffe und rennt in durchsichtigen und tief dekolletierten Kleidern rum. Und sie hat seit langem ein Verhältnis. Napoleon stellt sie zur Rede. Sie streitet ab, er hat Zeugen, sie ist zerknirscht und schwört ewige Treue. Er schmilzt, vergibt und reist an den Nil. Sie wird rückfällig. Er will sich scheiden lassen. Das Ende ist jene Versöhnung im Bett.
Napoleon steigt auf. Wird nach einem Staatsstreich 1. Konsul. Bewohnt mit Joséphine die Residenzen der Könige. Errichtet einen Polizeistaat. Überwacht die Presse. Wenn eine Zeitung gegen ihn schreibt, wird sie beschlagnahmt. Der Zyniker glaubt zu wissen, was Franzosen gefällt: Ruhm geht ihnen vor Freiheit.
Ein Menschenverachter ist er geworden. Sagt von sich: Im Herzen bin ich ein alter Mann. Da ist er 31. Mit 35 krönt er sich selbst zum Kaiser der Franzosen. Und er schlägt Schlachten. Bei Trafalgar, bei Austerlitz, bei Jena und Auerstädt, bei Friedland. Er besetzt Spanien und schenkt all seinen Geschwistern Königreiche.
Er schleppt Beutekunst nach Frankreich, füllt den Louvre auf, und Joséphine nimmt sich so manches berühmte Gemälde für die kaiserlichen Domizile in den Tuilerien, St. Cloud, Rambouillet, Fon-tainebleau und Malmaison.
Vor allem aber nutzt er neuerdings jede Gelegenheit, um mit anderen Frauen zu schlafen, mit Tänzerinnen, Sängerinnen, Schauspielerinnen und Joséphines Hofdamen. Er ist dabei kein Charmeur und kein Verführer. Er ist ein Forderer und Grobian. Madame, gehen Sie, schminken Sie sich, Sie sehen aus wie eine Leiche!, sagt er der einen. Oder: Madame, man sagte mir, Sie seien hübsch.
Stendhal, der Dichter von "Le Rouge et le Noir", der damals Verwaltungsbeamter in Napoleons Armee ist, beschreibt so ein amouröses Abenteuer des Kaisers: Er sitzt an seinem kleinen Schreibtisch, das Schwert an seiner Seite, und unterzeichnet Dekrete. Dann wird eine Dame angekündigt. Ohne aufzusehen, bittet er sie, doch schon mal im Bett Platz zu nehmen. Nach dem Akt begleitet er sie mit einem Leuchter aus dem Schlafzimmer und macht sich sofort wieder an die Arbeit. Der wesentliche Teil des Rendezvous, schreibt Stendhal, hatte keine drei Minuten gedauert.
In Europa tuschelt man über Napoleons kinderlose Ehe. So viel der Kaiser auch über seine Fünf-Minuten-Amouren schwätzt, man fragt sich, ob der Eroberer impotent ist. Joséphine ist dankbar für diese Vermutung, verbreitet sie auch munter weiter, denn Napoleon spricht bereits von Scheidung aus Staatsräson. Sie kann immerhin zwei Kinder vorweisen.
Bis 1809 hält Joséphine ihre Ehe mit Tricks und Tränen aufrecht. Dann eröffnet ihr Napoleon am 30. November, dass die Scheidung beschlossen ist. Unwiderruflich. Ein letztes Mal fällt die schöne Gattin gekonnt und elegant in Ohnmacht. Es nützt nichts mehr. Am 15. Dezember wird die Ehe im Thronsaal aufgehoben. Sie hat 15 Jahre meines Lebens verschönt, sagt Napoleon bewegt in einer kleinen Ansprache. Als Joséphine antworten will, ertrinken ihr die Sätze in einem Meer von Tränen.