Manchmal kommt der Kampf gegen den Hunger ziemlich einfach daher – in Form eines kreisrunden Beetes. Es ist Herbst in Kinakoni, jenem Dorf in Kenia, dessen Bewohner mit stern und Welthungerhilfe nach Lösungen gegen den Hunger suchen, und die Lage ist kritisch.

Wie in weiten Teilen Ostafrikas sind auch in Kinakoni mehrere Regenzeiten fast komplett ausgefallen. Auch das Bett des Itumba, des Flusses von Kinakoni, liegt trocken, doch mitten in dieser Schlange aus Sand wächst Hoffnung heran. Bohnen, Kohl, Tomaten: All das hat Peter Mulwa, er lebt in der Nähe, in einem runden Beet um seinen Brunnen angepflanzt. Schon bald wird er ernten können – zu einer Jahreszeit, in der das sonst nicht möglich war.
Das Prinzip ist simpel. Seit jeher graben die Familien in der Trockenzeit Wasserlöcher in das Flussbett. Agrarexpertinnen des kenianischen Forschungsinstituts Latia brachten eine Idee auf: Warum legt man nicht einfach um die Brunnen nach Pflanzenarten gestaffelte Beete an?

Peter Mulwa war einer der ersten, der dem Rat gefolgt ist. Inzwischen leuchten rund ein Dutzend Beete im trockenen Fluss. Dahinter steckt die Idee des Projektes: Nicht allein Experten aus Europa bringen die Lösungen, sondern Kenianer und Kenianerinnen selbst, Forscher oder auch junge Firmen aus dem Umkreis von Nairobi – so wie Latia.
Ein gutes Jahr ist vergangenen, seit stern und Welthungerhilfe gemeinsam mit den Menschen aus Kinakoni begonnen haben, nach Lösungen gegen den Hunger zu suchen. Schon in diesem Jahr ist viel erreicht worden – auch dank der Spenden von Leserinnen und Lesern. Unter anderem: Zwei große Tanks sind errichtet worden, um Regenwasser zu speichern. Ein Pilotversuch eines Tourismus-Start-ups brachte einheimische Gäste ins Dorf. Die Sanierung der Grundschule wurde begonnen. Über all das informieren wir auch über unsere Website und einen TikTok-Kanal. Vor allem aber auf der Verbesserung der Erträge in Zeiten des Klimawandels liegt der Fokus.

Die Beete sind dabei nur ein kleiner Baustein, wortwörtlich. Denn mitten im Dorf entsteht ein Fußballfeldgroßer Versuchsacker. Auch auf Basis von Bodenproben werden hier Experimente gestartet: Welche Pflanzen bringen die besten Erträge?

Läuft alles nach Plan, werden die jetzt noch braunen Furchen demnächst von ganz verschiedenen Nutzpflanzen bedeckt sein. Und was sich bewährt, so die Idee, das soll den Menschen von Kinakoni und anderen Dörfern als Modell dienen.
In Kinakoni haben schon jetzt Familien begonnen, mit neuen Methoden zu experimentieren. Makali und Lina Kilii etwa, die der stern seit Beginn des Projekts begleitet, haben auf ihrem Feld ein Rechteck abgegrenzt, Furchen gezogen und "Cow Peas"-Sämlinge angepflanzt – eine Bohnenart, die mit Trockenheit klar kommt.
Die Anregung kam von ihrem Sohn Kennedy. Der 20-Jährige gehört zu einer Gruppe von Jugendlichen, die mehrere Monate lang auf dem Latia-Campus bei Nairobi ausgebildet wurden. Noch allerdings ist das neue Beet ziemlich klein – und der staubtrockene Acker, der es umgibt, ziemlich groß. Denn die Dürre in Ostafrika ist dramatisch. Auch Kinakoni zählt zu den Regionen, deren Ernährungslage nach Definition der Vereinten Nationen als kritisch gilt. Was zum Beispiel heißt: Es gibt nur eine Mahlzeit am Tag, abends.
Und auch das zeigte sich im diesem ersten Jahr des Projekts: Brücken zu bauen zwischen den Ideen in der Stadt und den Problemen auf dem Land, die Dynamik von Start-ups aus Nairobi nach Kinakoni zu bringen, bleibt eine Herausforderung – eine größere, als sich auch das Projektteam vor Ort anfangs dachte. Denn nicht immer lassen sich Lösungen übertragen. Und nicht jede Digitalisierungsidee hilft auch den Menschen von Kinakoni, etwa bei der Frage, wie das Problem des Wassermangels gelöst werden kann.
Manche Ideen des Anfangs wurden deswegen nicht weiterverfolgt, etwa die Zusammenarbeit mit dem Drohnen-Start-up Swiftlab. Denn so hilfreich es auch sein kann, auf kommerziellen Großfarmen mit Drohnen Felder zu kartieren oder auch Pestizide auszubringen, bei genauerer Untersuchung wurde klar, dass Aufwand und Nutzen in Kinakoni in keinem Verhältnis stehen.

Trotzdem erschließen sich die Menschen hier Bereiche, die vielen Dörfern bislang fremd waren, Computer und Internet. Auch dabei helfen andere Kenianer: Das Team des "STEM Impact Center Kenya" – "STEM" steht für Technik, Naturwissenschaften, Mathe. Trainer bringen Jungen und Mädchen spielerisch das Programmieren bei. Die Kinder sitzen vor Laptops und lernen, wie man die Roboter aus Lego-Steinen mit einfachen Befehlen in Bewegung setzt.

Um noch mehr Menschen aus Kinakoni an Computer heranzuführen, ist am Rand des Marktes ein IT-Zentrum angelegt worden – ein Raum, in dem jeden Tag Erwachsene wie Kinder mit Computern vertraut gemacht werden. Trainerin Virgina Mulwa hat sich das Knowhow vor einigen Jahren in Nairobi angeeignet, jetzt ist sie zurück im Dorf und gibt es weiter. "Der Andrang", sagt sie "ist einfach riesengroß."
