Energiewende Das Wärmepumpen-Desaster: Wie Fortschritt in Deutschland kaputtgeredet wird

Verpackte Wärmepumpen von Stiebel Eltron stehen im Lager
Wärmepumpen von Stiebel Eltron: Das Unternehmen stellt die Geräte seit 1976 her
© Moritz Frankenberg / Picture Alliance / DPA
Erst gehypt, dann verteufelt: Die Wärmepumpe geriet 2023 zwischen die Fronten von Politik, Lobbys und Boulevardmedien. Ein absurdes Lehrstück.
 

Wer durch die Hallen von Stiebel Eltron Holzminden läuft, käme nicht auf die Idee, dass die Wärmepumpe ein Problem hat. Es sind die letzten Wochen des Jahres, und 1500 Leute ackern im Werk des Heizungsbauers, was das Zeug hält. Es werden Kupferrohre verarbeitet, Lamellen montiert, überall rattert und rumort es. Mehrere Dutzend fertige Geräte verlassen pro Schicht den Betrieb in Niedersachsen, und doch scheint das Gebäude aus allen Nähten zu platzen: Ganze Paletten mit Teilen sind auf den Hof ausgelagert worden. 

Im Nachbargebäude allerdings sitzt Kai Schiefelbein, der Chef von Stiebel Eltron, und sagt nüchtern: "Das erste Halbjahr 2024 wird für uns ein bisschen hart werden." Schiefelbein ist studierter Maschinenbauer, die Herkunft aus dem Ruhrgebiet hört man dem gebürtigen Oberhausener deutlich an. Er sagt "für Nöppes", wenn etwas günstig ist, und "und ab dafür", wenn er etwas abhaken will. Und wenn etwas nicht gut läuft, dann redet er nicht lange drum herum: "Wir haben 2022 einen Riesenboom gehabt, und wir haben in der ersten Jahreshälfte 2023 einen noch stärkeren Boom erlebt. Jetzt aber gibt es eine sehr, sehr deutlich rückläufige Nachfrage."

Stiebel Eltron baut seit 1976 Wärmepumpen, so lange wie kaum ein anderer Hersteller in Deutschland. Die Niedersachsen hatten sich schon auf die Geräte spezialisiert, als die Konkurrenz noch alles auf Gas und Öl setzte. Eine Achterbahnfahrt wie die in den vergangenen anderthalb Jahren aber hat man auch hier noch nicht erlebt. Schiefelbein rechnet vor: Noch läuft die Produktion auf Hochtouren, aber derzeit wird bei ihnen nur halb so viel bestellt wie hergestellt. So gut die Gegenwart also aussieht – die Zukunft wirkt unsicher.

So wie Stiebel Eltron geht es derzeit allen Produzenten der Wärmepumpe. Die Vaillant-Gruppe hat für einen Teil ihrer Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet; der Branchenriese Viessmann das Geschäft gleich ganz an den US-Konzern Carrier verkauft. Wie sehr die Unternehmen in den letzten Monaten durchgerüttelt wurden, zeigt ein Blick auf die Förderanträge beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). An ihnen lässt sich ermessen, wie viele Menschen in Deutschland den Einbau einer Wärmepumpe planen: Während 2021 im Schnitt etwa 5500 Anträge pro Monat eingingen, schnellte der Wert im August 2022 auf fast 150.000. Inzwischen liegt er wieder bei gut 8000 pro Monat – höher als vor dem Boom, aber doch weit vom Rekord entfernt. 

Grafik zum Boom der Förderanträge für Wärmepumpen beim Bund
Nach Kriegsausbruch in der Ukraine hatte die Anzahl der Förderanträge für Wärmepumpen zwischenzeitlich deutlich zugenommen

Eigentlich sollte die Wärmepumpe möglichst rasch die Energiewende in Deutschland voranbringen. Doch schaut man auf die letzten Monate zurück, muss man sagen: Das hat bisher bloß so mittelgut geklappt. Was seit Anfang 2022 geschehen ist, ist stattdessen ein Lehrbeispiel dafür, wie ein einfaches, sinnvolles, seit Langem funktionierendes Produkt in den Sturm der Lobbyinteressen und politischen Intrigen gerät – von den einen zum Heilsbringer verklärt, von den anderen als Gottseibeiuns verteufelt. Es gab monatelanges Gezerre um Gesetze und Förderung, öffentliche Kampagnen, viel Verunsicherung. Und kaum, dass im Herbst wieder etwas Klarheit herrschte, wie das Land künftig beheizt werden könnte, setzte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zur Schuldenbremse ein großes Fragezeichen hinter den Heizungsumbau. Wie konnte das alles nur passieren?

Erschienen in Capital 1/2024

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