Abgabenlast Ab dem 15. Juli arbeitet der Steuerzahler für sich

Sechseinhalb Monate haben die Deutschen in diesem Jahr rein rechnerisch nur für Steuern und Abgaben gearbeitet. Erst seit Donnerstag, 04:13 Uhr, fließt das Geld in die eigene Brieftasche.

Dieses Jahr fiel der "Steuerzahler-Gedenktag" auf den 15. Juli. Der Steuerzahler-Gedenktag ist rechnerisch der Zeitpunkt im Jahr, an dem das Einkommen der Steuerzahler in Deutschland nicht mehr in Form von Steuern und Sozialabgaben direkt an den Staat, sondern in die eigene Tasche geht, wie Verbandspräsident Karl Heinz Däke erklärte. Er beklagte, dass sich der "Steuerzahler-Gedenktag" immer weiter nach hinten verschiebe.

Termin schiebt sich immer weiter nach hinten

Noch 1960 sei er auf den 1. Juni gefallen, sagte Däke. "Im Moment sieht es danach aus, dass wir uns auf einen Termin im August hinbewegen." Bis zum Morgen des 15. Juli führten laut Däke alle Steuerzahler theoretisch ihr gesamtes Einkommen direkt an den Staat und die Sozialversicherungsträger ab. "Konkret: Knapp 54 Prozent haben wir in diesem Jahr alle ausschließlich gearbeitet, um den Bedarf an Steuern und Abgaben zu decken."

1960 habe die Quote 41,5 Prozent betragen, meinte Däke. Sie sei - ungeachtet mehrerer positiver Korrekturen in den vergangenen vier Jahrzehnten - kontinuierlich nach oben gegangen. Zwar liege die Rate dieses Jahr mit um 0,5 Prozentpunkte unter der von 2003. Doch werde sie bis 2008 wieder auf 54,4 Prozent anwachsen. Der Höchstwert wurde den Angaben zufolge im Jahr 2000 mit 56,9 Prozent erzielt. Nach In-Kraft-Treten der rot-grünen Steuerreform sei die Quote 2001 auf 54,5 Prozent gesunken.

1972 zum letzten Mal mehr als 50 Prozent behalten

Nach Berechnungen Däkes konnten die Steuerzahler letztmals 1972 mehr als die Hälfte ihres Einkommens für sich behalten. Damals habe die Rate bei 47,5 Prozent gelegen. 1973 sei sie auf 50,1 Prozent geklettert. In den Folgejahren habe sie die 50-Prozent-Marke nicht wieder unterschritten.

Der "Steuerzahler-Gedenktag" sei also kein Grund zur Freude, sagte Däke. Die Tatsache, dass Bürger und einkommensteuerpflichtige Unternehmer in Deutschland deutlich mehr als die Hälfte ihrer Einkünfte an den Staat abgeben müssten, sei bedauerlich. Zwar sei die Entwicklung nach dem Rekordjahr 2000 zu begrüßen. "Entwarnung kann indes nicht gegeben werden." Denn die Steuer- und Abgabenlast sei nach wie vor viel zu hoch, eine Trendwende sei nicht in Sicht. Besonders alarmierend sei die Entwicklung der Soziallastquote. "Mit 12,4 Prozent war sie 1960 noch relativ gering. Heute beträgt sie 22,6 Prozent."

Wo bleibt die große Steuerreform?

Vor diesem Hintergrund mahnte Däke eine durchgreifende Steuerreform an. Das Steuervereinfachungskonzept der Union sei wieder "in der Schublade verschwunden", und das teilweise Vorziehen der jüngsten Steuerreform habe nur wenig bewirkt, da dies mit Mehrbelastungen an anderer Stelle erkauft worden sei. So sei ein Urteil des Bundesverfassungsgericht missbraucht worden, um den Beitrag von Kinderlosen zur Pflegeversicherung zu erhöhen, statt die Abgabenlast für Familien zu senken.(AP/DPA)

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