Finanzpolitik Großes Steuerplus entfacht Streit

Die Steuereinnahmen des Bundes sind viel höher als erwartet. Nun fordern Opposition und Wirtschaft den Verzicht auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Finanzminister Steinbrück will darauf nicht eingehen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hält trotz des unerwartet hohen Wachstums und des deswegen großen Steuerplus an der geplanten Mehrwertsteuer- erhöhung von drei Prozentpunkten fest. Die stark sprudelnden Steuereinnahmen haben massive Forderungen von Opposition und Wirtschaft nach einem Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 ausgelöst. Zugleich verlangten Wirtschaftsführer stärkere Milliarden-Entlastungen bei der Unternehmens- steuerreform oder ihr Vorziehen von 2008 auf 2007. Zu diesen Forderungen der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung sowie FDP und Grünen nach einem Verzicht der Mehrwertsteuererhöhung sagte Steinbrück dem "Handelsblatt": "Wir müssen die strukturelle Unterfinanzierung des Haushaltes beenden und wir wollen die Lohnzusatzkosten senken." Weiter verteidigte Steinbrück seine Haltung: "Wir können uns nicht von Konjunkturen und Stimmungen abhängig machen, und seien sie noch so erfreulich." Deshalb bleibe es bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer. "Daran werden auch populistische Kampagnen nichts ändern."

Im Juli hatten die Steuern nach Angaben des Finanzministeriums überraschend noch einmal kräftig zugelegt, so dass in den ersten sieben Monaten des Jahres rund 20 Milliarden Euro mehr in den öffentlichen Kassen sind als im gleichen Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr 2006 war bei der Steuerschätzung im Mai nur ein Zuwachs von 13 Milliarden Euro vorhergesagt worden. Angesichts der günstigen Entwicklung ist die von Steinbrück erklärte Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland schon 2006 nach vielen Jahren erstmals wieder die europäische Defizitgrenze von drei Prozent einhalten wird, weiter gestiegen. Fest eingeplant hat die Bundesregierung das erst für 2007.

DIHK: "Die erdrosselnde Besteuerung"

Die Arbeitgeber setzen indessen auf eine weitere Senkung des Arbeitslosenbeitrags von 6,5 Prozent auf 4,0 statt der vereinbarten 4,5 Prozent. Dazu müsse der Katalog der Pflichtleistungen der Bundesagentur für Arbeit einer kritischen Prüfung unterzogen werden, forderte Arbeitgeber- präsident Dieter Hundt.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, warnte vor einem Überdrehen der Steuerschraube und äußerte die Sorge vor Kirchenaustritten. "Jede Veränderung der staatlichen Steuergesetzgebung hat Auswirkungen auf die Kirchensteuer, da darf man sich überhaupt nichts vormachen", sagte Huber der "Bild am Sonntag".

Gegen die auch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zugesagte Firmenentlastung bei der Unternehmensteuer hatte im Laufe der Woche die Parlamentarische Linke (PL) im Gespräch mit Struck mobil gemacht, wie der "Spiegel" berichtete. Struck sagte im "Tagesspiegel am Sonntag": "Ich kann mir ernsthaft nicht vorstellen, dass wir dauerhaft auf mehrere Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr verzichten."

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, forderte in einem der "Wirtschaftswoche" vorliegenden Schreiben an Steinbrück von der "erdrosselnden Besteuerung" Abstand zu nehmen und "eine deutlich höhere Entlastung als die bisher veranschlagten fünf Milliarden Euro" zu beschließen.

DPA · Reuters
Reuters/DPA