Nach BAföG-Erhöhung Ein bisschen weniger arm

Von Lisa Ksienrzyk
Deutschlands Studierende bekommen mehr BAföG. Theresa lässt stern.de in ihren Geldbeutel schauen: Trotz Erhöhung braucht die Studentin weiterhin die Unterstützung ihrer Eltern - und einen Job.

Vor fünf Jahren ist Theresa für ihr Studium von Brandenburg in die bayerische Universitätsstadt Bayreuth gezogen. Um einen BAföG-Antrag ist sie damals nicht herum gekommen. Schulden hat Theresa in der Zeit nicht angehäuft, die Sorge um ihre Finanzen hat sie aber während des Studiums begleitet. Heute steht die 25-Jährige kurz vor ihrem Masterabschluss und kann bald den staatlichen Zahlungen den Rücken kehren.

Nach vier Jahren Stille hat das Bildungsministerium das BAföG für Schüler und Studenten reformiert. Was sich im ersten Moment nach Portemonnaies voller Scheine anhört, ist näher betrachtet eine herbe Enttäuschung. Die monatliche Finanzspritze wird zwar um sieben Prozent angehoben, doch das Loch im studentischen Geldbeutel stopft die Novelle nicht. Die Inflationsrate ist seit der letzten Änderung zum Wintersemester 2010 um knapp sieben Prozent gestiegen. Wenn die Reform in zwei Jahren greift, ist das Leben noch teurer als heute. Somit hat sich die Regierung ihr Lob nur ermogelt. Die Behauptung, Studenten würden auf einer Zuckerwattewolke durchs Studium segeln, ist ein Hirngespinst. Die Realität in den jungen Akademiker-Haushalten sieht anders aus.

Die Kosten steigen, die Förderung sinkt

Der Höchstsatz liegt nach der Reform bei 735 Euro, allerdings landet diese Summe gerade einmal bei einem Drittel der Antragsteller auf dem Konto. "Diese Bafög-Novelle ist kein großer Wurf für Chancengerechtigkeit, sondern ein halbherziges Werk mit Warteschleifen", sagt Grünen-Bildungsexperte Kai Gehring zum neuen Beschluss. Theresa muss in ihrem letzten Studienjahr mit 279 Euro Förderung im Monat auskommen, was immer noch weit unter dem Durchschnitt von 446 Euro liegt. In ihrem allerersten Jahr hat sie noch doppelt so viel Geld vom Amt bekommen. Ihre Mutter war anfangs arbeitslos und Theresas Vater hat ein paar Euro weniger verdient als jetzt. Das wirkt sich sofort auf den BAföG-Satz aus. Die Änderung bis auf den Cent nachvollziehen kann sie nicht. Theresa ist froh, dass sie überhaupt noch staatliche Hilfe bekommt.

Dass die Mieten in Bayreuth seitdem um 22 Prozent gestiegen sind, interessiert das Studentenwerk recht wenig. Günstig ist das Leben in einer solch mittelgroßen Stadt längst nicht mehr. Laut Bildungsministerin Johanna Wanka müssten 250 Euro als Mietzuschlag reichen. In der Realität lassen sich in den wenigsten Städten für diesen Preis ein passables Zimmer finden - geschweige denn eine eigene Wohnung. Theresa wohnt seit Beginn ihres Studiums in einer Dreier-WG und zahlt mittlerweile 300 Euro. Auf 12 Quadratmetern kann sie gerade einmal ein Bett, einen Schreibtisch und einen Schrank unterbringen. Schuhe und andere Sachen, die nicht mehr in ihr Zimmer passen, hat sie im Flur oder in der Küche verteilt. Theresa ist mittlerweile WG-Älteste, ihre Mitbewohner studieren ebenfalls. Bisher hat sie dort mit fünf verschiedenen Leuten gewohnt - mal in Harmonie, mal in Antipathie.

Abhängig von Staat und Eltern

Viele Studenten haben keinen Anspruch auf BAföG, weil ihre Eltern ein zu hohes Einkommen haben. Die stehen in der Pflicht ihre Kinder finanziell zu unterstützen, haben damit aber selbst Probleme. Bei zwei oder mehr studierenden Kindern außer Haus wird die Ausbildung schnell zu einer finanziellen Belastung. Der Elternfreibetrag wurde für 2016 angehoben, sodass künftig 110.000 mehr Jugendliche gefördert werden könnten. Theresa hat zwar keine Geschwister, aber ihre Eltern haben trotzdem Schwierigkeiten, das Studium zu bezahlen. Theresas Mutter arbeitet in Teilzeit und hat selbst zu wenig Geld, um ihr finanziell unter die Arme zu greifen. Mehr als hin und wieder ein kleiner Schein ist nicht drin. Die Unterstützung von Theresas Vater reicht ebenfalls nicht aus, um BAföG komplett aus den Einnahmen streichen zu können. Aber allein von ihren Eltern und der staatlichen Zuwendung kann die Studentin nicht leben. Daher muss Theresa neben ihrem Vollzeitstudium noch arbeiten gehen.

Theresas Finanzen

Ausgaben
Miete:300 Euro
Ernährung:170 Euro
Kleidung:50 Euro
Lernmittel:5 Euro
Studienbeiträge:15 Euro
Öffentliche Verkehrsmittel:40 Euro
Gesundheit:100 Euro
Internet/TV/Handy:19 Euro
Freizeit/Kultur/Sport:60 Euro
Gesamt:759 Euro

Einnahmen


Eltern:394 Euro
BAföG:279 Euro
Gesamt:673 Euro

Die Spirale um den Lebensunterhalt

Ein Job neben dem Studium mündet häufig in eine Gewissensspirale zwischen Regelstudienzeit und schwarzen Zahlen auf dem Konto. Ab 2016 dürfen Studenten bis zu 450 Euro abgabefrei dazu verdienen, was bis zu 15 Stunden Arbeitszeit wöchentlich bedeuten kann. So viel Zeit hat Theresa nicht, da sie ihr straff organisiertes BWL-Studium in den angegebenen Semestern durchziehen will - oder muss. Ein Semester hat sie im Ausland verbracht und sich in Bayreuth beurlauben lassen - diese Zeit zählt für das BAföG-Amt so gesehen nicht. Da ihr die Punkte aber nicht angerechnet wurden, muss sie ein halbes Jahr drauf legen. Würde sie noch länger für ihren Abschluss brauchen, wird automatisch das BAföG gestrichen.

In den Sommersemestern kann sie eine Tutorenstelle an der Uni annehmen. In den drei Monaten Vorlesungszeit gibt sie einmal wöchentlich Einführungskurse für Bachelor-Studenten. Während im April noch viel Zeit für die Vorbereitung drauf geht, muss sie im Juli kaum Mehrarbeit leisten. Der Job ist zusätzlich zu ihrem Studium und raubt ihre Zeit für Hausaufgaben oder Lerngruppen. Für die Stelle bekommt sie pauschal 670 Euro. Im Winter benötigt das Institut ihre Hilfe allerdings nicht. Wenn sie nicht gerade in der Prüfungsphase ist, geht Theresa hin und wieder babysitten. Gemeinsam mit den Ersparnissen versucht sie so ein monatliches Minus zu umgehen.

Ein Kompromiss zwischen Leistung und Finanzen

Bis die Studentenwerke die erste BAföG-Rate auf das Konto überweisen, dauert es mancherorts bis zu einem halben Jahr. Die Ämter in den Studentenwerken sind chronisch unterbesetzt. Studierende müssen diese Monate anders finanzieren. Der jetzige Bedarfssatz liegt laut Bundesförderungsgesetz bei 670 Euro inklusive Zuschuss für die Krankenkasse. Diese Summe sollte laut Bundesregierung pauschal ausreichen, um als Student monatlich über die Runden zu kommen. Wenn Theresa nicht gerade in Saus und Braus lebt, gibt sie rund 760 Euro monatlich aus und liegt damit im deutschen Schnitt. Als BAföG-Empfängerin muss sie nach zwei Jahren nachweisen, dass sie genügend Leistungen an der Uni erbracht hat. Hat sie zu wenig Kurse belegt, wird der Zuschuss gekürzt. Theresas ehemaliger Mitbewohner muss sich komplett selbst finanzieren und sieht deshalb selbst nach neun Semestern kein Ende seines Studiums.

Theresa versucht an jeder Ecke zu sparen, verzichtet daher auf teure Produkte und Markenklamotten. Die langen Semesterferien sind meist gespickt mit Praktika, die wiederum nicht zu viel Gehalt in die Kasse spülen dürfen. BAföG-Empfänger dürfen sich nur ein begrenztes Einkommen erlauben. Praktika muss Theresa allerdings machen, weil es ihr Studium vorsieht und um nach dem Abschluss einen Job zu finden. An der Uni wird nur reine Theorie vermittelt, daher braucht sie unterschiedliche Berufspraxis. Für einen neuen Laptop, Businessanzüge oder Heizkostennachzahlungen muss Theresa auf ihr lang Erspartes zurückgreifen.

Im kommenden Frühling wird sie ihre Masterarbeit abgeben. Ab dann muss sie sich gedanken machen, wie sie die Förderung zurückzahlen kann, die sie über fünf Jahre begleitet hat.