Die Modekette H&M steht für billige Massenware. Kunden überall auf der Welt schätzen die Möglichkeit, für wenig Geld viele Klamotten kaufen zu können. Die Kehrseite der Medaille: Bei diesen Preisen können sich auch die größten Shopping-Fans an einer Hand abzählen, dass die Näherinnen im fernen Asien nicht zu den globalen Großverdienern gehören. Immer wieder steht die Textilbranche wegen zweifelhafter Arbeitsbedingungen in der Kritik. Zuletzt brannte in Bangladesch eine Textilfabrik ab, mehr als 100 Beschäftigte starben. Auch wenn diese Fabrik nicht für H&M fertigte, stünde dem schwedischen Konzern ein bisschen Image-Werbung nicht schlecht.
Daher startet die Kette im kommenden Jahr eine weltweite Recyclingaktion, um sich als nachhaltiges Unternehmen zu präsentieren. Wie das Unternehmen am Donnerstag verkündete, können Kunden ab Februar alte Kleider in H&M-Filialen abgeben, damit diese wieder verwertet werden können. "Wir wollen der Umwelt Gutes tun", kommentierte H&M-Chef Karl-Johan Persson die Ankündigung. Der Clou an der Sache aber ist: Die Aktion verspricht nicht nur ein grüneres Image, sondern auch höheren Umsatz.
Die spendenwilligen Kunden werden nämlich mit einem Gutschein geködert, der 15 Prozent Rabatt auf einen neuen Artikel verspricht. So sorgt H&M zwar auf der einen Seite dafür, dass weniger Kleidung im Müll landet, animiert seine Kunden aber gleichzeitig zum noch rascheren Wechsel des Kleiderschrank-Inhalts. Auf dass sich das Shoppingrad noch schneller drehe. Die Hürden für den Austausch alt gegen neu sind jedenfalls nicht besonders hoch. "Die Menge der abgegebenen Kleidung ist nicht entscheidend", erklärte ein H&M-Sprecher stern.de. Bedeutet: Eine Socke im Gefrierbeutel ist schon ausreichend. Pro Tag dürfe ein Kunde allerdings maximal zwei Tüten abgeben. Es würden alle Kleidungsstücke von allen Marken und auch in jedem Zustand akzeptiert, versichert das Unternehmen.
"Greenwashing-Verdacht"
Inwiefern die Aktion wirklich der Umwelt hilft, ist zweifelhaft. "Mit solchen Aktionen werden Kunden primär zu Mehrkäufen animiert, und das ist letztlich das Gegenteil von Nachhaltigkeit", sagt der Sprecher der Organisation "Erklärung von Bern", die die Schweizer Clean-Clothes-Kampagne für faire Kleidung betreibt. Im Alpenland läuft die Recycling-Aktion bereits seit einem Jahr. H&M stehe wie andere Textilunternehmen mit seinen immer kürzeren Kollektionszyklen in grundsätzlichem Widerspruch mit dem Nachhaltigkeitsgedanken, sagte der Sprecher stern.de. "Die Aktion steht deshalb unter akutem Greenwashing-Verdacht", also einem grünen Reinwaschen des Firmennamens.
Mit dem weiteren Schicksal der Kleiderspenden hat H&M jedenfalls nicht mehr viel zu tun. Die Modekette verkauft einfach alle Alttextilien an die Schweizer Firma I-Collect, ein kommerzielles Verwertungsunternehmen. Welche T-Shirts nochmal aufgetragen würden und was als Dämmmaterial oder Putzlappen ende, entscheide der Kooperationspartner, erklärte der H&M-Sprecher. H&M strebe mit den Altkleiderverkäufen keine Gewinne an. Die Einnahmen kämen sozialen Projekten entlang der Lieferkette sowie der Forschung zum Thema Recycling zugute.