Zukunft Wer braucht Ein-Cent-Münzen?

"Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert", lautet ein altes Sprichwort. Deshalb stand wohl die Abschaffung der Ein-Pfennig-Münze zu DM-Zeiten auch nie zur Diskussion. Jetzt ist das anders.

Gut drei Jahre nach Abschaffung von D-Mark und Pfennig mehren sich jetzt auch in Deutschland die Stimmen, die kleinsten Kupfermünzen aus den Geldbörsen zu verbannen.

Vorreiter Niederlande

"Mein Portemonnaie platzt aus allen Nähten, ich schleppe immer pfundweise die 'Roten' mit mir herum", sagt die 50 Jahre alte Frankfurter Sekretärin Monika Baslitz. "Aber wenn die Händler runden dürfen, werden sie nur aufrunden", gibt sie zu bedenken. In den Niederlanden gilt deshalb vom 1. September an ein ausgeklügeltes System: Erst an der Kasse wird auf volle fünf Cent nach oben oder unten gerundet - die Warenpreise selbst bleiben erhalten. Statistisch dürfte dadurch bei mehreren Waren im Einkaufskorb genauso oft nach oben wie nach unten gerundet werden.

Auch für viele Händler sind die kleinen Münzen eine Last. "Wir bekommen zentnerweise Ein- und Zwei-Cent-Münzen", sagte Michael Mohr (32), Filialleiter des großen Zeitungsgeschäfts am Frankfurter Bahnhof. "Für die Mitarbeiter wäre die Abschaffung ein Segen." Rolf Schink, Restaurantleiter beim benachbarten McDonalds, ist auch für die Abschaffung. Allerdings sei sicher auch der psychologische Effekt von aufgerundeten Preisen zu berücksichtigen.

Regierung ist gegen Abschaffung

Dass viele Deutsche durch das Wechselgeld mehr kleine Münzen bekommen, als sie später wieder ausgeben, machte sich erst vor wenigen Monaten bemerkbar - in einer Münzknappheit. Die Deutsche Bundesbank erklärte, sie könne möglicherweise bald nicht mehr alle Münz-Wünsche der Handelsketten erfüllen. Sie bat die Verbraucher deshalb, gehortete Münzen wieder auszugeben und appellierte an Händler, auch größere Mengen Kupfergeld anzunehmen. Außerdem wurden seit März 2003 rund 3,5 Milliarden neue Münzen in Auftrag gegeben, die Hälfte davon ist inzwischen produziert.

Während die kleinen Münzen für Verbraucher in der Regel nur lästig sind, bedeuten sie für den Bund auch Kosten. Nicht zuletzt durch die gestiegenen Stahlpreise - der Kern der Kupfermünzen besteht aus Stahl - übersteigen die Herstellungskosten der kleinsten Münzen den Nennwert deutlich. Ein Überschuss, der bei größeren Münzen in die Kasse des Bundes fließt, lässt sich damit nicht erwirtschaften. Die Bundesregierung lehnte aber am Dienstag eine Abschaffung oder ein Rundungsgesetz ab. Bei der Euro-Einführung habe es gute Gründe für die Festlegung auf Ein- und Zwei-Cent-Münzen gegeben, die sich an der "Tradition der D-Mark" orientierten. Zudem habe der Einzelhandel nicht erkennen lassen, dass Änderungsbedarf bestehe.

Auch Finnland benutzt Kleinstmünzen nicht

Im Handel gibt es aber durchaus auch Stimmen für die Abschaffung. "Die Abrechnungen am Abend sind aufwändig", sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Lebensmittelhandel, Gerd Härig. Er lehne die Idee, auf die kleinsten Cent-Münzen auch in Deutschland zu verzichten, nicht rundweg ab. "In anderen Ländern klappt das auch - siehe die Niederlande. Es ist einen Versuch wert", meinte Härig.

Denn die Niederlande machen derzeit vor, dass die Eindämmung von Kleinstmünzen auch ohne offizielle Abschaffung funktioniert. Hier wurde nur eine Vereinbarung zur Rundung getroffen. Und in Finnland haben die kleinen Münzen durch ein Rundungsgesetz praktisch nur noch Sammlerwert. Wer trotzdem einen Glücks-Cent sammeln oder die Brautschuhe mit Ein-Cent-Münzen bezahlen will, darf dies auch in diesen Ländern weiterhin machen. Offizielles Zahlungsmittel bleibt die Ein-Cent-Münze schließlich auch dort.

DPA
Rochus Görgen, dpa