Stellenmarkt-Auswertung Handwerker-Mangel in Deutschland: Welche Arbeitskräfte besonders gesucht werden

Elektroinstallateure montieren eine Solaranlage
Handwerker, wie Elektroinstallateure, werden händeringend gesucht (Symbolbild)
© Westend61 / Imago Images
In Deutschland herrscht ein großer Handwerker-Mangel. Berichte darüber gibt es schon länger. Eine exklusive Auswertung zeigt nun, wie die Situation auf dem deutschen Stellenmarkt ist.

Wohnungssanierer, Kälteanlagenbauer, Elektrotechniker: Sie alle werden in Zukunft gebraucht, um die Energiewende voranzutreiben. Dabei entscheiden sich immer weniger Menschen für einen Handwerksberuf. Eine exklusive Auswertung der "Index Research" für den stern zeigt, dass die Zahl der Stellen im Bereich "Bauarbeiter/Handwerker" zuletzt deutlich zugenommen hat. Dazu hat die nach eigenen Angaben größte Stellenanzeigen-Datenbank Europas die inserierten Stellenangebote in mehreren hundert Print- und Online-Medien, dem Stellenportal der Bundesagentur für Arbeit und 136.000 Firmenwebsites analysiert.

In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres wurde demnach ein Anstieg der ausgeschriebenen Stellen um über 18 Prozent registriert. Damit setzt sich die Zunahme aus demselben Zeitraum des Vorjahres (22,2 Prozent) fort. Vom 1. Januar 2022 bis zum 31. August 2022 gab es rund 1,3 Millionen Stellen bei rund 201.000 Firmen. 2021 waren es noch rund 1,1 Millionen Stellen bei rund 181.000 Unternehmen. In den ersten acht Monaten von 2020 hatte es mit etwa 912.000 Stellen bei rund 148.000 Firmen hingegen einen Rückgang um 33,4 Prozent zum Vorjahreszeitraum gegeben. Zugleich haben sich die geschätzten Ausgaben für die Schaltung von Stellenanzeigen in 2022 auf über 450.000.000 Euro fast verdoppelt.

Jürgen Grenz, CEO der "Index Gruppe" erklärt: "Das große Stellenangebot in diesen Berufsgruppen liegt vor allem am anhaltenden Bauboom. Hinzu kommt, dass die Babyboomer nach und nach in Rente gehen und Nachwuchskräfte bei der Wahl ihres Arbeitgebers immer wählerischer werden. Die meisten Handwerker, Bauarbeiter und technischen Fachkräfte können sich ihre Stellen mittlerweile aussuchen."

Qualifizierte Kräfte besonders gefragt

Konkret wurden gut 20 Branchen ausgewertet. Die mit Abstand meisten Jobs gab es in der Branche "Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen" mit 765.611 Stellen bei 27.993 Firmen, gefolgt vom "verarbeitenden Gewerbe" mit 248.102 Stellen bei 47.514 Firmen. An dritter Stelle lag das "Baugewerbe" mit 176.065 Stellen bei 40.585 Firmen. Auf den letzten Plätzen des Rankings landeten "Private Haushalte mit Hauspersonal; Herstellung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen durch private Haushalte für den Eigenbedarf ohne ausgeprägten Schwerpunkt" mit 854 Stellen und "Exterritoriale Organisationen und Körperschaften" mit 231 Stellen vor dem Letztplatzierten "Sonstige Branchen" mit 10 Stellen.

Gesucht wurden in dem Erhebungszeitraum vor allem qualifizierte Kräfte. Herausstechend war der Bereich "gewerbliche Fachkräfte" mit fast 1.2 Millionen offenen Stellen. Weiter gab es rund 151.000 Ausbildungsstellen. Der Bereich "Fachkräfte mit Berufsausbildung und speziellen Qualifikationen" kam auf lediglich 199 Stellen.

Die mit Abstand meisten Jobs in der Bauarbeiter- und Handwerkerbranche zählte die ARWA Personaldienstleistungen GmbH mit über 68.000 Stellen. Die Randstad Deutschland GmbH & Co. KG schrieb gut 21.000 Jobs aus. Die Per Zukunft GmbH & Co. KG – Marzahn zählte 17.493 Stellen, die ZAG Zeitarbeits-Gesellschaft GmbH 13.685 Stellen und die Deutsche Bahn AG 11.501 Stellen.

In Bayern gab es die meisten unbesetzten Stellen (circa 272.000). In den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen wurden jeweils zwischen rund 130.000 und 260.000 Stellen erfasst. Zugleich lag hier die Anzahl der Firmen zwischen rund 24.500 und knapp 46.000. Im Mittelfeld lag Berlin mit 66.768 offenen Stellen bei 9823 Firmen und Thüringen mit 58.252 Stellen bei 5246 Firmen. Das Saarland landete auf dem letzten Platz mit 14.188 Stellen bei 3476 Firmen.

Im deutschlandweiten Städtevergleich verzeichnete Berlin die mit Abstand meisten Stellen (66.704). An zweiter Stelle folgte Hamburg mit knapp der Hälfte dieser Anzahl, gefolgt von den Großstädten München (24.429) und Köln (15.707). Die wenigsten Stellen gab es in Bremen (13.047) und in Stuttgart (12.682).

Handwerker-Branche: "Tausende Ausbildungsplätze" werden nicht genutzt

Der große Handwerker-Mangel bereitet der Branche Sorge. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer forderte Ende Juli bereits angesichts des Fachkräftemangels eine "Bildungswende" in Deutschland. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir gehen von einer Viertelmillion Fachkräften aus, die im Handwerk fehlen. Uns fehlen in der Ausbildung sehr viele junge Leute."

Laut Wollseifer liegt das Problem in der geringen Bewerberzahl. "Tausende Ausbildungsplätze und damit Ausbildungschancen" würden nicht genutzt, so der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Um das zu verbessern, sei mehr Wertschätzung und mehr Anerkennung für die berufliche Bildung nötig – vor allem aber auch eine auskömmliche Finanzierung der beruflichen Bildung.


Quellen: Index Research, mit Material der dpa

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