Zwischen den beiden größten deutschen Städten Hamburg und Berlin hat die Zeit von Tempo 230 auf der Schiene begonnen. Mehr als vier Jahre nach dem Scheitern der Pläne für einen Transrapid eröffnete die Bahn am Sonntag eine für 650 Millionen Euro ausgebaute Hochgeschwindigkeitstrasse. ICE mit Neigetechnik verbinden die Metropolen in 90 Minuten - eine halbe Stunde schneller als zuvor. Zum Fahrplanwechsel, der laut Bahn bundesweit zunächst weitgehend reibungslos lief, traten zudem Preiserhöhungen in Kraft. Um Kunden zu gewinnen, erwägt die Bahn auch Ticketangebote in Supermärkten.
Mit dem Start der Ausbaustrecke beginne zwischen Hamburg und Berlin eine neue Zeitrechnung, sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn. Die Trasse war am Vormittag mit einem Sonderzug von Hamburg Hauptbahnhof zum Berliner Ostbahnhof eröffnet worden. Während dieser pünktlich ankam, blieb ein anderer ICE aber mit Technikschaden auf der neuen Paradestrecke liegen - die Fahrgäste mussten 70 Minuten Verspätung hinnehmen.
"Alternative zum Auto"
Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) nannte die neue Trasse ein "Kernstück" im europäischen Netz. Nötig seien ein weiterer Ausbau etwa der Strecken von Berlin nach Leipzig und Warschau sowie im Norden der Vogelfluglinie und die Elektrifizierung zwischen Hamburg und Lübeck. Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sagte, die neue "Sensationszeit" von 90 Minuten lasse Hansestadt und Hauptstadt zusammenwachsen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sprach von einer "absoluten Alternative zum Auto."
Die Bahn erwartet von dem schnelleren Angebot einen Sprung von derzeit 2,4 Millionen auf 2,8 Millionen Fahrgäste zwischen den beiden Städten im nächsten Jahr. Mehr Tempo ist aber teurer: Die einfache Fahrt kostet im ICE jetzt 55 Euro (bisher: 49 Euro). "Wir glauben, dass wir Menschen von der Straße holen werden", sagte Mehdorn.
Tickets auch im Supermarkt
Um Fahrgäste zu gewinnen, erwägt der bundeseigene Konzern derweil, Tickets nicht nur am Bahnhof und in Reisebüros, sondern auch über Supermärkte anzubieten. Ideen dafür müssten auf jeden Fall ordentlich geprüft werden, sagte Mehdorn. "Wir wollen an unsere Kunden ran." Es gebe Gespräche mit Handelsunternehmen, Kunden sollen befragt werden. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" gehören solche Pläne zu einem Projekt namens "Jump", das in den nächsten fünf Jahren im Fernverkehr 180 Millionen Euro zusätzlich hereinbringen soll.
Reisende im ganzen Land bekamen am Sonntag unterdessen erneute Preiserhöhungen zu spüren. Fernzüge wurden zum zweiten Mal in diesem Jahr teurer - im Schnitt um 3,1 Prozent. Im Nahverkehr außerhalb der Verkehrsverbünde sind es 3,6 Prozent. Weggefallen ist ein beliebter Rabatt für Mitfahrer: Mit einem Fernverkehrsticket zum normalen Preis lassen sich nicht mehr bis zu vier Mitfahrer zum halben Preis mitnehmen. Bahncard-Inhaber können mit dem City-Ticket nunmehr aber in 67 statt in 46 Städten am Zielort im Nahverkehr weiterfahren.
Zum Fahrplanwechsel waren nach Angaben der Bahn bis zum Nachmittag mehr als 90 Prozent aller Züge pünktlich. Geändert wurden zudem einige Angebote. So fahren statt des Luxuszuges "Metropolitan" zwischen Hamburg und Köln nun ICE-Sprinter.