Fragen und Antworten 32-Stunden-Woche und eine Prämie: Das hat die IG Metall für die Stahlindustrie ausgehandelt

Demonstranten halten ein Banner mit der Aufschrift "Stahl 2023" während eines Protests im Tarifstreit der IG Metall
Demonstranten halten ein Banner mit der Aufschrift "Stahl 2023" während eines Protests im Tarifstreit der IG Metall
© Fabian Strauch / DPA
Kürzere Arbeitszeiten und mehr Lohn hatte die Gewerkschaft IG Metall gefordert. Im Tarifstreit gibt es jetzt einen Kompromiss. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

In den Verhandlungen um Lohnerhöhungen und verkürzte Arbeitszeiten in der nordwestdeutschen Stahlindustrie haben sich die Gewerkschaft IG Metall und die Arbeitgeber in der Nacht zu Samstag auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Erstmals wurden Arbeitszeit-Regelungen für den bevorstehenden Umbau Richtung Klimaneutralität vereinbart.

Was steht in dem neuen Tarifvertrag und wer profitiert davon? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was hat die Stahlindustrie gefordert?

Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach Lohnerhöhungen und einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich in die Verhandlungen gegangen, was die Arbeitgeber als nicht umsetzbar ablehnen. Anfang Dezember kam es vor dem Hintergrund der stockenden Tarifverhandlungen zu ersten Warnstreiks in der nordwestdeutschen Stahlindustrie.

Was hat die IG Metall ausgehandelt?

Der neue Tarifvertrag sieht eine Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 3000 Euro in zwei Schritten sowie eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 5,5 Prozent ab dem 1. Januar 2025 vor, wie die IG Metall in Düsseldorf mitteilte. Weiter soll zur Sicherung der Beschäftigung die reguläre Arbeitszeit kollektiv von 35 auf bis zu 32 Stunden abgesenkt werden können, wofür Beschäftigte teilweise einen Lohnausgleich erhalten. Die Einigung sieht zudem die Möglichkeit vor, die individuelle Arbeitszeit auf 33,6 Stunden abzusenken.

Die Einigung sieht zudem Regelungen für Betriebe oder Betriebsteile vor, in denen durch die Transformation "Druck auf die Beschäftigung" entsteht. Dann kann ausgehend von der in der Branche gültigen Regelarbeitszeit von 35 Stunden die Arbeitszeit um drei Stunden auf 32 Stunden abgesenkt werden. Die IG Metall konnte ihre Forderung nach einem vollen Lohnausgleich dabei nicht durchsetzen, aber eine Bezahlung von dann 33 Stunden erreichen. Nur wer 60 Jahre und älter ist und im Schichtdienst arbeitet, soll ab 2025 dann 34,1 Stunden bezahlt bekommen. Diese Altersgrenze soll in den beiden Folgejahren jeweils um ein Jahr abgesenkt werden. 2027 wollen die Tarifparteien die Regelung dann bewerten.

Der Tarifvertrag sieht dabei auch Regelungen bei einem Mehrbedarf vor, etwa wegen eines zeitweisen Parallelbetriebs von alten und neuen Technologien. Dann kann die Arbeitszeit auch um bis zu drei Stunden erhöht werden. Angewendet wird dann die jetzt schon geltende Regelung zur Mehrarbeitsvergütung.

Die Ausgleichsprämie wird gestaffelt gezahlt: 1500 Euro soll es im Januar geben, jeweils 150 Euro dann in den Monaten Februar bis November. Auszubildende erhalten insgesamt 1800 Euro, ebenfalls gestaffelt. Nach der Anhebung der Gehälter ab Januar 2025 läuft der Gehaltstarifvertrag bis zum 30. September 2025.

Ist das Ergebnis zufriedenstellend?

IG Metall-Verhandlungsführer Knut Giesler äußerte sich zufrieden mit dem Ergebnis. Es sei ein wichtigstes Ziel erreicht worden. "Wir geben den Beschäftigten in der Transformation Sicherheit. Kommt es zum Druck auf Beschäftigung, kann durch die Arbeitszeitverkürzung bei Teilentgeltausgleich die noch vorhandene Arbeit auf mehrere Schultern verteilt werden." Beim individuellen Wunsch nach Verkürzung der Arbeitszeit sei ein Einstieg geschafft.

Der neue Tarifvertrag sei "zukunftsweisend für die Stahlindustrie", erklärte IG-Metall-Vorstandsmitglied Nadine Boguslawski. "Die Optionen für Arbeitszeitverkürzungen mit Entgeltausgleichen sind ein Vorbild", betonte sie. Die kurze Vollzeit mit Entgeltausgleich entlaste ältere Beschäftigte, zudem mache die Möglichkeit einer finanzierten 32-Stunden-Woche "Beschäftigung im Umbruch der Branche sicherer".

Auch die Arbeitgeber bewerteten die Regelungen als "sehr positiv". Es sei gemeinsam mit der IG Metall gelungen, eine passgenaue Regelung zur Arbeitszeit und zur Beschäftigungssicherung während der ökologischen Transformation zu schaffen, betonte der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Stahl, Reiner Blaschek. Die Regelung zur individuellen Arbeitszeit eröffne den Beschäftigten mehr Flexibilität. "Wichtig war uns, dass hierfür im Regelfall kein Entgeltausgleich gezahlt wird."

Skepsis herrscht aber gegenüber der Bezahlung:: "Die vereinbarte Entgelterhöhung strapaziert angesichts der sich rapide verschlechternden Rahmenbedingungen für die deutsche Stahlindustrie die Möglichkeiten der Unternehmen maximal", so Blaschek. Giesler, der auch Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen ist, sprach hingegen von einer "nachhaltigen Steigerung der Einkommen".

Profitieren alle Arbeitnehmer der deutschen Stahlindustrie?

Nein. Die IG Metall Nordrhein-Westfalen führt Flächentarifverhandlungen für die Stahl- und Eisenindustrie in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen. Dort sind  sind rund 68.000 Menschen beschäftigt. Für die ostdeutsche Stahlindustrie und die Beschäftigten im Saarland wird separat verhandelt. Dort endet die Friedenspflicht Ende Februar. Das Tarifgebiet umfasst neben dem Saarland auch zwei Werke in Wetzlar (Hessen) und Kehl (Baden-Württemberg).

In der Stahl- und Eisenindustrie in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen sind rund 68.000 Menschen beschäftigt. In der ostdeutschen Stahlindustrie mit ihren rund 8000 Beschäftigten ist die fünfte Verhandlungsrunde für den 18. Dezember angesetzt.

DPA
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