Afghanische Journalisten "Ich will die Stimme der Leute sein"

In Afghanistan stehen auch die Medien noch nicht wieder auf eigenen Füßen. Einheimische lernen von Soldaten und ausländischen Journalisten, wie man Nachrichten in Wort und Bild verpackt.

Redaktionskonferenz bei der Regionalausgabe der "Stimme der Freiheit" in Kundus im Norden Afghanistans: Zuerst nimmt sich der Chefredakteur in einer Blattkritik die jüngste Ausgabe der Zeitung vor, dann bespricht er mit den fünf Redakteuren das neue Blatt, danach, mögliche künftige Themen. Auf den ersten Blick eine Konferenz wie bei Zeitungen überall auf der Welt. Aber in Afghanistan stehen auch die Medien noch längst nicht wieder auf eigenen Füßen.

Herausgeben wird die "Stimme der Freiheit" von der internationalen Schutztruppe ISAF, unter Federführung deutscher Soldaten. 20 Seiten ist sie stark, der überregionale Mantelteil entsteht in Kabul. Die Redaktion in Kundus steuert acht Seiten für den Norden bei. Ein Soldat vom deutschen Wiederaufbauteam (PRT) ist der Chef, die Journalisten sind Einheimische. Sie schreiben nicht nur, sie nehmen auch Digitalkameras mit zu den Ereignissen, über die sie berichten.

Journalisten genießen Respekt

Auf erfahrene Kräfte konnte das PRT nicht zurückgreifen. Ob unter der Monarchie, den wechselnden Herrschern seit 1973, der sowjetischen Herrschaft von 1979 bis 1989 oder den Kommunisten - eine freie Presse gab es in Afghanistan nicht. Das blieb auch in den 90er Jahren so. "Unter den Mudschaheddin konnten nur Männer in den Medien arbeiten, und die Taliban mochten Journalisten überhaupt nicht", sagt Malalai Jusufi (26), eine von drei Frauen im Team der "Stimme der Freiheit".

Journalisten genießen Respekt. "Ein wichtiger Beruf, damit wir erfahren, was los ist", sagt Mahmud Wadschid, ein Kaufmann im Basar von Kundus. Der dient immer noch als Ersatzmedium. Neuigkeiten verbreiten sich von Mund zu Mund. Da haben es auch Gerüchte leicht. Wer Angst schüren will oder Vorurteile, braucht kaum zu fürchten, dass die Masse der Bevölkerung die Wahrheit aus der Zeitung erfährt.

Handwerkszeug von ausländischen Kollegen lernen

Jusufi sieht den Journalismus als Berufung: "Ich will die Stimme der Leute sein und ihre Probleme schildern." Das nötige Handwerkszeug müssen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen aber erst noch lernen. Wie man eine interessante Überschrift textet, womit ein guter Artikel beginnt, dass man immer Quellen nennen und Hintergrundinformationen recherchieren muss, das ist auf jeder Redaktionskonferenz ein Thema.

In der "Mediothek" von Kundus fand deshalb gerade ein Lehrgang für Journalisten statt, bei dem deutsche Kollegen ihr Wissen weitergaben. Die Mediothek ist ein deutscher Verein, der Bildung und Wissenschaft in Afghanistan fördert und in mehreren Städten Zentren eingerichtet hat, die den Zugang zu Medien bieten. Auf dem freien Markt ist die Auswahl noch gering, jedenfalls für die Mehrheit der Leute, die sich nicht mit Satellitenanlagen die ganze Medienwelt vom Himmel holen können. Es gibt das staatliche Radio und in den Städten Fernsehen, dazu einige Zeitungen, die aber meist ebenfalls staatlich sind.

Das Radio hat es leichter

Unabhängig ist auch die "Stimme der Freiheit" nicht. Artikel über Gesundheit, Technik und Sport sind zwar beliebt. Aber zugleich gibt es viel über internationalen Organisationen zu lesen. Jeder Artikel steht in drei Fassungen im Blatt, Englisch, Paschtu und Dari, was viel Platz kostet. Und die Zeitung erscheint nur alle zwei Wochen.

Da hat es das gleichnamige regionale Radioprogramm, das ebenfalls im PRT entsteht, leichter. Seine stündlichen Nachrichten sind aktueller, Paschtu und Dari wechseln sich ab, auch in den Beiträgen. Der Sender ist sehr beliebt, nicht zuletzt wegen seiner Musikauswahl in beiden Sprachen, garniert mit Schlagern aus indischen Filmen. Radio sei so wie so viel besser als Zeitung, meint der Bauarbeiter Mohammad Arif: "Ich kann nicht lesen, aber Radio hören kann ich."

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Jürgen Hein/DPA

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