Wenn Verdi beispielsweise bei der Müllabfuhr streike, dann werde sich natürlich jede Kommune überlegen, ob sie die Müllabfuhr nicht auslagere, um von solchen Streiks nicht betroffen zu werden, sagte der Chef der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, am Montag im Norddeutschen Rundfunk: "Es ist exakt kontraproduktiv, was da passiert." Böhle erwartet nach eigenen Angaben, dass am Ende des Konflikts eine längere Arbeitszeit stehen wird.
Verdi wehrt sich gegen die Forderung der Arbeitgeber, die wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden ohne Entgeltausgleich zu erhöhen. Der VKA-Chef betonte: "Man muss an allen Ecken und Enden sparen, bei Investitionen, bei Sachmitteln und bei Personal eben auch."
Streikwelle trifft Verbraucher direkt
Der erste größer angelegte Streik im öffentlichen Dienst seit 14 Jahren hat heute in den Kommunen Baden-Württembergs die Verbraucher direkt getroffen. In Mannheim, Ulm, Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg wurden keine Mülleimer geleert. Auch in Kindergärten, Kliniken und Verwaltungen wurde gestreikt. Verdi-Chef Frank Bsirske verteidigte den unbefristeten Arbeitskampf, mit dem sich die Gewerkschaft gegen die von den Arbeitgebern geforderte Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden in der Woche wehrt.
Rund 10.000 Mitarbeiter in etwa 100 kommunalen Betrieben waren im Südwesten zum Protest aufgerufen. Verdi kündigte weitere Urabstimmungen an. Auch Landesbedienstete sollen über einen Arbeitskampf abstimmen. Heftige Kritik kam von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. "Das kann niemand verstehen, es sei denn, man guckt sich den grünen Gewerkschaftsvorsitzenden Bsirske an", sagte er. Bsirske sei der derselbe, der "sich mit seiner Gewerkschaft als Aufsichtsratsmitglied der Lufthansa selbst bestreikt" habe.
"Wir müssen von der Rasenmähermethode wegkommen"
Der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus sprach sich für differenzierte und flexible Lösungen aus. Die Entscheidung dazu, wer künftig länger arbeiten solle, müsse auch vom Alter eines Beschäftigten und der Art der Tätigkeit abhängig gemacht werden, so der CDU-Politiker. "Wir müssen von der Rasenmähermethode, von dieser Gleichbehandlung aller Dinge, wegkommen." Der Minister wandte sich gegen eine Ausdehnung des Streiks bei den Kommunen auf die Landesbediensteten. Er gehe auch davon aus, dass der Arbeitskampf nicht besonders populär sei - weder bei der Gesamtbevölkerung noch bei den betroffenen Verdi-Mitgliedern.
Gewerkschaftschef Bsirske verteidigte den Streik mit den Worten, die von den Arbeitgebern geforderte Verlängerung der Arbeitszeit führe zu einem Verlust von Arbeitsplätzen. "Wir haben es auf der einen Seite mit fünf Millionen Arbeitslosen zu tun, auf der anderen Seite gehen die Arbeitgeber dazu über, einseitig bei Neueinstellungen die Arbeitszeit verlängern zu wollen, mit dem Ergebnis, dass tausende von Arbeitsplätzen allein in Niedersachsen wegfallen und die Arbeitslosigkeit noch weiter zunimmt. Das wird für den sozialen Zusammenhalt fatal sein."
Auch Kreiskrankenhäuser und Bauhöfe bestreikt
In Baden-Württemberg wurden nach Gewerkschaftsangaben auch die Kreiskrankenhäuser und teilweise die Bauhöfe bestreikt. Zahlreiche Kindertagesstätten blieben geschlossen. Bei einer Urabstimmung hatten sich fast 95 Prozent für den Streik ausgesprochen. In Hamburg bereitet Verdi bei den städtischen Betrieben die Urabstimmung vor. In Bayern ist sie bei den Landesbeschäftigten angelaufen. Das Ergebnis der Urabstimmung in den Ländern will Verdi am Freitag bekannt geben. In Sachsen sind nach Angaben eines Sprechers des Verdi-Landesbezirks für den 8. und 9. Februar Urabstimmungen bei 150 Arbeitnehmern im Straßenbauamt Zwickau geplant.
Der Wirtschaftsweise Bert Rürup sieht in dem Streik bei den Kommunen in Baden-Württemberg einen Stellvertreterkonflikt in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung sagte am Montag im Deutschlandradio, ihm falle es schwer, den richtigen Streikgrund zu sehen. Der Wirtschaftsweise sagte: "Ich sehe darin im Wesentlichen einen Stellvertreterkonflikt, weil neben der IG Metall ja Verdi im öffentlichen Dienst die konfliktfähigste Gewerkschaft ist." Mit dem Streik solle auch ein Signal für die Kampfbereitschaft und Kampffähigkeit der Gewerkschaften gesetzt werden. Rürup schloss negative Folgen für die Binnennachfrage nicht aus.
DPA/AP