E-MAIL AUS NEW YORK Mein Büroalltag mit einem Bullen und einem Bären

Die Finanzbranche ist eine Welt für sich. Allein die Symbolik: Ein Bär, mit seiner nach unten zeigenden Schnauze steht für sinkende, ein Bulle mit seinen nach oben gerichteten Hörnern für steigende Kurse.

Die Bürotür fliegt auf und mein Kollege John stürmt herein. John ist ein Bulle. Und für Bullen sind die Zeiten momentan alles andere als rosig - die Börsenwerte sinken. Die letzten vierzehn Tage musste er hohe Verluste einstreichen - keine gute Bilanz.

Wenig später geht erneut die Tür auf. Mein Kollege Jamie steht im Raum und strahlt über das ganze Gesicht: » Good morning boys and girl (das bin ich!).« Jamie hat ausgezeichnete Laune. Und warum? Jamie ist ein Bär und Bären profitieren von fallenden Kursen. Seine Woche muss nach kontinuierlich sinkenden Börsenwerten also äußerst profitabel gewesen sein.

Dass Geldgewinne einen Börsianer glücklich machen können, verstehe ich ja. Was mich aber sehr wundert, ist, wie sehr sich die Finanzjungs von dem Börsengeschehen abhängig machen. Oft will ich ihnen sagen: »Hey, Jungs, es gibt doch noch weitaus Wichtigeres in der Welt.« John zum Beispiel hat eine schwangere Frau, die auf ihn wartet. Aber nein, der Tag lief schlecht und dann zählt nichts anderes.

Beim »Afterwork-Drink« »betrinkt« man dann auch entweder den Erfolg oder »ertrinkt« den Frust. Den »Verlierer« versucht man aufzubauen, indem man die Verluste »schön malt«: »Nachdem all diese Neureichen in die Hamptons fahren, magst du die Gegend doch gar nicht mehr.« Meistens sieht für den »Verlierer« die Welt dann nach dem dritten Bier auch besser aus.

Oder aber, man hat richtig die Spendierhosen an: »We'll have another bottle of vintage champagne!« Dann genießt man so richtig das Gefühl, heute erfolgreich gewesen zu sein.

Ach ja, eine Welt für sich.

Fortsetzung folgt...

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