Der Bundestag beschloss heute mit der Mehrheit von Union und SPD Korrekturen an der Hartz-IV-Arbeitsmarktreform, die eine bessere Missbrauchsbekämpfung ermöglichen sollen. Dafür stimmten 393 Abgeordnete des Bundestages, 150 dagegen, 14 enthielten sich. Wer eine Arbeit binnen eines Jahres dreimal ablehnt, soll vorübergehend gar keine Zahlungen mehr erhalten. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Arbeitsminister Franz Müntefering verteidigten die Regelungen, die 1,5 Milliarden Euro einsparen sollen. Die Grünen warfen der Koalition vor, den Arbeitslosen keine Angebote für eine Arbeit oder Qualifizierung zu machen. SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner sagte: "Ohne zumutbare Angebote gibt es keine Sanktionen."
Keine Kürzung der Regelzahlung
"Ich halte das für absolut notwendig", sagte Merkel vor CDU-Wirtschaftspolitikern mit Blick auf die Verschärfung der Strafen. Müntefering nannte die für das Jahr 2007 geplanten Einsparungen im Bereich von Hartz IV von bis zu vier Milliarden Euro verantwortbar. Die Regelzahlung von 345 Euro werde nicht gekürzt, sagten der SPD-Politiker und Unions-Vizefraktionschefin Ilse Falk in einer Aktuellen Stunde des Bundestages.
Die Gesetzesänderungen sollen zum 1. August in Kraft treten, wenn der Bundesrat am 7. Juli zustimmt. Mit einem Sofortangebot soll die Arbeitswilligkeit neuer Antragsteller künftig auf die Probe gestellt werden. Der Datenabgleich zwischen den Behörden zur Ausforschung verschwiegener Vermögenswerte wird erleichtert.
Zudem sollen sich Langzeitarbeitslose nur mit Zustimmung der Arbeitsvermittler für längere Zeit vom Wohnort entfernen dürfen, weil sie dem Arbeitsmarkt dann nicht zur Verfügung stehen. Das Mitglied der Linksfraktion, Klaus Ernst, protestierte dagegen in der Debatte mit der Nachbildung einer Eisenkugel an einer Kette, wie sie Sträflinge tragen. Er erhielt dafür eine Rüge.
Merkel: "Hartz-IV-Reform wird nicht in Frage gestellt"
CDU-Chefin Merkel wandte sich gegen Forderungen aus den Reihen der Union, mit einer Generalrevision die Hartz-IV-Reform grundsätzlich in Frage zu stellen. "Wir werden eine weitere grundlegende Überholung brauchen", sagte die Kanzlerin, die damit die Absprache der Koalitionsspitzen vom Sonntagabend wiedergab. "Wir haben allerdings nach wie vor keine Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit dieses Gesetzes."
In der SPD hatte für Verärgerung gesorgt, dass einzelne Unions-Ministerpräsidenten auch nach der Koalitionsrunde vom Sonntag an der Forderung nach einer Generalrevision festhielten. Müntefering bekräftigte im Bundestag: „Diese Zusammenlegung war richtig.“ Die Umsetzung müsse aber noch verbessert werden.
Zahl der Hartz-IV-Haushalte steigt wieder
Die Ausgaben für Hartz IV liegen weiter über Plan. Insgesamt gaben die Job-Center bis Ende Mai laut einer Reuters vorliegenden internen Übersicht der Bundesagentur für Arbeit rund 9,839 Milliarden Euro für die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II aus - 6,6 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Dabei unberücksichtigt sind Kommunen, die Langzeitarbeitslose in Alleinregie oder in anderer Trägerschaft betreuen. Für das Arbeitslosengeld II dürften daher bis Ende Mai etwa 11,5 Milliarden Euro ausgegeben worden sein. Auch die Ausgaben der Kommunen für Miet- und Heizkosten stiegen weiter. In den Job-Centern lagen sie bis Ende Mai bei 5,026 Milliarden Euro und damit um 20 Prozent höher als im Vorjahr.
Damit haben sich Erwartungen der Koalition zerschlagen, der Anstieg der Kosten und der Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften sei im April zum Stillstand gekommen. Die Zahl der Hartz-IV-Haushalte legte im Mai um 42.000 auf 3,960 Millionen zu. Müntefering wandte sich gegen die Darstellung, es gebe eine Kostenexplosion. Der Ausgabenanstieg bewege sich im Rahmen von fünf Prozent, nicht mehr, sagte der Minister: "Das ist unter Kontrolle."