Frage: In meinem Team bin ich der Älteste. Ich habe nicht studiert, sondern eine Ausbildung gemacht und mich nach und nach hochgearbeitet. Mein Eindruck ist, dass diese Erfahrung heute weniger zählt als ein Blatt Papier, das einen Bachelor-Abschluss nachweist. Jetzt ist intern eine Stelle ausgeschrieben, um die ich mich gerne bewerben möchte – meine Kollegen auch. Wie kann ich mich gegen sie durchsetzen?
Der erste Schritt auf dem Weg zu Erfolg ist die richtige Einstellung. Nehmen Sie einmal Ihre Glaubenssätze unter die Lupe: Welche Vorstellungen leiten Sie in Bezug auf Arbeit und Alter? Hegen Sie womöglich Vorurteile wie "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr", "Einen alten Baum verpflanzt man nicht" oder ganz allgemein "Dafür bin ich zu alt"? Dann sollten Sie diese unbedingt mit positiveren Überzeugungen ersetzen. Denn unsere Realität wird stark durch das geformt, was wir denken. Sagen Sie sich von nun an entweder Dinge wie "Mein Alter ist ein Wettbewerbsvorteil – in Form meiner fundierten Erfahrung" oder koppeln Sie Ihren Wert und Ihre Leistungsfähigkeit erst gar nicht an die Anzahl Ihrer gelebten Jahre, sondern betrachten Sie Ihr Potenzial unabhängig davon.

Den eigenen Wert kennen und vermitteln
Gerade Ihre langjährige Berufserfahrung ist für viele Positionen Gold wert. Betrachten Sie sie als Ihren eindeutigen Trumpf gegenüber Uni-Absolventen ohne Berufserfahrung, denen teils notwendige Praxiskenntnisse fehlen und die mitunter zu theoretisch an Probleme herangehen. Machen Sie sich einmal alle beruflichen Herausforderungen klar, die Sie erfolgreich gemeistert haben. Schreiben Sie auf, in welchen Bereichen Sie bereits (Führungs-)Verantwortung innehatten. Sammeln Sie alle Erfahrungen und Fähigkeiten, die Sie von anderen abheben, und verinnerlichen Sie diese, um Ihren Selbstwert zu festigen.
Achten Sie dann darauf, Ihre Besonderheiten in Ihren Bewerbungsunterlagen bzw. im Job-Interview klar und treffend zu vermitteln. Überlegen Sie, mit welchen Ihrer über Jahre entwickelten Fähigkeiten Sie bei einer bestimmten Stelle punkten können, und bauen Sie diese Argumente auf überzeugende Weise in Ihre Selbstpräsentation ein. Nehmen Sie gleichzeitig möglichen Bedenken, ob Sie in Ihrem Alter über gewisse Skills verfügen, den Wind aus den Segeln, indem Sie proaktiv zu Ihren Schwächen und (noch) fehlenden Kenntnissen stehen und beschreiben, wie Sie konstruktiv damit umgehen bzw. welche Weiterbildungsmaßnahmen Sie in Angriff nehmen möchten. Denn wie Forschungsergebnisse zeigen, ist die Plastizität des Gehirns im Alter wesentlich größer, als man denkt, sprich für eine Fortbildung ist es im Sinne des lebenslangen Lernens nie zu spät!
Auf die richtigen Stellen bewerben
Auch wenn Sie sich noch so gut vorbereiten und selbstbewusst Ihre Stärken betonen: Es lässt sich nicht leugnen, dass einige Unternehmen tatsächlich dem Jugendwahn verfallen zu sein scheinen und jenseits der 35 niemanden mehr einstellen möchten. Lassen Sie sich davon jedoch nicht entmutigen, denn diese Haltung entspricht keineswegs dem Gros aller potentiellen Arbeitgeber. So gibt es natürlich Branchen, die sich bevorzugt ganz junge Menschen ins Boot holen – auch, weil diese dann nach den Unternehmenswünschen geformt werden können. Aber in anderen Bereichen zählen vor allem erprobte Qualität, Erfahrung und Routine.
Sie möchten sich um eine intern ausgeschriebene Stelle bewerben. Überlegen Sie, wie Ihr Arbeitgeber mit dem Thema Alter umgeht. Haben Sie allgemein das Gefühl, dass jüngere Kollegen und Kolleginnen bevorzugt werden? Sollte Ihr Unternehmen in dieser Form "Ageism", also Altersdiskriminierung, betreiben, ziehen Sie einen Wechsel zu einem aufgeschlosseneren Arbeitgeber in Betracht. Indem Sie Bewertungen aus Arbeitnehmersicht – zum Beispiel auf XING, glassdoor oder kununu – durchlesen und Website- und Social-Media-Auftritt Ihres Wunsch-Unternehmens durchforsten, erhalten Sie in der Regel einen guten ersten Einblick in Kultur und Werte – auch in Bezug auf mögliche Präferenzen in Bezug auf das Alter der Bewerber.
Life-long learning: Legen Sie nach, was Ihre Skills angeht
Ihre berufliche Expertise kann in vielen Fällen ausreichen, um Sie als begehrten Kandidaten für eine ausgeschriebene Stelle in Betracht zu ziehen. Dennoch schadet es nicht nachzulegen, was Ihre Arbeitsqualifikation "auf dem Papier" angeht: durch Weiterbildungen, Zusatzkurse oder sogar ein Fernstudium. So können Sie tatsächlich vorhandene Defizite, zum Beispiel in Bezug auf Digitalisierung, ausgleichen und sich auf die in der Stellenausschreibung geforderten Kenntnisse "spezialisieren". Reicht die Zeit vorab nicht mehr aus, kündigen Sie dem Interviewer einfach Ihr Vorhaben sich weiterzubilden im Bewerbungsgespräch an.
Ein paar Worte zum Thema Konkurrenzdenken
Etwas gesunder Wettbewerb schadet nicht und spornt an, sich zu verbessern. Achten Sie aber darauf, Ihre (jungen) Kollegen nicht per se als Feinde zu betrachten. Nehmen Sie lieber eine wechselseitig unterstützende Einstellung ein: Sie können ihnen sicherlich das ein oder andere beibringen, was Sie während Ihrer langen Berufserfahrung gelernt haben, und umgekehrt können die Jungen Ihnen topaktuelle Entwicklungen vermitteln, mit denen Sie womöglich noch nicht in Berührung gekommen sind. Seien Sie vorsichtig, Ihr Alter überhaupt zu stark zu thematisieren – ganz im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung könnten Sie damit Ihre Kollegen so sehr nerven, dass Sie dadurch erst beginnen, Sie vorrangig in Bezug auf Ihr Alter wahrzunehmen. Herrscht jedoch allgemein in Ihrem Unternehmen eine stark (negativ) konkurrenzorientierte Stimmung, hinterfragen Sie, inwiefern Sie sich in diesem Umfeld wohlfühlen.
Ein "alter Hase" zu sein, muss nicht zwangsläufig bedeuten, bei Ihren Karrierechancen Abstriche zu machen. Mit der richtigen Einstellung und dem geschickten Einbringen Ihres Wettbewerbsvorteils Erfahrung haben Sie jüngeren Bewerbern oft sogar etwas voraus. Sie müssen lediglich das Umfeld finden, in dem Ihre Expertise geschätzt wird, und Unternehmen mit Jugendkult bei Ihrer Jobsuche ausklammern.