Tarifstreit Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Ein Reformprojekt auf der Kippe: Seit über zehn Jahren wurde von der IG Metall und Arbeitgebern im Südwesten an einem neuen Entgeltrahmentarifvertrag gebastelt. Seine Verwirklichung hängt nun an dem kleinen Wörtchen "mindestens".

Seit mehr als zehn Jahren wird im Südwesten von IG Metall und Arbeitgebern an einem Mammutprojekt gearbeitet. In kleinen und großen Kommissionen wurde diskutiert und gestritten, gerechnet und gefeilscht. Jetzt stehen die Verhandlungen über den von beiden Seiten sehnlichst herbeigewünschten Entgeltrahmentarifvertrag (ERA) für die rund 800.000 Metall-Beschäftigten im Südwesten auf Messers Schneide. Sein Ziel ist die finanzielle Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit - für die Gewerkschaft eine Frage der Gerechtigkeit, für die Arbeitgeber ein Instrument, um den betrieblichen Frieden zu wahren.

Denn Gehaltunterschiede zwischen etwa einem technischen Zeichner und einem Facharbeiter von bis zu 400 Euro bei gleicher Arbeit sorgen nicht gerade für gute Stimmung in Projektgruppen. Der Einstieg in ERA und seine Finanzierungsmodalitäten wurde nach dem Metaller-Streik im Frühjahr 2002 vertraglich festgeschrieben. Demnach sollen die Unterschiede bis 2005 getilgt sein.

Ein großer Brocken Arbeit liegt bereits hinter den Tarifvertragsparteien: Das Punktesystem für die Arbeitsbewertung, das Verfahren zur Festlegung der Entgeltgruppen, die Zahl und Dotierung der Entgeltgruppen und die Bewertung von Arbeitsbelastungen stehen fest. Damit sind die Großbaustellen Grundentgelt und Belastungszulagen abgehakt.

Vertragliche Festlegung der Leistungsentgelte problematisch

Offen ist noch das Thema Leistungsentgelt. Und da haben sich die Tarifvertragsparteien an einem einzigen Wort - "mindestens" - festgebissen. Die Gewerkschafter wollen in dem Regelwerk einen guten Anteil der Leistungsentgelte für Leistungslöhner, die so genannten Akkord- und Prämienlöhner am Band, tarifvertraglich absichern; "mindestens" 15 Prozent des Grundentgeltes sollen geschützt werden. Die Arbeitgeber wollen dagegen nur genau 15 Prozent tarifvertraglich absichern. Das bedeutet, dass jegliches Leistungsentgelt darüber hinaus vom Arbeitgeber einseitig gekündigt werden kann und nicht in Tariferhöhungen eingeht. "Das wäre dann Verfügungsmasse für Kürzungen", erläutert IG-Metall-Bezirksleiter Berthold Huber, für den ERA eines der wichtigsten Reformprojekte seiner Gewerkschaft ist.

Für die IG Metall ist es eine Frage der Ehre, denn die Betroffenen sind ihre "Kerntruppen", die Malocher in der Montage der Auto- und Zuliefererindustrie. "Das wäre so, als wenn man seine Kinder im Stich lässt", meint Huber. Jeder zweite gewerbliche Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie ist Leistungslöhner.

Derzeit betragen die Leistungsentgelte im ehemaligen Tarifgebiet Nordwürttemberg/ Nordbaden im betrieblichen Durchschnitt bei den Angestellten zehn Prozent, bei den Zeitlöhnern - meist Facharbeiter - 16 Prozent, bei den Leistungslöhnern 30 Prozent, wobei die realen Entgelte im Betrieb weit höher sind. Es gibt sogar Ausreißer von 70 Prozent des Grundentgeltes, die die IG Metall mit Argwohn beäugt. Denn wenn der Arbeitnehmer weniger Leistung bringt, kann der Betrag gekürzt werden. "Daher sähen wir es lieber, wenn das unantastbare Grundentgelt ein höheres Gewicht hätte", meint Huber. Die Gewerkschaft bietet an, dass die Betriebsparteien die Höhe und Gestaltung aller Leistungsentgelte über 15 Prozent im Rahmen der tariflichen Regelungen selbst vereinbaren. "Dass die Arbeitgeber dies ablehnen, zeigt, dass ihre Rufe nach betrieblichen Regelungen nur hohle Phrasen sind", meint Huber. Die Tarifvertragsparteien wollen in einer Marathonsitzung Ende des Monats ausloten, ob es noch einen Ausweg aus der verfahrenen Lage gibt. Wenn das Projekt in Baden-Württemberg nicht realisiert wird, hätte es nach Einschätzung von Beobachtern auch im Rest der Republik keine Chance auf Verwirklichung.

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