Unternehmensführung Chefs auf'm Schleudersitz

Jeder zweite Spitzenmanager in Europa musste im vergangenen Jahr wegen mangelhafter Leistung die Koffer packen. Besonders lausig schnitten extern rekrutierte Management-Stars ab.

In jedem zehnten Top-Unternehmen verließen 2003 Unternehmensbosse im deutschsprachigen Raum ihren Posten - global lag die Rate mit 9,5 Prozent erstmals etwas niedriger. Das belegt eine Untersuchung der 2.500 größten Unternehmen weltweit durch die internationale Management- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton. Zum dritten Mal analysierte die Beratung die Zusammenhänge zwischen Unternehmensentwicklung sowie Art und Zeitpunkt des Ausscheidens von Spitzenmanagern.

Besonders schlecht schnitten extern rekrutierte CEOs ab: Sie bildeten 28 Prozent der weltweit abgelösten Chefs, im deutschsprachigen Raum gar 58 Prozent. Die mangelhafte Leistung eines Unternehmenslenkers war global für jeden dritten Wechsel verantwortlich - in Europa gar für jeden zweiten Wechsel.

Fluktuation von CEOs in Europa übersteigt erstmals die der USA

Zwar belegt die Studie global ein verlangsamtes Fluktuationstempo, aber noch immer gilt: Erfüllen Unternehmenslenker nicht die an sie gestellten Erwartungen, sitzen sie auf dem sprichwörtlich heißen Stuhl. Europa und speziell Deutschland sind besonders rigoros. Nahezu jeder zweite Chef-Wechsel 2003 erfolgte hier aufgrund mangelhafter Leistung. Damit lag die Entlassungsrate von Spitzenkräften in Deutschland mehr als doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt.

Auch wenn die Rate unfreiwilliger Wechsel seit 1998 global erstmals rückläufig ist, der vergleichende Blick auf den Untersuchungsraum belegt weiterhin die Größe des Problems: Seit 1995 stieg die Fluktuation von Spitzenmanagern um 170 Prozent. Besonders betroffen: die Branchen Versorgung & Energie, Gesundheit sowie der Rohstoffindustrie. Als relativ sicher hingegen erwies sich international die Banken- und Finanzbranche, wobei auch hier Deutschland eine Ausnahme bildete.

Extern rekrutierte Management-Stars verlieren eher ihren Posten

Gravierende Unterschiede zeigen sich zwischen den einzelnen Ländern: Während Spitzenreiter Japan eine Fluktuationsrate von 13,8 Prozent aufweist, blieb sie in Europa konstant (9,7 Prozent), überstieg jedoch erstmals die Anzahl an Abgängen in Nordamerika (9,6 Prozent). Das gilt vor allem für den deutschsprachigen Raum mit 10,2 Prozent.

Mehr als ein Viertel aller Wechsel (28 Prozent) betrifft extern rekrutierte CEOs. Europäische Spitzenkräfte rangieren dabei noch vor denen der USA. Die Studie belegt: Die leistungsstärksten Bosse kommen aus dem eigenen Unternehmen: Sie werden weit weniger häufig aus dem Amt gedrängt.

Ein Posten fordert seinen Tribut: Verweildauer weltweit gesunken

Je verantwortungsvoller die Position, desto kürzer die Verweildauer an der Unternehmensspitze: Auf diese Faustformel lassen sich die Ergebnisse der Untersuchung bringen. Danach liegt die durchschnittliche Verweildauer 2003 global bei 7,6 Jahren. Nordamerika hält seine Unternehmenslenker mit 8,4 Jahren am längsten, Europa bringt es auf nur rund 6,6 Jahre - sieht man vom deutschsprachigen Raum ab, wo Führungsspitzen es auf durchschnittlich 7,9 Jahre bringen.

Je jünger ein neuer Chef, desto eher wird er gefeuert: Unternehmenslenker, die zum Abdanken bewogen werden, waren bei ihrem Amtsantritt im Schnitt 49 Jahre alt. Spitzenmanager, die dagegen auf "normalem Weg" in Rente gingen, waren bei ihrem Start durchschnittlich fünf Jahre älter.

Die Vorstellung eines fremden Retters ist Luxus

"Effektive Corporate Governance bedeutet nicht nur, sich von leistungsschwachen Unternehmenslernkern zu trennen, sondern zielt vor allem auf eine Verbesserung der Management Performance", betont Klaus-Peter Gushurst, Managing Partner von Booz Allen Hamilton für den deutschsprachigen Raum. Zudem, so seine Forderung, sollten Aufsichtsräte bedeutend mehr Kraft in die Entwicklung geeigneter interner Nachfolger stecken: "Die Vorstellung eines fremden Retters ist Luxus, oder besser, ein teurer Mythos. Aufsichtsräte sollten mit CEOs eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, ihnen helfen, erfolgreich zu werden und mit ihnen eine reibungslose, interne Nachfolge planen." Diese Rolle des Aufsichtsrates, so Gushurst, sei der nächste Meilenstein hin zu einer besseren Performance deutscher Unternehmen und warnt vor der Illusion, dass extern rekrutierte Spitzenmanager hier erfolgreicher seien.

Für die Studie untersuchte die Beratungsfirma die 2.500 weltweit größten Unternehmen sowie die Entlassungsgründe von 237 Vorständen. Im deutschsprachigen Raum analysierte sie das Ausscheiden von 30 Spitzenmanagern in 293 Top-Unternehmen. Untersucht wurde zum einen die Unternehmensleistung, zum anderen fanden öffentlichkeitswirksame Ereignisse, die in den Zeitraum der Kündigung fielen, Beachtung. Verglichen wurden die Daten mit vorhandenen Ergebnissen aus den Jahren 1995, 1998, 2000, 2001 und 2002.

PRODUKTE & TIPPS