Ein mysteriöses Papier, Chaos im Weißen Haus – und ein Kreml, der genüsslich schweigt. Der geleakte 28-Punkte-Plan, der angeblich Frieden für die Ukraine bringen soll, sorgt seit Tagen für Verwirrung, Nervosität und wachsende Zweifel. Dabei steht viel mehr auf dem Spiel als ein diplomatischer Fehlstart: Es geht um Europas Sicherheit, Amerikas Rolle – und um die Frage, ob dieser Plan nicht eher ein Fahrplan für den nächsten Krieg ist.
Nach Ansicht des Politologen Christian Mölling ist der Plan für viele Ukrainer inakzeptabel, weil er nur der Ukraine massive Zugeständnisse aufzwinge, nicht hingegen Russland.
"Die Ukrainer sollen ihre Armee auf 600.000 reduzieren – die Russen gar nicht", sagt Mölling, Senior Advisor beim Brüsseler Thinktank "European Policy Centre", im stern-Podcast "Die Lage – International". Territoriale Abtretungen, starre Auflagen, vage Sicherheitsgarantien aus Washington: "In Summe ist das nur die Schwächung der Ukraine – und die Vorbereitung auf den nächsten Krieg."
Viele Experten sehen deshalb in dem Plan eine Vorlage zur Kapitulation der Ukraine. Andere, wie der britisch-amerikanische Historiker Niall Ferguson, halten ihn zumindest für eine realistische Basis für Verhandlungen.
So macht sich die Ukraine erpressbar
Für Mölling ein Denkfehler: Selbst wenn die Ukraine rein technisch möglicherweise nicht mehr als 600.000 Soldaten stemmen könne, mache sie sich erpressbar, wenn sie eine Obergrenze für die Truppenstärke akzeptiere. Sobald sie dann doch aufrüste, könne Moskau behaupten, Kiew breche den Vertrag.
Der gefährlichste Punkt betrifft die Nato
Der brisanteste Punkt für Mölling: Der Plan zeige, dass die USA offenbar dabei seien, sich aus der Rolle als Sicherheitsgarant zurückzuziehen.
"Die Amerikaner haben sich faktisch aus der Nato verabschiedet", sagte Mölling. Indem Washington Bedingungen akzeptiere, die Europas Sicherheitslage massiv verschlechtern würden, stelle sich die US-Regierung außerhalb der Allianz – und zugleich als neutraler Vermittler zwischen Russland und die Nato.
Während in Washington Chaos herrscht und Moskau schweigt, versuchen die Europäer, sich mit Änderungsvorschlägen wieder ins Spiel zu bringen. Nach Ansicht von Mölling zeigen diese aber vor allem die interne Zersplitterung. Einfluss werde Europa nur nehmen können, wenn es geschlossen auftritt.
Dem Plan selbst räumt der Sicherheitsexperte nur wenig Umsetzungschancen ein: "Selbst wenn er käme – er würde nicht eingehalten werden." Mölling glaubt auch nicht, dass es bereits bis Thanksgiving am nächsten Donnerstag einen Deal gibt. Dies war die Frist, die US-Präsident Donald Trump der Ukraine gesetzt hatte und die sein Außenminister Marco Rubio bereits aufgeweicht hat. "Es wird keine schnelle Entscheidung geben", so Mölling.