Alles ist teuer und wird noch teurer. Die ganze Gesellschaft steht unter Druck. Und was findet man überall? Tipps, wie man am besten sparen kann. Oder Tipps, wie man gut auf die Nebenkostenabrechnung am Ende des Jahres vorbereitet ist.
Ein Tipp, der mir immer wieder begegnet: "Legen Sie Geld beiseite!" "Bilden Sie Rücklagen!" "Investieren Sie Geld, das übrigbleibt!" Diese Ratschläge machen mich rasend vor Wut, denn diese Tipps erreichen Menschen, die gerade nicht mehr wissen, wie sie am Ende des Monats ihr Mittagessen bezahlen sollen. Menschen, die vielleicht statt drei Mahlzeiten nur noch zwei am Tag zu sich nehmen. Oder noch schlimmer: Eine. Weil diese Menschen es sich jetzt schon gerade noch so leisten können, zu überleben.
Zwei statt drei Mahlzeiten am Tag
Da wird beim Einkaufen kein ganzer Einkaufswagen gefüllt, sondern ein kleiner Korb. Da zieht man nicht los und geht neue Kleidung kaufen, weil man der alten Kleidung müde geworden ist. Und da hat man trotz Hunger und der Bewältigung der Lebenshaltungskosten am Ende des Monats eben kein Geld übrig, um "Rücklagen zu bilden", "zu sparen" oder "zu investieren." Da wird jeder Penny dreimal umgedreht.

Blind durch Privilegien
Man kann dieser Ignoranz nicht mal entgehen. Überall in den Medien trifft man darauf. "Vorm Einkaufen eine Liste machen und nur das Nötigste besorgen" ist noch der harmloseste Spartipp. Und selbst dabei: Glauben Sie wirklich, dass Menschen, die sich nur noch zwei Mahlzeiten am Tag leisten können, sich beim Wocheneinkauf Luxusprodukte wie Chips, Süßes, frisches Obst, Gemüse oder Fleisch in Massen "gönnen"? Auch der stern hat solche und ähnliche Tipps schon veröffentlicht. Für arme Menschen ist das wie Hohn und Spott.
In mir brodelt die Wut, wie bei einem Vulkan kurz vorm Ausbruch, wenn ich solche Zeigefinger-Tipps lese. Was mich daran so wütend macht, ist die Blindheit für ärmere Menschen. Es sind extrem privilegierte Ratschläge. Und die Menschen, die diese Tipps geben, sehen das nicht. Diese blinde Ignoranz für Menschen anderer Lebensrealitäten treibt mich in den Wahnsinn.
Studis, Rentner*innen, Kranke und so viele mehr
Ich schreibe von Student*innen, die am Ende des Monats das letzte Kleingeld für Nudeln und Tomatensauce zusammenkratzen. Und von Rentner*innen, deren kleine Rente vor der hohen Inflation gerade eben so fürs Leben reicht. Von Menschen, die krank sind. Von Menschen, die eine große Familie zu ernähren haben oder deren Tierarztrechnung sie in den Ruin treibt. Menschen, die bis Anfang des Jahres gut hingekommen sind und vielleicht sogar der Mitte der Gesellschaft angehörten.
Es gibt so viele Leben in Deutschland, die so stark von den Preissteigerungen betroffen sind, dass sie nicht "einfach mehr sparen" können, um beispielsweise Rücklagen zu bilden. Und das schon jetzt. Jetzt: im Frühherbst. Dabei schüren Medien, Politik und Wirtschaft die Angst vor dem teuren Winter. Ein Gedanke, bei dem arme Menschen ein Ohnmachtsgefühl überfällt.
Eine Bitte
Also bitte, wer Tipps geben möchte, wie Mensch besser über die Runden kommen kann, soll das gerne machen. Sollte dabei aber daran denken, wie viele verschiedenen Lebensrealitäten es in Deutschland gibt. Und daran, dass viele reiche Menschen ihr Geld sowieso schon für sich arbeiten lassen. Tipps zum Geld aktiv vermehren, sollten nicht als "Spartipps" angepriesen werden, denn für Menschen, die sparen müssen, sind die Mainstream-Geldtipps mehr Spott als eine Hilfe.
Statt diesen Menschen weiter Tipps zu geben, könnten privilegiertere Menschen überlegen, ob sie nicht helfen wollen. Ein Blick in den Kleiderschrank, um alte Kleidung zu spenden. Oder kleine Beträge an Spendenorganisation geben. Als Vollzeitarbeitnehmer*in befreundete Studierende oder Minijobber*innen zum gemeinsamen Abendessen im Lokal einfach mal einladen. Das wissen Menschen, bei denen im Monat jeder Cent zählt, nämlich sehr zu schätzen. Und es hilft viel mehr, als Ratschläge zum Sparen, die den armen Leuten nichts bringen.