Die angekündigten Pilotenstreiks bei der Lufthansa sind nach Einschätzung der Fluggesellschaft unverhältnismäßig und daher rechtswidrig. Derzeit prüften die Hausjuristen die genaue Rechtslage und auch Schadenersatzforderungen gegen die Vereinigung Cockpit (VC), teilte Lufthansa-Vizechef Christoph Franz am Donnerstag in Frankfurt mit. Ein flächendeckender, vier Tage langer Streik von Montag bis Donnerstag werde einen direkten Schaden von rund 100 Millionen Euro verursachen. "Es geht sehr schnell um sehr viel Geld", sagte Franz.
"Das ist ein absolutes Novum für dieses Unternehmen und wohl auch ein Novum in der europäischen Luftfahrtgeschichte", kommentierte Lufthansa-Personalvorstand Stefan Lauer die geplante Streikdauer. Lufthansa habe wenig Hoffnung, dass der Streik noch durch Verhandlungen abgewendet werden könne. Allerdings sei man weiterhin ständig in Kontakt. "Wir sind bis zur letzten Minute zu Gesprächen bereit", versicherte Lauer.
"Es geht der VC um unternehmerischen Einfluss"
Franz erklärte, im gesamten Konzern gebe es 110.000 Beschäftigte, davon 4500 Piloten mit Konzerntarifvertrag, von denen täglich rund 700 im Einsatz seien und jeweils zu zweit ein Flugzeug steuerten. Es könne nicht angehen, dass daher bereits 350 Piloten einen ganzen Konzern lahmlegen könnten.
Lufthansa warf der Gewerkschaft vor, durch den Tarifstreit auf unzulässige Weise mehr Einfluss im Unternehmen erreichen zu wollen. "Es geht primär nicht um Geld, es geht der VC um unternehmerischen Einfluss", sagte Lauer. Bei Entgeltfragen und Arbeitsplatzsicherung sei eine Einigung möglich. Das Management könne aber angesichts der schlimmsten Luftfahrtkrise der Geschichte nicht zulassen, dass die Gewerkschaft künftig entscheide, welche Maschinen wo eingesetzt werden.
Die Vereinigung Cockpit befürchtet, dass Lufthansa in Zukunft Strecken an billigere Töchter im Ausland abgibt, die bisher von der Konzernmutter selbst geflogen wurden. So hatte Lufthansa in den vergangenen Jahren unter anderem in der Schweiz, in Österreich und in Belgien Fluggesellschaften gekauft und in Italien eine neue Airline gegründet. Lufthansa erklärte dagegen, die Zahl der Pilotenstellen sei von 2001 bis 2008 um 18 Prozent gestiegen. Die Piloten müssten sich um ihre Arbeitsplätze keine Sorgen machen.
VC bestreitet Wunsch nach Einflussnahme
In einer Mitteilung wies die Vereinigung den Vorwurf zurück, dass sie "bei unternehmerischen Grundsatzfragen mitentscheiden und somit auf Vorstandsentscheidungen unmittelbar Einfluss nehmen wolle". "Die Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage. Zu keinem Zeitpunkt hat die Vereinigung Cockpit solche Forderungen aufgestellt", erklärte Tarifexpertin Ilona Ritter.
Cockpit hatte am Vortag angekündigt, den Flugverkehr der Lufthansa von Montag bis einschließlich Donnerstag lahmzulegen. Zum bislang längsten Streik in der Geschichte der Gewerkschaft sind mehr als 4000 Piloten aufgerufen. Betroffen sind Flüge der Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings. Nicht bestreikt werden hingegen Lufthansa-Töchter wie Cityline.
Wirtschaftsverbände warnen vor Konjunkturschwächung
Der Bundesverband der Deutschen Industrie kritisierte, ein Streik träfe nicht nur ein Unternehmen, sondern den gesamten Export und damit einen erheblichen Teil der deutschen Wirtschaft. "Ein Streik träfe das zarte Pflänzchen der wirtschaftlichen Stabilisierung nach der Krise", warnte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf.
Auch der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft, bei dem Lufthansa Mitglied ist, kritisierte die Streiks. "Die Lufthansa-Piloten sind mit Gehältern und Privilegien ausgestattet, die in Deutschland kaum eine andere Berufsgruppe erreicht. Es gleicht somit einer schlechten Posse, dass die Mehrzahl dieser Piloten ab Montag einen Teil des Landes lahmlegen will", sagte BTW-Präsident Klaus Laepple.