Das Handwerk hat vor einem Mangel an Lehrlingen und Fachkräften gewarnt. "Allein in diesem Winter fehlen über 7000 Auszubildende", sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Otto Kentzler, der "Rheinischen Post". Nach Einschätzung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wird die nachlassende Zahl von Arbeitskräften dazu führen, dass 2011 die Einkommen steigen werden.
"Ich bin der festen Überzeugung, dass das Lohnniveau in diesem Jahr spürbar steigen wird. Schon allein deshalb, weil weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen", sagte von der Leyen der "Saarbrücker Zeitung". Die in Tarifverhandlungen üblicherweise vorgebrachte Drohung mit Massen anderer Bewerber funktioniere immer seltener. "Vor drei Jahren hat die Politik noch für Lehrstellen geworben. Heute sind viele davon verwaist, weil Bewerber fehlen", sagte sie. Diese Entwicklung werde auch das Lohngefüge zugunsten der Beschäftigten verändern.
Fachkräftemangel setzt ein
Derzeit melde die Bundesagentur für Arbeit (BA) 12.300 unversorgte Bewerber, denen 19.600 unbesetzte Lehrstellen gegenüberstünden, berichtet ZDH-Chef Kentzler. In Wahrheit sei die Bewerberlücke aber noch größer, weil viele Handwerksbetriebe sich bei der BA gar nicht meldeten. In den neuen Ländern habe sich die Zahl der Schulabgänger in wenigen Jahren halbiert, sagte der Handwerkspräsident. Dort hofften die Unternehmer bereits, Nachwuchskräfte aus den Nachbarländern im Osten zu gewinnen.
Schon in diesem Jahr drohten erste Engpässe auch bei den Fachkräften, fügte Kentzler hinzu - und stützte damit indirekt die Aussage von der Leyens. "Zuerst werden es die Ausbauhandwerker spüren, Elektriker und Heizungsbauer etwa." Aber auch die Zulieferer der Maschinenbauer und der Autoindustrie bekämen bald Schwierigkeiten, befürchtete der Handwerkspräsident.
Gegen flächendeckende Mindestlöhne
Nicht zuletzt angesichts der von ihr erwarteten Lohnentwicklung lehnt von der Leyen die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns weiterhin ab: "Das Argument, die sogenannten Aufstocker - also die Beschäftigten, die ergänzend Hartz IV erhalten - gäbe es durch einen Mindestlohn nicht, ist definitiv falsch." Von den Aufstockern würden rund drei Viertel in Teilzeit arbeiten, wovon man zwar tatsächlich nicht leben könne. Eine Erhöhung der Stundenlöhne würde aber nicht viel an der Situation ändern, argumentierte von der Leyen. "Wenn es nicht reicht, liegt es zumeist daran, dass eine Familie zu ernähren ist, nicht an der Höhe der Stundenlöhne."
Für weitere branchenspezifische Mindestlöhne zeigte sich die CDU-Politikerin dagegen grundsätzlich offen. Zu begrüßen seien Lohnuntergrenzen, die Arbeitgeber und Gewerkschaft einer Branche selbst aushandelten und die dann von der Politik - wie kürzlich für den Pflegebereich geschehen - für allgemeinverbindlich erklärt würden. "Das ist der richtige Weg", sagte von der Leyen. Die allermeisten Branchen seien durch ihr Tarifgefüge geschützt.
Gegen Billigtarife bei Zeitarbeit
Handlungsbedarf besteht nach Ansicht der Ministerin bei der Zeitarbeit, wo "ein Import ausländischer Billigtarifverträge nach Deutschland" drohe. "Stundensätze von drei bis vier Euro würden die Lohnspirale tatsächlich nach unten drücken. Deshalb plädiere ich für eine Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit." Der Koalitionspartner FDP lehnt dies aber ab.