Unter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland gibt es einer Studie zufolge großes Potenzial für eine höhere Erwerbsbeteiligung. Da die rund 24 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland im Schnitt relativ jung seien, könnten gerade unter ihnen mehr Arbeitskräfte gewonnen werden, geht aus einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden hervor.
Um diese Chancen zu nutzen, müsse die Integration von Bürgern mit ausländischen Wurzeln "in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt, den Spracherwerb sowie den Zugang zu frühkindlicher, schulischer und beruflicher Bildung" aktiv gefördert und nachhaltig gestaltet werden, heißt es in der Veröffentlichung, die in Zusammenarbeit mit dem Bundesinnen- und -familienministerium entstand. Beispielsweise könnten die Mütter bei mehr Kitabesuch ihrer Kinder entlastet und so ihr Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden.
Zahl der Migranten mit Schulabschluss steigt
Bislang gehen Mädchen und Jungen mit ausländischen Wurzeln unter drei Jahren den Angaben zufolge seltener in Kindergärten als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Bei 15-Jährigen zeigt sich demnach ein Trend zu höheren Schulabschlüssen. Von 2013 bis 2022 sei der Anteil von Gymnasiastinnen mit Migrationshintergrund von 30 auf 38 Prozent gestiegen. Bei gleichaltrigen Mädchen ohne ausländische Wurzeln habe diese Quote 2022 mit 47 Prozent aber deutlich höher gelegen. Ähnliche Unterschiede zeigten sich bei 15 Jahre alten Jungen, wenn auch auf niedrigerem Niveau.
Unter den 25-Jährigen mit Migrationshintergrund gibt es der Studie zufolge sowohl eine steigende Zahl mit dem Abitur in der Tasche als auch eine zunehmende Zahl von Menschen ohne Schulabschluss. 2022 hatten 46 Prozent der Männer unter ihnen und 59 Prozent der Frauen Abitur. Im Vergleich zu 2013 war der Anteil dieser Männer damit um 6 Prozentpunkte und derjenige der Frauen um 10 Punkte gestiegen. Gleichaltrige beider Geschlechter ohne ausländische Wurzeln kamen indes noch immer auf einen fast zehn Punkte höheren Anteil.
Während 2022 bei den 25-Jährigen ohne Migrationshintergrund laut BiB nur 3 Prozent der Männer und 2 Prozent der Frauen ohne Schulabschluss waren, lagen bei Gleichaltrigen mit ausländischen Wurzeln die Vergleichswerte mit 12 Prozent (Männer) und 10 Prozent (Frauen) deutlich höher. 2013 hatte diese Quote in beiden Gruppen laut der Studie noch jeweils 6 Prozent betragen.
Menschen mit Migrationshintergrund seltener erwerbstätig
Der demografische Wandel stelle den Arbeitsmarkt "schon jetzt vor große Herausforderungen", erklärte BIB-Direktorin Katharina Spieß am Mittwoch in Wiesbaden. Um dem zu begegnen, sei es nötig, "die vielfältigen Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund bestmöglich zu nutzen".
Bürger mit ausländischer Herkunft sind im Vergleich insgesamt auch weniger oft erwerbstätig. Von den 15- bis 64-Jährigen mit Migrationshintergrund arbeiteten 75 Prozent der Männer und 62 Prozent der Frauen im Jahr 2022. Bei den Männern und Frauen der gleichen Altersspanne ohne diesen Hintergrund waren es acht beziehungsweise 17 Prozentpunkte mehr.
Zwar sei die Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund zwischen 2013 und 2022 um rund drei Prozentpunkte gestiegen. Dennoch seien Männer und Frauen ohne Migrationshintergrund noch immer häufiger erwerbstätig. Bei den 15- bis unter 65-jährigen Männern sind es demnach acht Prozentpunkte mehr, bei Frauen sogar 17 Punkte.
Deutliche Unterschiede gibt es laut der Analyse zwischen Frauen und Männern mit Blick auf Vollzeitbeschäftigung – unabhängig vom Migrationshintergrund. So waren im Jahr 2022 rund 88 Prozent der erwerbstätigen Männer und lediglich 52 Prozent der erwerbstätigen Frauen mit Migrationshintergrund in Vollzeit tätig. Bei den Menschen ohne Migrationshintergrund waren es 90 Prozent der Männer und 52 Prozent der Frauen.
Datengrundlage der Studie ist der Mikrozensus. Laut der Definition des Statistischen Bundesamtes hat jemand einen Migrationshintergrund, wenn er selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren worden ist. Das BIB erklärte, dass ein Ausbau der frühkindlichen Bildung sowohl den Spracherwerb als auch die Integration fördern würde. Eine stärkere Nutzung von institutionellen Betreuungsangeboten könne insbesondere Mütter entlasten und ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, hieß es weiter. Die Publikation "Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund neu entdecken" entstand in Zusammenarbeit mit Bundesinnen- und -familienministerium.