Automobilindustrie Volkswagen ordnet Markt für Lastwagen neu

Volkswagen hat die Mehrheit am schwedischen Lastwagen-Hersteller Scania übernommen. Nun halten die Wolfsburger alle Fäden für die gewünschte Allianz mit MAN in der Hand. Scania soll jedoch als selbstständiges Unternehmen erhalten bleiben.

Nach langem Tauziehen trennten sich die schwedischen Großaktionäre von Scania, die Stiftungen der Familie Wallenberg und die von ihr kontrollierte Investor AB, für umgerechnet knapp 2,9 Milliarden Euro von ihrem Aktienpaket an dem fünftgrößten europäischen Nutzfahrzeughersteller. Volkswagen sagte den Schweden zu, Scania als selbstständiges Unternehmen zu erhalten, will aber Chancen für eine Kooperation mit deren Rivalen MAN ausloten. Der Münchener Konzern, an dem VW fast 30 Prozent hält, macht sich nun ebenso neue Hoffnungen. Vor gut einem Jahr war MAN-Chef Hakan Samuelsson mit einem zehn Milliarden Euro schweren Übernahmeangebot für Scania am Widerstand von Investor gescheitert. Investor-Chef Jacob Wallenberg rechtfertigte das Vorgehen, nun an VW zu verkaufen. Scania sei inzwischen rund 40 Prozent mehr wert als MAN geboten hatte.

VW bemüht sich seit einem Jahr um Allianz

Durch die Übernahme der Scania Anteile der Familie Wallenberg steigt der VW-Anteil von 38 auf 68,6 Prozent der Stimmrechte. VW bemüht sich seit gut einem Jahr um eine Allianz von Scania und MAN mit der eigenen Nutzfahrzeugsparte. Auch bei MAN ist VW inzwischen größter Einzelaktionär. In schwedischen Medien war zuletzt spekuliert worden, Scania-Chef Leif Östling könnte das Unternehmen auf Druck aus Deutschland verlassen, um den Weg für eine Allianz freizumachen.

Nach dem gescheiterten Übernahmeversuche durch MAN haben die Wolfsburger das Heft in die Hand genommen und ihren Anteil bei MAN auf fast 30 Prozent ausgebaut. Dennoch stockten die Verhandlungen mit Scania seit dem vergangenen Frühjahr. MAN-Vorstandschef Samuelsson, selbst früher im Vorstand von Scania, hatte auf eine einvernehmliche Lösung gedrängt, zuletzt aber keinen Zeitrahmen mehr genannt.

Scania-Aktien legen an der Börse zu

VW zahlt je 200 schwedische Kronen für die stimmrechtsstarken A-Aktien von Scania, die am Montag um 3,5 Prozent auf 176,50 Kronen zulegten. Durch den Erwerb von knapp 135 Millionen stimmrechtsstarken A-Aktien hält VW nun eine deutliche Mehrheit an Scania. Zusammen mit MAN kommt VW auf mehr als 85 Prozent. Auch nach Kapitalanteilen halten VW (37,7 Prozent) und MAN (13,3) nun mehr als 50 Prozent an Scania.

An der Börse setzten die MAN-Aktien nach von Volkswagen bekannt gegebenen Übernahme von Scania zu einem Höhenflug an. Die Titel des Lkw- und Maschinenbauers waren einziger Gewinner unter den Dax-Werten und sprangen um rund fünf Prozent auf 91,20 Euro nach oben.

Analysten: Übernahme ist Durchbruch für Dreier-Zusammenschluss

Die Analysten von Cheuvreux werteten die Übernahme durch Volkswagen als Durchbruch für einen Zusammenschluss von MAN, Scania und dem VW-Geschäft mit schweren Lkw, das bisher auf Südamerika beschränkt ist.

Scania soll als Premiummarke weiterentwickelt werden, erklärten Volkswagen und Investor. "Sowohl Volkswagen als auch Investor sehen die Transaktion als beste Lösung für Scania und Schweden an", sagte VW-Chef Martin Winterkorn. Wallenberg erklärte, VW werde "seinen Einfluss mit dem Ziel nutzen, den langfristigen Wert für alle Aktionäre zu maximieren." Volkswagen unterstütze die Strategie des Scania-Vorstands. Änderungen in der Struktur zum Nachteil der Mitarbeiter seien "auf absehbare Zeit" nicht geplant.

Sitz von Scania soll in Schweden bleiben

Eine mit den Gesprächen vertraute Person sagte, Jacob Wallenberg habe Zusagen von VW gefordert, um den Verkauf in Schweden rechtfertigen zu können. Dazu gehöre, dass der Sitz von Scania in Schweden bleibe und dass Forschung und Entwicklung von Scania nicht abgezogen würden. Verhandelt hätten VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech und Jacob Wallenberg. MAN sei zu keiner Zeit in die Gespräche einbezogen worden, sagten mehrere Manager aus der Branche.

DPA · Reuters
Reuters/DPA/hil/spi