Volkswagen Substanz unter dem Glanz

In schlechten Zeiten entwickelt sich Volkswagen prächtig. Vertriebschef Detlef Wittig weiß, dass in der Krise Substanz und Wert zählen. Er verrät, wie er Skoda zur Mustertochter des Konzerns machte und warum Sportwagen gegen Heuschrecken helfen.

Herr Wittig, der Pkw-Markt in Westeuropa ist angespannt, der Privatkundenmarkt in Deutschland in der Tendenz sogar rückläufig. Trotzdem macht Volkswagen gute Zahlen. Woran liegt das?

Wir haben schon vorher beobachtet, dass Volkswagen sich in schwierigen Zeiten gut behauptet und relativ besser da steht als andere Marken. Die Marke Volkswagen beinhaltet bestimmte Werte. Und Werte sind nicht nur immateriell, Werte lassen sich auch durchrechnen etwa in Gebrauchtwagenwerten. Wenn ein Kunde eine Investition in ein Produkt von Volkswagen macht, dann bekommt er am Ende relativ viel wieder raus. In schwierigen und unsicheren Zeiten ist das ein Leitmotiv. Die Sparquote in Deutschland ist so hoch wie nie zuvor. Wenn die Leute ihr Geld schon nicht auf die Bank bringen, wenn sie schon in langlebige Konsumgüter investieren, dann soll das langfristig sicher sein. Dann soll das Gut auch eine Wertbeständigkeit besitzen. Dafür steht Volkswagen.

In Krisenzeiten sieht die Substanz über die Emotionalität. Dabei setzen viele Hersteller in der Kommunikation auf das Gefühl, auf Fahrspaß, auf Lifestyle. Sie haben Skoda bis zum letzten Herbst Zeit geleitet. Skoda geht einen etwas anderen Wert. Wertbeständigkeit, attraktive Preise und immer etwas Cleveres.

Dieses Skodakonzept war passend und ist weiterhin attraktiv. Wir haben ein besonderes Produktkonzept, Skoda bietet immer viel Raum. Mehr Rauminhalt als andere. Wir haben ein gutes Preisniveau und eine hohe Qualität. Dieser Blumenstrauß kommt beim Kunden an.

Skoda konnte sich weitgehend aus den Rabattschlachten heraushalten. Welche Auswirkungen hat die Rabattitis im deutschen Markt?

Wenn man sich an diesen Rabattschlachten beteiligt, dann geben die Gebrauchtwagenwerte und die Leasingwerte dramatisch nach. Das wirkt sich auf das Produkt aus. Wenn der Kunde wieder verkaufen will, dann hat er die Bescherung. Und er kauft nicht wieder bei dieser Marke, wenn er den Wertverfall bemerkt. Und das wirkt sich auf ganze Marken aus, denn es höhlt das Vertrauen in eine Marke aus.

Marke heißt eigentlich "Vertrauen". Und wenn sie das Vertrauen in die Wertbeständigkeit zerstören, dann bekommen sie eine schwache Marke. Mit Rabatten haben sich viele Marken geschwächt. Volkswagen ist gerade durch die Wertbeständigkeit stark geworden.

Vor einigen Jahren ist Skoda nicht als werthaltige Marke wahrgenommen worden. Wie konnte dieser Wert aufgebaut werden?

Skoda war eine schwache Marke und musste eine stärkere Marke werden. Darum konnten wir diesen Weg nicht gehen. Es ist normal, dass eine Marke, die aus dem ehemaligen Ostblock kam, diesen Ruch hatte: keine Qualität, keine Zuverlässigkeit. Das stimmte bei Skoda allerdings so nicht. Mit östlichen Augen gesehen, war Skoda immer der relativ beste Anbieter. Außerdem war Skoda vor dem zweiten Weltkrieg eine der führenden Marken weltweit. Daran wollten wir anknüpfen und haben eben wegen des Ostblockimages Qualität zum Leitfaktor erhoben. Bei allem was wir taten, war Spitzenqualität die Herausforderung. In den Produkten und bei den Dienstleistungen. Jeder Skodafahrer konnte eine positive Überraschung erleben, über die Zuverlässigkeit, die Qualität, die Güte der Händler und der Werkstätten.

Darum bleiben die Kunden bei Skoda?

Ja, unsere Situation war, dass wir keine Traditionskunden hatten und völlig neue Kunden gewinnen mussten. Dann besteht immer die Gefahr, dass man die frischen Kunden ebenso schnell wieder verliert. Über Qualität gelang es uns, eine der höchsten Kundenzufriedenheiten überhaupt im Automobilgeschäft aufzubauen.

In Alt-EU-Europa stagnieren die Märkte. Wo liegen für Volkswagen die Zukunftsmärkte?

Also zunächst ist Europa der Heimatmarkt und da müssen wir stark sein. Und in dem einen oder anderen Land gibt es auch noch Ausbaupotenziale. Die großen Zuwächse liegen aber außerhalb. Die dynamischen Märkte der Zukunft sind Brasilien, Russland, Indien und China. In Brasilien sind wir schon lange, in China auch. In Russland waren wir bislang weniger vorhanden. Da gehen wir jetzt rein. Wir müssen dort im Land produzieren. Alle Länder haben hohe Zollwerte, an der Produktion im Land geht kein Weg dran vorbei.

Es gibt viele Studien, die die Bedeutung der Billigautos betonen. Fahrzeuge in Bereich von und unter 5000 Dollar. Dort ist Volkswagen bislang nicht vertreten.

Die europäischen Vorstellungen von Sicherheit und Qualität führen zu Fahrzeugen, die bei Preisen von 8000 Euro beginnen. In den neuen, dynamischen Märkten beginnen die Möglichkeiten der Kunden bei 4000 Euro und gehen bis 7000 bis 8000 Euro. Dort fängt das Fahrzeug in Europa erst an. Das sind Fahrzeuge, die wir bei unser europäischen Ausrichtung so im Moment nicht haben.

Ein Europa-Polo ist ein Fahrzeug zu einem Preis von über 10.000 Euro. Kann man so einen Wagen für neue Märkte entsprechend "abspecken"?

Sie können natürlich abspecken. Aber so etwas bringt ein paar hundert Euro, aber keine Tausend-Euro-Scheine. An diese Herausforderung muss man anders herangehen. Man kann sagen. Ich nehme einen Polo. Gehe dann aber konstruktiv ganz anders ran. So kann man eine Größenordnung um tausend Euro einsparen. Um aber in den Bereich von 6000 bis 7000 Euro zu gelangen, brauchen wir ein anderes Fahrzeugkonzept. Und das haben wir ja vor mit der neuen Reihe "Up!".

Damit gehen Sie einen anderen Weg als Dacia, die mit dem Logan einen großen Wagen mit etwas altbackenem Konzept sehr erfolgreich in den Markt gebracht haben?

Ja, hier stellt sich die Frage, wie sich die Kunden in diesen Märkten entwickeln. Auch in diesen Märkten ist eine Orientierung am europäischen Geschmack vorhanden. Wir glauben, dass die Entwicklung dann einem Konzept wie dem Up! zuneigt.

Sie setzen also auf den zukünftigen Geschmack in diesen Märkten?

Ja, sicher. Das müssen wir, wenn wir eine neue Baureihe entwickeln, müssen wir auch mal 20 Jahre im Voraus denken.

Doktor Winterkorn sprach von den Marken des Volkswagen Konzerns als den "Diamanten des Konzerns". Mit Scania haben Sie einen Groß-Klunker hinzubekommen. Verkaufen Sie in Zukunft auch 40-Tonner bei Volkswagen?

Wenn Sie so wollen, ist unser Angebot in der Tat gewichtiger geworden. In der Volkswagen Group werden die einzelnen Marken weiter entwickelt und behalten Ihren eigenen Charakter. Natürlich gilt das auch für eine so bedeutende Marke wie Scania. Festgefügt und solide, wie sie ist.

Wirklich überraschend war diese Entwicklung nicht.

Nein. Sie wissen, dass wir uns seit längerem kennen und im Gespräch mit Scania sind. Insofern war das kein Überraschungscoup.

Die Bekanntgabe der Pläne von Porsche auch nicht. Aber dennoch, welche Folgen wird es durch diesen Besitzer in der Zukunft geben? Denn Porsche ist ja kein x-beliebiger Aktionär.

Die Auswirkungen im Einzelnen werden sicherlich noch in Konzern diskutiert werden müssen. Aber zunächst garantiert der Eigentümer Porsche Sicherheit in der Eigentümerstruktur. Und das bedeutet Planungssicherheit und Stabilität für Volkswagen. Für die Firma und die Beschäftigten. In Zeiten, in denen Firmenkäufe getätig werden der Firmenkäufe wegen ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Die bisherigen Besitzverhältnisse haben Volkswagen sehr angreifbar für Käufer jeder Art gemacht. Auch für Interessenten, die nur an Wiederverkaufserlösen interessiert gewesen wären. Die den Konzern aufgespalten hätten und nur nach Maßgabe eines Erlöses einzelne Teile hätten veräußern wollen.

Mit Porsche haben Sie aus ihrer Sicht einen der denkbar besten Interessenten gefunden?

Ja, das hätte jemand mit ganz anderen Interessen als dem Automobilgeschäft sein können.

Porsche ist also besser als eine Heuschrecke?

Natürlich ist Porsche weit besser als eine Heuschrecke. Hier besteht ein langfristiges Interesse am Konzern. Porsche ist nicht nur an dem Besitz von Aktien interessiert, es besteht ein gemeinsames Interesse am Fahrzeugbau. Wir können uns langfristig auf die Entwicklung von Fahrzeugen konzentrieren und müssen nicht vorrangig ganz andere, finanzilele Erwartungen erfüllen.

Auch das ist beim Kauf von Aktien keine Selbstverständlichkeit. Wie kann sich der Volkswagenkunde mögliche Synergien vorstellen. Wird jetzt der Polo zum Sportwagen?

Es gibt es ja bereits eine gemeinsame Geschichte. Es gibt Entwicklungsarbeiten die Porsche für uns macht. Und ohne Porsche gäbe es keinen Touareg und ohne Volkswagen keinen Cayenne. Welche Möglichkeiten sich in der Zukunft ergeben, wird man gemeinsam sehen. Aus Synergien ergeben sich natürlich Vorteile für den Kunden durch stärkere Technik und niedrigere Kosten.

Das Gespräch führte Gernot Kramper