Autosalon Genf 2008 Die kleinen Träume

Im Scheinwerferlicht gleißen die Träume aus Metall. Dabei geht der Trend zum Downsizing und nicht zu PS-Boliden. Dass es der Industrie an Spaß und Kraft nicht fehlt, zeigt Volkswagen, morgens wurde Lkw-Hersteller Scania übernommen und abends wurde der Agententhriller "00Winterkorn" inszeniert.

Offiziell beginnt der Genfer Autosalon am Donnerstag. Endlich sind die Tore für jedermann geöffnet. Das Führungspersonal der Branche ist dann aber längst wieder weg. Vor dem Volk liegen die Presse- und Fachbesuchertage und davor liegt der Montagabend, an dem Volkswagen zum Empfang geladen hat. Die eigentliche Volks-Bombe ging bereits am Morgen hoch: Als die Wolfsburger mitteilten, sie haben von der schwedischen Wallenberg-Gruppe rund 30 Prozent der Scania-Stimmrechtsanteile für 2,9 Milliarden Euro gekauft.

Die Genfer Auto-Messe konnte Volkswagen nicht die erwünschten attraktiven Zeiten für die Pressekonferenzen bieten, also bot der Wolfsburger Gigant nicht nur das gewohnte "get to gether" an, sondern baute für einige tausend Gäste gleich eine eigene Messe-Landschaft in der Nähe auf. Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen Group Martin Winterkorn verkündete dann auch stolzgeschwellt in eigener Halle: "Ich komme direkt von Stockholm hier nach Genf. Mit der Übernahme von Scania zeigen wir, wie ernst wir das Nutzfahrzeugthema nehmen. Mit dieser neunten Marke haben wir ein neues Juwel im Konzern." Und wurde nicht müde, den neuen Erwerb und dessen Belegschaft zu loben. Für eine Messepräsentation war es dann doch zu spät, aber viel hätte nicht gefehlt und ein 40-Tonner wäre über die Bühne gedonnert.

Meisterstück von Volkswagen

Aber auch so wurde mit Neuigkeiten nicht geknausert. Für den Normalkunden wird der Bugatti in schwarz mit gelben Stichnähten keine große Rolle spielen, aber der neue Scirocco gehört schon jetzt zu den Stars der Messe. Mit dem eleganten Kraftprotz baut Volkswagen die eigene Stärke aus: vollständiger Alltagsnutzen, Sportlichkeit, konsequente Großserientechnik und ein äußerst attraktiver Preis.

Die Zukunft aus der Steckdose

Die letzte IAA in Frankfurt wurde konsequent und fast gewaltsam "ökogrün" eingefärbt. Das Programm in Genf ist vielfältiger. Hier zeigt sich durch alle Fahrzeugklassen, dass das Design wichtiger wird und dass die Anstrengungen den Verbrauch zu reduzieren auf breiter Linie Früchte tragen. Da passt es, dass 17 Premieren mit alternativen Antrieben ausgerüstet sind. Im Zentrum steht der Elektroantrieb. An Modellen, die die Augen zum Glänzen bringen, fehlt es nicht. Lancia bringt mit dem Delta nach Unzeiten ein neues Fahrzeug. Fiat stellt den 500 Abarth mit 135 PS auf den Stand. Ein so übertriebenes Fahrzeug, dass man sich fragt, ob es wirklich cool oder nur ein Witz ist. Die Edelmarke Infinity will Europa mit einem Paukenschlag erobern. Ford begeistert mit dem Fiesta und dem Kompakt-SUV Kuga. Realistische Träumer aus der Dienstwagenliga können sich am A4 Avant satt sehen. Daneben sind der chinesische Hersteller BYD mit einem Hybrid-Fahrzeug und das norwegische Unternehmen Think Global mit einem Elektro-Stadtauto vertreten.

Ohne Wachstumsimpulse

Überall wird am Genfer See der "Autofrühling" beschworen. Eine hoffnungsfrohe Geste, die seit Jahren enttäuscht wird. Zwar rollen Jahr für Jahr frische Modelle in die Hallen, in zentralen, europäischen Markten hapert es jedoch mit dem Absatz. Und das wird in diesem Jahr nicht anders sein. Steigende Benzinpreise und eine Klimadebatte, die sich hauptsächlich auf das Auto eingeschossen hat, werden dafür sorgen, dass die Verunsicherung des Konsumenten erhalten bleibt.

Für Alt-Europa sind die Traumwagen und technischen Paradestücke der Messe nicht entscheidend. Auf Europa wartet eine Invasion der Kleinwagen. Hohe Kraftstoffpreise, kleine Haushaltsgrößen und geringe Jahresfahrleistungen begünstigen kleine Fahrzeuge. Diese Klasse ermöglicht umweltfreundlichere Verbräuche ohne exorbitante Mehraufwendungen. Man könnte vom Klimaschutz des kleinen Mannes sprechen. Am sensationellen Erfolg des Fiat 500 sollen Modelle wie der Ford Fiesta oder der Hyundai 110 anknüpfen. Die größte Sensation des Jahres wurde bereits in Indien gezündet. Das 1700-Euro-Mobil Nano von Tata hat die Branche elektrisiert. Für PS-Fetischisten sind das ernüchternde Perspektiven. Denn Billig-Autos werden die Märkte der Zukunft gehören, aber Sex-Appeal besitzen sie nicht.

Politsche Entwertung der Gebrauchten

Inzwischen arbeiten alle Hersteller am Einfachstauto. Primär denkt man dabei an die Märkte der Schwellenländer, aber auch in Europa könnte ein günstiges Fortbewegungsmittel eine Alternative zum Gebrauchtwagen werden. Denn wenn die Politik in Sachen Klimaschutz Druck macht, bedeutet das vor allem, dass Gebrauchte schnell unattraktiver werden, weil sie naturgemäß die neu gesteckten Umweltziele am wenigsten erfüllen können. Technik und Blech der Fahrzeuge halten weit über zwölf Jahre durch. Aber was, wenn die Gebrauchtwagenarmada politisch gealtert wird? Das sind plötzlich vier bis fünf Jahre alte Fahrzeuge nicht mehr tragbar und in Sperrzonen vielleicht auch nicht mehr benutzbar. Für die Industrie, der die Käufer von Neuwagen mehr am Herzen liegen, als die Dritt- und Viertbesitzer des Alt-Bestandes, bietet sich die Chance unter der Fahne des Umweltschutzes, das ewige Problem der Überalterung des Fahrzeugbestandes zu lösen.

Grund zu Feiern

Die trüben Aussichten gelten für Alteuropa. Weltweit zeigen sich wie erfreulichere Perspektiven. Ein Grund beim Unterhaltungsprogramm zu sparen, besteht daher nicht. Zur allgemeinen Gaudi von Bossen und Medien ließ Volkswagen den Vorstandsthriller "00Winterkorn" in Szene setzen. An den schönsten Orten der Welt lieferten sich honorige Volkswagen-Vorständler Verfolgungsjagden in den eigenen Modellen. Sich Kinderträume zu erfüllen ist eben auch ein Vorteil, wenn man Vorständler ist. Serpentinen, Buchten und Parkgaragen wurden kongenial - aber leider ohne Blechschaden - abgefilmt. Wirklich Film-Witz zeigte die Nutzfahrzeugsparte von Volkswagen. Man ahnte wohl, dass ein verlängerter Caddy sich zwar zum Familientransport aber kaum zum Agentenfahrzeug eignet. Also ging der eigenen Packesel mit sieben Zwergen an Bord ins Agenten-Rennen.